Skandal-Derby Union gegen Hertha: Warum der deutsche Fußball in Gefahr ist
Feuerwerkskörper auf andere Menschen, Gewalt gegen Schiedsrichter. Das schöne Spiel mit dem Ball ist hässlich geworden – nicht erst seit Union gegen Hertha.
Berlin, Anfang November 2019. Nach monatelanger Vorfreude feiert eine Stadt ihren Meister. Dem mutigen Aufsteiger aus Köpenick ist es tatsächlich gelungen, den verschüchtert wirkenden etablierten Verein aus Charlottenburg in einem zwar nicht schönen, aber leidenschaftlichen und vor allem stimmungsvollen Fußballspiel zu schlagen. Hach, es wäre eine so schöne Geschichte gewesen.
Stattdessen sind es diese Szenen, die hängen bleiben werden vom ersten Bundesliga-Duell zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC. Wie Menschen Feuerwerkskörper auf andere Menschen jagen. Wie ein Spiel unterbrochen werden muss, weil es einfach zu gefährlich ist. Wie verrückt gewordene Vermummte versuchen, den Platz zu stürmen.
Dieses Bild hat Berlin am Samstagabend in den Rest der Fußball-Republik gesendet – und nicht nur dahin. Es ist schon fast tragisch-typisch. An einem verrückten Spieltag, an dem der Rekordmeister Bayern München rekordverdächtig bei Eintracht Frankfurt untergeht, Rasenballsport Leipzig lockerleicht acht Tore gegen Mainz schießt und Borussia Mönchengladbach wie in den guten siebziger Jahren in der Tabelle oben steht, an dem das Spiel also endlich mal wieder Spaß und Spannung liefert, hätte dieses Berliner Derby außerhalb des Berlin-Brandenburger Kosmos wohl nicht viel Aufmerksamkeit erhascht. Und dann das.
Wieder einmal hat hier etwas nicht funktioniert. Versagen, wohin man nur schaute, fast jedenfalls. Wenn man besonders zynisch sein will, dann haben nur ein besonders besonnener Schiedsrichter aus Franken und ein besonders mutiger Torwart aus Polen, der die Chaoten aus dem eigenen Block zurechtgewiesen hat, noch Schlimmeres verhindert.
War ja auch schon schlimm genug. Die Ordnungskräfte konnten nicht verhindern, dass Unmengen von Pyrotechnik ins Stadion An der Alten Försterei geschmuggelt wurden. Und die Vereine bekamen ihre Krawallfans offenbar einfach nicht unter Kontrolle. Vielmehr sieht es gerade eher so aus, als würden kleine radikale Gruppen zunehmend die Macht über die Fankurven gewinnen. Dabei scheint es sich schon lange nicht mehr um die Freizeitfanatiker zu handeln, die am Wochenende im Stadion ihren gesammelten Frust der Arbeitswoche ablassen.
Die Bundesliga steht nur an der Spitze
Im Moment kann man tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass das eigentlich schöne Spiel mit dem Ball ganz schön hässlich geworden ist. Denn die Bundesliga steht im wahrsten Sinne des Wortes nur an der Spitze. Was sich auf den vielen Amateurplätzen abspielt, lässt sich allein daran erkennen, dass Schiedsrichter in Berlin in den Streik getreten sind, weil sie ein paar Mal zu oft attackiert wurden. Warum musste es so weit kommen? Die Unsitten sind lange bekannt und wurden zu lange anscheinend billigend hingenommen. Als würde nicht genug auf dem Spiel stehen.
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In Wahrheit liegt das Problem darin, dass es sich – ausnahmsweise – nur von oben lösen lässt. Wenn Vereine und Spieler wie die Unioner am Samstag sich klar gegen die Idioten auf den Rängen stellen. Wenn Bundesliga-Profis vormachen, dass sie die Schiedsrichter als Instanz akzeptieren und nicht mehr angehen. Wenn der Deutsche Fußball-Bund jeden Angriff hart sanktioniert.
Den Chaoten kann es nicht um ihren Lieblingsklub gehen
Diesmal wird es der DFB für Hertha und Union wohl wieder bei einer Geldstrafe belassen, die keine Knallwütigen abhält, sondern vielleicht sogar noch anstachelt. Den Chaoten von Hertha, die beim Derby groß rausgekommen sind, kann es nicht um ihren Lieblingsklub gegangen sein, wenn sie mit ihren absurden Einlagen Spieler, Fans, Familien und Kinder gefährden. Nicht zuletzt boykottieren sie so auch eine Debatte über die Fankultur in Deutschland.
Viele Bundesliga-Spieler und -Anhänger sprechen sich inzwischen für geordnete Bengalo-Einlagen in den Stadien aus. Doch solange einige die Situation ausnutzen, um gezielt andere anzugreifen, hat dieser Vorstoß keine Chance. Sonst würde man völlig Verrückten das gesamte Spielfeld überlassen.