Was wird aus dem Jahnsportpark?: Wende im Gelände
Der Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark hat eine große Vergangenheit, aber keine große Gegenwart. Nun will der Regionalliga-Aufsteiger und frühere Hausherr, der BFC Dynamo, das Stadion wiederbeleben.
Der Bär kickt nicht mehr. Seit 1986 signalisierte die Wandmalerei Passanten: Wenn du hier von der Schönhauser Allee in die Cantianstraße biegst, kommst du zum großen Fußball. Jahnstadion, BFC Dynamo, Europapokal.
Alles lang vorbei, und auch der gekrönte Bär, der einen Fußball jagt, ist hinter einem Rohbau verschwunden. Cantianeck, Cityflats für den Prenzlauer Berg. Nebenan, im Jahnsportpark, ziehen Jogger ihre Bahnen, Tennisbälle ploppen auf Sand, Platanen rauschen im Wind, Frisbees fliegen über Wiesen, Nachwuchstrainer brüllen Kindern Fußball bei.
Weiter oben, im großen Stadion, sprießt Unkraut zwischen bleichen Sitzschalen, die mal rot, gelb, grün waren, Geländer rosten, es riecht modrig. Und doch ist hier Betrieb. Arbeiter mit Eimern stopfen Löcher im Rasen, ziehen mit Schnur und Wägelchen Strafraumlinien. Der Fußball kündigt sich wieder an, auch wenn die Torgabeln noch American Football sagen.
Der BFC Dynamo kommt zurück, erstmals seit 1992 bespielt der Verein wieder dauerhaft das Stadion, in dem er alle zehn DDR-Meistertitel gewann. Das erste Heimspiel am Sonntag endete 0:0 gegen den VfB Auerbach, Regionalliga Nordost, noch kein großer Fußball. Immerhin kamen aber mehr als 2000 Zuschauern. In einer Woche darauf kommt Hertha BSC, wenn auch nur die zweite Mannschaft. Tausende Zuschauer wären wieder da. Wie am Abend davor, DFB-Pokal, Viktoria 1889 gegen Eintracht Frankfurt, und im Mai 2015, beim Champions-League-Finale der Frauen. Wieder was los im Jahnstadion. „Gott sei Dank“, sagt ein Arbeiter.
Andererseits: war doch immer was los im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark, wie das Gelände seit 1952 heißt. Erbaut auf dem alten Exer, wo Hertha einst spielte, eine Art Gegenolympiapark des Ostens, mit Friedensfahrten und Spartakiaden, und als die Wende kam, das Olympiastadion wieder für alle da war und Dynamo auszog, da ging es irgendwie auch weiter.
BFC trägt seine Heimspiele wieder im Jahnsportpark aus
Berlin-Pokal, Football, Leichtathletik-Meisterschaften, auch Istaf, Hertha und der 1. FC Union waren mal im großen Stadion am Jahnsportpark, das gar keinen richtigen Namen hat, sogar Michael Jackson, der BFC immer wieder. Die 20.000 Plätze aber waren seitdem selten voll. Olympia kam auch nicht nach Berlin, dafür die Max-Schmeling-Halle nebenan, die ist gut besucht. Das drittgrößte Stadion Berlins aber, nach Sitzplätzen Nummer zwei, steht meist leer. Ein Hauptnutzer, wie Hertha oder Istaf im sanierten Olympiastadion, fehlte.
Freizeitsportler, Amateurvereine und Spaziergänger machten es sich im Jahnsportpark gemütlich. Dass da noch ein Stadion steht, bemerken Mauerparkbesucher nebenan nur an diesen vier Flutlichtmasten, die aus einem Hügel wachsen.
Das soll sich bald ändern. Nach dem Wiederaufstieg in die Vierte Liga zieht der BFC Dynamo für seine Heimspiele raus aus dem Sportforum Hohenschönhausen und wieder rein in den Prenzlauer Berg. „Für den Verein ist das eine Möglichkeit, sich im Herzen Berlins zu positionieren“, sagt Klubsprecher Martin Richter. Für die Fans sei das Stadion ein Stück Tradition, doch Richter schwärmt vor allem von den Möglichkeiten des Standorts, angebunden an Ringbahn, U 2, Alexanderplatz. „Wer spontan Lust auf Fußball hat, muss sonst weit rausfahren. Im Jahnsportpark gegen Magdeburg, Jena und Zwickau, das ist echter Fußball, da ist das Feeling wieder da.“ Und das Risiko. Der Sicherheit wegen hätte der BFC viele Spiele ohnehin im Jahnstadion bestreiten müssen. In der Oberliga kamen kaum 1000 Zuschauer im Schnitt, nun sollen es über 2000 werden. Miete zahlt der Verein dem Land Berlin erst ab 3000 Zuschauern, sieben Prozent der Einnahmen. Das soll künftig häufiger klappen. Mit Wirtschaftsrat Peter Meyer im Hintergrund hat der BFC Dynamo ehrgeizige Pläne, will irgendwann zumindest drittklassig spielen. Fast wäre mit dem Mecklenburger Klub TSG Neustrelitz ein weiterer Nutzer hinzugekommen, nun profitiert der BFC Dynamo als einziger verbliebener Fußballklub dauerhaft davon, dass die Arena bis März 2015 hergerichtet wird – und später sogar komplett umgebaut werden soll.
