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Innenverteidiger Merkel besiegt Rechtsaußen David Cameron im Zweikampf bei der "Unsichtbar-WM". Sie ist halt fußballerisch begabter.
© dpa

WM 2014 - Kommentar zu Angela Merkels Kabinenrede: Warum David Cameron auf keinen Fall in die Kabine darf

Angela Merkel darf sich als Mutter der Nation in den Fußball einmischen. Für den Polo spielenden, in Eton ausgebildeten britischen Premier Minister David Cameron wäre das unvorstellbar. Ein Kommentar.

In diesen Tagen sollte es Angela Merkel eigentlich besser wissen. Snowden sitzt seit einem Jahr in Moskau, Merkels eigenes Telefon wurde abgehört, politische Geheimnisse sind zu Recht tabu. Aber trotzdem will keiner verraten, was die Kanzlerin nach dem Sieg gegen Portugal den deutschen Spielern in der Kabine gesagt hat.

Vielleicht ist es aber nur verständlich. Denn Merkel will sich ihre anscheinend erfolgreiche - sie ist noch Kanzlerin, Deutschland gewann 4-0 - Fußballpolitik nicht klauen lassen. Sollte es einen fußballerischen Whistleblower geben, einen Eduard Schneedenn im DFB, würde jeder andere Regierungschef Merkels Geheimnis stehlen können. Ihr Fußballzauber würde in die Hose gehen.

Cameron dürfte auf keinen Fall in die Kabine

Oder vielleicht eher nicht. Mindestens auf meiner berüchtigten Heimatinsel ist das unvorstellbar. Während Merkel sich durch Fußball politisch stärkt, würde England wohl sinken, wenn David Cameron jemals einen Fuß in die Umkleidekabine der englischen Mannschaft setzen würde.

Alle alten (und auf deutschen Ohren wohl verlorene) Witze über die verdrängte Homoerotik in britischen Privatschulsportmannschaften außen vorgelassen, könnte es Cameron nur schaden, wenn er eine aktivere Rolle in Fußball einnehmen würde. Die Gründe sind klar:

1) Schlechtes Image. Wo Merkel die Mutter der Nation ist, wirkt Cameron eher als schnoddriger älterer Bruder. Ein nerviger Typ, der nur wegen seines Geburt an die Macht kam. Man hört ihm niemals zu, aber er ist trotzdem immer da, jammert trotzdem immer sinnlos über seine "Big Society" und seine Regeln für das Trampolinspringen im Garten, während alle anderen Kinder längst in Richtung Xbox abgehauen sind. So einer könnte keinen Fußballspieler inspirieren.

2) England gewinnt ja nie. Die Unterstützung einer tapfer verlierenden Mannschaft mag kurzfristig sogar besser wirken für ein englisches Publikum, aber langfristig würde Dave als wichtiger Teil dieser Verlierertruppe wahrgenommen werden. Einen Verlierer wählen sogar selbst die Briten nicht.

3) Seine Partei will raus aus Europa. Stellen wir uns mal vor, wie Camerons Kabinerede bei einer EM klingen würde. Absichtliches Aus in der Gruppenphase, und weg von diesem diktatorischen Kontinent! Wir lassen uns weder von der EU Brüssel regieren, noch von der Uefa in Zürich! Wir machen unsere eigene EM! Gegen Schottland! Oh, bollocks.

4) Er kennt wohl nicht mal die Regeln. Camerons Fußballverständnis steht immer noch unter Verdacht. Bei Eton spielen sie diesen Plebsport nur ironisch: da kennt man sich viel besser mit Rugby, Polo, Soggy Biscuit und Cricket aus. Wenn Cameron wirklich dazu gezwungen ist, einen Interesse an Fußball zu zeigen, ist er immer vorsichtig. Seine Lieblingsmannschaft, zum Beispiel, ist Aston Villa. Unpolemischer geht's nicht.

5) Er hat mehr zu tun als Merkel. Cameron arbeitet gerade 24 Stunden pro Tag, und kann die Lage in Großbritannien immer noch nur verschlechtern. Wenn er nach Brasilien kommt, um Fußball zu gucken, dann kommt UKIP wirklich an die Macht.

"Cricket ist wichtiger, als Premier Minister zu sein"

Im Allgemeinen wissen britische Politiker ganz gut, dass ihre Präsenz beim Fußball weder gewünscht noch positiv ist. Tony Blair war ein bona fide Fan von Newcastle United, wurde trotzdem für seine Fußballignoranz ausgelacht. John Major hat mal geschrieben, dass "Cricket viel wichtiger ist, als Premier Minister zu sein". Ich finde das übrigens auch richtig, aber egal: vom Fußball wollte Major gar nichts wissen. Margaret Thatcher hat Fußball als hilfreichen Sündenbock für alle die von ihr verursachten sozialen Probleme der 80er Jahren ausgenutzt - und wurde dafür zu Recht ausgeschimpft.

Cameron kennt sich mit dieser Dialektik aus. Wenn England Weltmeister wird, wird er bestimmt ein schönes Gläschen Port mit Roy Hodgson genießen, aber in die Kabine wird er nie kommen. Und das, trotz aller seiner Nachteile, ist auch gut so.

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