Union gegen Hertha BSC: Welche Strafen nach den Derby-Ausschreitungen drohen
Das Berliner Derby eskaliert, weil mal wieder Pyrotechnik ins Stadion geschmuggelt wird. Der DFB wird dafür Hertha BSC und Union zur Rechenschaft ziehen.
Drei Verletzte, vier vorläufige Festnahmen, fünfundzwanzig Strafverfahren unter anderem wegen Körperverletzung und Hausfriedensbruch – das sind die nüchternen Zahlen zu einem Abend, an dessen Ende die Emotionen sich auf unschöne Weise entluden. Das erste Derby zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC in der Fußball-Bundesliga wird sicher nicht wegen der sportlichen Darbietungen beider Mannschaften in Erinnerung bleiben, sondern in erster Linie wegen des Geschehens in und vor den beiden Fanblöcken. Nach dem Schlusspfiff schossen Hertha-Fans Raketen aufs Spielfeld und auf die Ränge. Ein Union-Anhänger, ein Zivilpolizist sowie ein weiterer Polizeibeamter wurden leicht verletzt.
„Wir hätten uns andere Szenen gewünscht“, sagte Herthas Manager Michael Preetz. Szenen wie etwa am Freitagabend, als bei hereinbrechender Dämmerung 1500 Fans auf der Tribüne des Amateurstadions sangen, hüpften und sprangen, um ihre Mannschaft auf das Derby einzustimmen. Ante Covic, Herthas Trainer, nannte sie „die wahren Herthaner“. Allerdings hing laut „BZ“ schon da ein Plakat am Zaun, das zumindest erahnen ließ, dass man tags darauf in der Alten Försterei vor allem die hässlichen Herthaner zu sehen bekommen würde: „Jagt sie über den Platz wie wir sie durch den Wald.“
In einer Stellungnahme verurteilte der Verein am Sonntag die „nicht akzeptablen Grenzüberschreitungen“. Vor allem das Abfeuern von Raketen in den Innenraum und in Zuschauerbereiche sei nicht hinnehmbar. Preetz hatte schon am Samstagabend gesagt: „Es gibt einen Dissens zwischen Fans und Verein beim Thema Pyro, und den hat noch keiner gelöst.“ 2400 Anhänger in Blau und Weiß waren beim Derby in der Alten Försterei; dass nur eine Minderheit sich danebenbenahm, ist einerseits richtig; andererseits relativ egal, weil ihr Verhalten auf den ganzen Verein zurückfällt. „Das kostet richtig Geld“, heißt es bei Hertha.
Innerhalb von vier Tagen war der Berliner Bundesligist zweimal an großen Pyroshows beteiligt – am Mittwoch, im Pokal gegen Dynamo Dresden, nur passiv, am Samstag dann durch seine Fans in einer aktiven Rolle. In beiden Fällen wird auf Hertha eine empfindliche Geldstrafe zukommen. Weil der Klub beim Pokalspiel als Heimmannschaft Veranstalter war, wird er auch für das Fehlverhalten der Gästefans mit in Haftung genommen.
Die Aufarbeitung wird einige Wochen dauern
Der normale Lauf der Dinge sieht bei derartigen Vorkommnissen so aus: Anfang der Woche werden Hertha und Union vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) zu einer Stellungnahme aufgefordert. Darauf folgen die Ermittlungen des DFB-Kontrollausschusses. „Die Aufarbeitung wird ein paar Wochen dauern“, sagt Herthas Sprecher Max Jung. Seit der vergangenen Saison ist das Strafmaß klar geregelt. Jede im Block abgebrannte Pyrofackel wird mit 1000 Euro berechnet, Pyros, die aus dem Block geworfen oder geschossen werden, kosten 3000 Euro. Mithilfe der Fernsehbilder kann die Zahl der pyrotechnischen Erzeugnisse exakt ermittelt werden.
