Borussia Mönchengladbach und die Trainersuche: Warum nicht Andre Schubert?
Nach sechs Bundesligasiegen hintereinander spricht viel dafür, dass Andre Schubert dauerhaft Trainer in Mönchengladbach bleibt. Andere Kandidaten sind kaum vermittelbar.
Andre Schubert neigte sein Haupt, er zog symbolisch den nicht vorhandenen Hut und drückte Raffael anschließend noch einmal an seine Brust. Der Trainer von Borussia Mönchengladbach brachte auf pantomimische Weise seine Hochachtung für den Brasilianer zum Ausdruck, der mit dem zwischenzeitlichen 2:0 das Spiel bei Hertha BSC schon früh entschieden hatte. Raffael ist so etwas wie der große Gewinner des Trainerwechsels bei den Gladbachern. An mehr als der Hälfte aller Tore war er beteiligt, seitdem Schubert Ende September den Platz des abtrünnigen Lucien Favre eingenommen hat. Ehre also, wem Ehre gebührt.
Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Schubert, seit sechs Wochen als Interimstrainer im Amt, ist längst der Liebling aller Gladbacher. Immer lauter werden an Borussias Sportdirektor Max Eberl die Forderungen herangetragen, aus Schuberts Jobbezeichnung doch bitte das „Interims“ zu streichen. Nicht nur von außen, sondern auch aus dem Inner Circle. „Was will man eigentlich noch mehr?“ fragte Kapitän Xhaka nach dem siebten Sieg im neunten Pflichtspiel unter Schubert. „Der Spieler, der sagt, es passt nicht mit Schubert, der hat keine Ahnung.“ Und auch Raffael, der immer als besonderer Zögling des Schweizers Favre gegolten hatte, äußerte nach dem 4:1-Sieg in Berlin seine Hoffnung, „dass er bleibt“.
Von Favre redet in Mönchengladbach kaum noch jemand, dafür alle Welt von diesem Andre Schubert im giftgrünen Kapuzenpulli. 44 Jahre alt, zuvor Trainer in Paderborn, St. Pauli, beim DFB, Borussias U23 und seit Samstag neuer Bundesligarekordhalter. Kein Trainer hat seine Karriere mit mehr Siegen am Stück begonnen als Schubert, nicht Guardiola, nicht Happel, nicht Hitzfeld. Mit dem sechsten Sieg im sechsten Spiel hat Schubert den fast 30 Jahre alten Rekord von Willi Entenmann eingestellt. Auch Entenmann wurde 1986 beim VfB Stuttgart nur als Interimstrainer geführt, holte in zehn Spielen 17:3 Punkte, führte den VfB ins Pokalfinale – und musste zur neuen Saison Egon Coordes weichen.
Schubert hat den Rekord von Willi Entenmann eingestellt
Inzwischen verdichten sich die Anzeichen, dass sich dieses Szenario in Gladbach nicht wiederholen wird, auch wenn Eberl immer mehr in Verdacht gerät, Schuberts Beförderung aus unerfindlichen Gründen zu hintertreiben. „Es kann jeder beruhigt sein“, entgegnete Borussias Sportdirektor auf derartige Vermutungen. „Wir sehen schon, was passiert.“ Schubert mache eine großartige Arbeit, bekannte er. „Da ist eine sehr gute Option entstanden, die wir im Haus haben.“
Aushäusige Kandidaten wie Markus Gisdol oder Markus Weinzierl, die auf Eberls Liste weit oben gestanden haben sollen, wären inzwischen nur noch schwer vermittelbar. Wer würde schon verstehen, wenn Borussia einen erfolgreichen Mann wie Schubert für den entlassenen Trainer eines Abstiegskandidaten (Gisdol) oder den Trainer des Bundesligaletzten (Weinzierl) wieder in die zweite Reihe verbannen würde? Viel besser als Schubert derzeit kann man es nicht machen. Unabhängig von den Resultaten: Der Trainer hat die Mannschaft mit ein paar wenigen Handgriffen stabilisiert. Allzu viele Veränderungen hat er gar nicht vorgenommen. Die Gladbacher verteidigen höher, sie attackieren nach Ballverlusten umgehend, anstatt sich wie unter Favre gleich in die defensive Grundordnung zurückzuziehen, und die Außenverteidiger müssen ihre Offensivbemühungen nicht mehr an der Mittellinie einstellen, sondern dürfen munter mit nach vorne stürmen. „Die Änderungen, die er vorgenommen hat, gefallen uns sehr gut“, sagt Außenverteidiger Oscar Wendt, der gegen Hertha sein erstes Saisontor erzielte.
Das gilt auch für den Umgang mit dem Team. Während Favre sich selbst nach Siegen immer am Negativen aufgehalten hat, regelrecht nach Fehlern gesucht zu haben schien, lobt Schubert die Mannschaft auffallend oft für ihre Qualität. Die Spieler dürfen jetzt Fehler machen, eigenständig Entscheidungen treffen, während sie bei Favre, so Eberl, in einem Korsett gefangen gewesen seien. Trotzdem steckt in der Mannschaft immer noch jede Menge Favre. Aber Schubert hat ihr Portfolio entscheidend erweitert. „Er hat seinen Input noch oben drauf gesetzt“, sagt Eberl. „Diese Kombination macht uns im Moment so erfolgreich.“ Aber der Sportdirektor will sich bei der Trainersuche nicht allein am Moment orientieren. Nach viereinhalb fast durchweg erfolgreichen Jahren mit Favre sagt er: „Ich möchte einen Trainer haben, der langfristig arbeitet.“ Eberl ist ein durch und durch rationaler Mensch, und er will sich später nicht vorwerfen lassen, er habe sich von der Euphorie des Erfolgs manipulieren lassen und dem Druck der Öffentlichkeit nachgegeben.
Immerhin: Eine schnelle Ablösung Schuberts steht längst nicht mehr zur Debatte, Eberl weist immer wieder darauf hin, dass er noch mit keinem anderen Trainer verhandelt habe. „Das ist doch auch eine klare Ansage.“ Ein klare Ansage pro Schubert. Die Hauptperson des ganzen Theaters kann der Debatte jedenfalls mit großer Gelassenheit folgen. „Wir sind alle Interimstrainer“, hat Andre Schubert nach dem Sieg in Berlin gesagt. „Ich hab’ nur keinen Vertrag.“
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