Skispringen: Warum Österreichs Trainer die Szene dominieren
Die österreichischen Trainer haben bei zahlreichen Skisprung-Nationalteams das Sagen – und sind überaus erfolgreich, auch bei der neuen Raw-Air-Serie in Norwegen.
Mit Superlativen sparen die norwegischen Organisatoren nicht. „Es ist die extremste Skisprung-Serie der Welt“, sagt der Koordinator Arne Abraten. „Raw Air“ heißt die neue Wettkampfserie, die noch bis zum 19. März in Norwegen ausgetragen wird. Sechs Wettkämpfe stehen in zehn an. Das erste Teamspringen am Samstag in Oslo gewannen die Österreicher vor Deutschland und Polen. Die Norweger wollen mit „Raw Air“ nach der Vierschanzentournee und der WM einen weiteren Höhepunkt für das Skispringen schaffen – und haben dafür auch eine hohe Prämie für den Gesamtsieger ausgelobt: 60 000 Euro.
Für Abraten und seine Kollegen zählt bei den Wettkämpfen in Oslo, Lillehammer, Trondheim und Vikersund natürlich auch, dass die norwegischen Skispringer, die am Samstag im Team Vierte wurden, vorne dabei sind. Die Chancen dafür stehen gut, denn seit sechs Jahren gehören die Norweger wieder kontinuierlich zur Weltspitze. Und das liegt vor allem an Alexander Stöckl.
2011 wurde er dort Nationaltrainer. Und die Norweger holten ihn aus einem Land, das mittlerweile in der Skisprung-Szene außerordentlich in Mode dafür ist: Österreich. Sechs Österreicher haben derzeit einen Nationaltrainer-Posten. Neben Stöckl sind das Werner Schuster in Deutschland, Stefan Horngacher in Polen, Andreas Mitter in Finnland, Richard Schallert in Tschechien und Heinz Kuttin in Österreich. „Am Trainerturm wird nur noch derjenige verstanden, der österreichischen Dialekt spricht“, witzelt deshalb Michael Hayböck, der österreichische Vizeweltmeister im Mixed-Team.
Von 21 Weltcup-Springen gewann 17 ein Athlet mit österreichischem Trainer
Von den derzeit zehn besten Springern im Gesamtweltcup werden acht von einem Österreicher trainiert. Bei den Topnationen haben also außer in Slowenien nur Österreicher das Sagen. Und ihre Bilanz in diesem Winter ist imposant: Bei 17 der bisher 21 Weltcup-Springen hatte der Gewinner einen Trainer aus Österreich, ebenso bei den zwei WM-Einzelspringen – nur nicht bei den vier Siegen des Slowenen Domen Prevc.
Warum sind die Trainer aus den Alpen also so gefragt? „In Österreich ist seit den 90er Jahren eine unglaubliche Skisprungkultur mit enorm großen Erfolgen gewachsen“, sagt Horst Hüttel. Der Sportliche Leiter für Skispringen und Nordische Kombination des Deutschen Ski-Verbands (DSV) verpflichtete 2008 Schuster als Bundestrainer. „Es gab in Österreich einfach viele Leute mit viel Wissen“, betont Hüttel. „Und weil die alle nicht in ihrem Heimatland Cheftrainer werden konnten, sich aber auch weiterentwickeln wollten, sind sie nach und nach ins Ausland gegangen.“ Von den Erfolgen der Österreicher wollten eben auch die anderen Nationen profitieren.
Denn ihre Dominanz war in den vergangenen Jahren nahezu erdrückend. All die österreichischen Siege bei der Vierschanzentournee, Weltmeisterschaften und Olympischen Winterspielen fußten und fußen noch immer auf der Strategie, dass die Athleten schon im Kindesalter gefördert werden und dass der Verband, die Stützpunkte und die Vereine einem einheitlichen Konzept folgen – vom Nationalteam bis zu den Junioren.
„Wir haben wirklich eine sehr gute Trainerausbildung genossen“, sagt Stöckl. Wie die meisten der österreichischen Trainer, die derzeit einen Chefposten im Ausland innehaben, arbeitete Stöckl zuvor am Skigymnasium Stams in Tirol. „Dort gab es einen sehr guten Austausch, wir waren ständig auf der Suche nach Weiterentwicklung“, betont der 43-Jährige. „Es war für mich auch wichtig, dass ich in Stams zunächst jüngere Skispringer zwischen 14 und 19 Jahren betreut habe. So sieht man, wo ein Athlet herkommt und worauf es in der Grundausbildung ankommt.“
All dieses Wissen half Stöckl dabei, in Norwegen ein neues Skisprung-System aufzubauen. Bevor er dort anfing, gehörten die Norweger nicht mehr zur absoluten Weltspitze, ähnlich war es bei Schuster in Deutschland. „Ich hatte zwar keine Erfahrung als Cheftrainer, aber ich wusste, wo man ansetzen muss, um dann konstant gut zu springen“, sagt Stöckl. Auch Schuster stellte im DSV vieles um und führte die deutschen Skispringer zu zahlreichen Erfolgen. Der 47-Jährige hat zu den vielen österreichischen Nationaltrainern allerdings noch eine andere Sichtweise. „Für meinen Geschmack sind die Österreicher fast schon überdurchschnittlich repräsentiert“, betont Schuster. „Ich finde es auch sehr spannend, wie es die Slowenen angehen. Sie springen anders, legen auf andere Sachen Wert und haben eine eigene Identität.“
Doch so sehr sich nun die von Österreichern betreuten Nationen in vielen Bereichen angleichen mögen, sie sind eben meist erfolgreich. Darauf hoffen nun auch die Norweger bei „Raw Air“, wobei Stöckl warnt: „Das ist eine unglaublich harte Serie.“ Garantieren können eben auch österreichische Trainer die Siege nicht.