Als Hertha-Fans zuletzt in ähnlicher Weise auffällig wurden, gab es den Strafenkatalog noch nicht. Beim Pokalspiel 2017 in Rostock flogen ebenfalls Raketen aus dem Block auf die Ränge. In der Folge musste der Klub 100.000 Euro Strafe zahlen. Auch diesmal droht Hertha (ebenso wie Union) eine empfindliche Geldstrafe. Von weiteren Sanktionen geht der Verein erst einmal nicht aus. Eine mögliche Reaktion des DFB könnte allerdings sein, dass bei Derbys künftig die Zahl der Gästetickets reduziert wird. So ist es in der Vergangenheit zum Beispiel bei Spielen zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln gewesen, nachdem Kölner Fans beim rheinischen Derby auf den Platz gestürmt waren.
In Unions Kurve stand ein vermummter Block
Unklar ist seit Jahren, wie es den Chaoten immer wieder gelingt, die Pyrotechnik überhaupt ins Stadion zu bekommen. Schließlich wird jeder Zuschauer beim Einlass kontrolliert – oder sollte zumindest kontrolliert werden. Denn auch am Samstagabend hat es an dieser Stelle wohl Probleme gegeben.
Wie die Polizei berichtete, konnten sich einige Unioner Anhänger den Kontrollen entziehen. Oft ist diese auch nicht streng genug, und die Pyrotechnik teils so klein, dass man sie leicht schmuggeln kann. Sprengstoffspürhunde schlagen in solchen Fällen an. Aber offenbar werden sie nicht immer respektive in zu geringer Anzahl eingesetzt. Zudem zeigen sich die Krawallmacher kreativ, was das Schmuggeln von Pyrotechnik betrifft. So ist es eine beliebte Methode, wenige Tage vor einem Spiel eine Stadionführung zu buchen und dabei die Feuerwerkskörper im Stadion zu deponieren.
Ein gängiges Mittel ist außerdem, durch Attacken auf Ordner Verwirrung zu stiften. Diese nutzen dann die Fans, um die in Rucksäcken verstaute Pyrotechnik über die Zäune zu werfen Mithilfe der Kamerabilder aus dem Stadion erhoffen sich die Vereine, mögliche Täter zu ermitteln. Sollte das gelingen, so Hertha-Sprecher Jung, werde man die Strafen an die überführten Täter weiterleiten. „Diese schwarzen Schafe gehören nicht in die Blöcke“, sagt er. Allerdings sei es nicht einfach, die Täter ausfindig zu machen. Die Strategien der Ultras sind bekannt: Sie tragen meist einheitliche Klamotten, verstecken sich hinter Bannern, nutzen Choreografien zur Tarnung, wechseln Kleidung und Standort innerhalb des Blocks oder sind schlicht und einfach vermummt.
Auf der Waldseite mit den Union-Anhängern stand – mittig und recht weit oben – das ganze Spiel über ein schwarzer Block mit Gesichtsmasken. Es waren jene Gestalten, die nach dem Schlusspfiff einen Sturm auf den Hertha-Block planten. „Alle, die auf den Platz gekommen sind, haben dafür gesorgt, dass man sie nicht ohne Weiteres erkennen kann“, sagte Unions Sprecher Christian Arbeit. „Wir werden trotzdem sehen, ob sich etwas ermitteln lässt, und werden alles, was uns an Bildmaterial vorliegt, auswerten.“
Bei Hertha BSC war das Verhältnis zwischen Vereinsführung und aktiven Fans lange schwierig. Seit anderthalb Jahren aber reden beide Seiten wieder miteinander. Sprecher Jung spricht von einem „sehr intensiven, guten, konstruktiven Austausch“. Die Ereignisse vom Samstag haben allerdings gezeigt, dass man mit einem solchen Austausch nie alle erreichen wird, die sich in einem Fanblock tummeln. „Es ist schwierig, da eine Handhabe zu haben“, sagt Max Jung.