Bald könnten zwischen Mauerpark und Jahnsportpark Welten aufeinandertreffen
Doch die Bevölkerung rund um das Gelände hat sich seit der Wende ausgewechselt und wächst, die Mieten steigen, statt Arbeitern kommen Familien, Gutverdiener, Zugereiste her. Künftig könnten zwischen Mauerpark und Jahnsportpark Welten aufeinandertreffen, Touristen auf Traditionalisten, Hooligans auf Hipster, Kuttenträger auf Karaokesänger.
„Jeder Zuschauer ist willkommen“, sagt BFC-Sprecher Richter. Die Verantwortlichen im Klub verbieten sich Nachfragen zu Zeiten, als Stasispitzen und Neonazis über die Tribünen spukten. Stattdessen will man mit Plakaten und Familienfesten im Kiez für die Heimspiele werben. Für das kuscheligere Image steht auch das Comicmaskottchen Helmut, ein dunkelhäutiger Schlaks mit Afrofrisur. Gespräche mit Fans, Polizei und dem Fanprojekt im Jahnsportpark sollen verhindern, dass Chaoten wieder die große Bühne stürmen und ein Gewaltstück aufführen wie vor drei Jahren im Pokal gegen Kaiserslautern.
Der große Fußball könnte also zurückkehren in den Jahnsportpark – aber passt er noch hinein? Was will das Areal eigentlich sein? Eine Heimat für Spitzenathleten, für Breitensport, ein Freizeitort, Erholungspark, Spekulationsobjekt oder eine Pionierstätte der Inklusion?
Steht alles zur Diskussion.
Gut 1400 Sportveranstaltungen fanden hier allein im vergangenen Jahr statt. Tendenz steigend, 169 wöchentliche Trainingszeiten sind gemeldet, bis zu 1000 Läufer am Tag kommen an die Laufstrecke im kleinen Stadion, wo die Fußballer des SV Empor ihre Spiele in der Berlin-Liga bestreiten. Auch Feuerwehr und Polizei verrichten hier ihren Dienstsport.
Der Jahnsportpark soll eine Inklusionssportstätte werden
Nebenan im Mauerpark zieht allein der Flohmarkt jeden Sonntag 40.000 Besucher an. Auch wenn das große Stadion leer ist, das Gelände rundherum ist voll. „Gerade sonntags ist die Gegend überlastet“, sagt Hartmut Bräunlich von der Anwohnerinitiative „Mauerpark-Allianz“. „Wenn da noch große Sportveranstaltungen hinzukommen...“ Jaqueline Röber vom Bürgerverein Gleimviertel e.V. ist wichtig, dass die Laufbahnen öffentlich zugänglich bleiben. Und dass sich die Parksituation nicht verschlechtert. Noch gibt es keine Diskussionen, man lebt nebeneinander her. Wegen des Immissionschutzgesetzes könnte jeder Anwohner gegen den Lärm bei Sportevents klagen. Und Investoren schielen seit langem auf potenzielles Bauland in teuerster Wohnlage.
Vom Jahnsportpark will jeder seinen Teil, und der soll möglichst wachsen. „Unsere Kapazitäten sind erschöpft“, sagt etwa Manfred Moritz, Vorsitzender des SV Empor. Der Verein hofft auf einen weiteren Kunstrasenplatz, eine Sportkita, will noch mehr Kinder aufnehmen, wie die Tennis-, die Hockeyspieler, Basketballer. Es gibt bis zu 40 Sportgruppen, die das Areal nutzen.
Doch es gibt auch Menschen, die kaum teilhaben, die meist unsichtbar sind. Rollstuhlfahrer, Prothesenträger, Senioren sieht man selten auf den Sportanlagen, außer bei ihren Meisterschaften hinter den Wänden des großen Stadions. Das soll sich ändern, der Jahnsportpark soll eine Inklusionssportstätte werden, wo Behinderte und Nichtbehinderte nebeneinander trainieren. Insider nennen es ein Prestigeprojekt der CDU, die nun für Sport in Berlin zuständig ist. „Es wäre eine fantastische Pionierlösung, wenn eine Sportstätte dieser Größenordnung wirklich inklusiv gestaltet wird, nicht nur barrierefrei“, sagt Helmut Lölhöffel, Kommunikationsberater des Deutschen Behindertensportverbands. Also nicht nur Rampen und Aufzüge, sondern auch Umkleiden, Betreuer, Büroräume. Ralf Otto vom Berliner Behindertensportverband hofft, vom Olympia- in den Jahnsportpark zu ziehen. Weitere paralympische Verbände könnten folgen, andere Nationen hier Trainingslager abhalten.
Dann würden hier wirklich bald Welten aufeinandertreffen, auf engstem Raum. Heute würde keiner mehr auf die Idee kommen, eine Anlage für Spitzen-, Breiten- und Freizeitsport in zentraler, teuerster Wohnlage zu errichten. Nun könnte hier wieder großer Sport einziehen, und, vielleicht, noch größere Toleranz.
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