Hertha BSC: Vedad Ibisevic und der verlorene Nachmittag
Es läuft nicht für Vedad Ibisevic: Seit zehn Spielen wartet er für Hertha BSC auf ein Tor - und jetzt fehlt er nach seiner Roten Karte auch noch gegen die Bayern.
Vedad Ibisevic hat am Samstagnachmittag einen revolutionären Vorschlag gemacht. Aber angesichts der aktuellen Gemengelage sind die Aussichten auf eine Umsetzung gleich null. Das Fußballvolk fremdelt immer noch mit dem Videobeweis, da wird es sich ganz sicher nicht auch noch für die Einführung eines Audiobeweises begeistern können, wie ihn Ibisevic nach der 0:1-Niederlage von Hertha BSC beim FSV Mainz 05 ins Spiel gebracht hat. „Ich hoffe, dass es hier auch Lippenleser gibt“, hatte Herthas Kapitän gesagt. Aber selbst, wenn der Audiobeweis eingeführt werden sollte, für den Stürmer des Berliner Fußball-Bundesligisten würde er wohl zu spät kommen.
Vedad Ibisevic wird seinem Team nach der Roten Karte in Mainz mindestens am kommenden Sonntag im Spiel gegen den FC Bayern München fehlen – auch wenn er nach dem Schlusspfiff eindringlich seine Unschuld beteuerte.
Es lief die letzte Minute im Spiel der Berliner gegen Mainz. Hertha lag 0:1 zurück, als es am Strafraum der Mainzer nach einem Kopfballduell einen Freistoß für die Gastgeber gab. Ibisevic sprach beim Schiedsrichter vor und äußerte in gemäßigtem Ton seine Zweifel. Er selbst habe nämlich kurz zuvor auch keinen Freistoß bekommen, obwohl er sich sogar eine Platzwunde an der Augenbraue zugezogen hatte. Ibisevic zeigte auf das Blut in seinem Gesicht, was Tobias Stieler allerdings nicht dazu brachte, seine Entscheidung zu revidieren, sondern nur dazu, Ibisevic, den Regeln entsprechend, zur Behandlung vom Feld zu schicken.
Ibisevic und das Sch-Wort
Bis hierher gab es keine Diskrepanz in den Zeugenaussagen, wohl aber über das, was im Anschluss passierte. Ibisevic haderte mit seinem temporären Ausschluss, will es als „schlecht“ bezeichnet haben, dass er sich in der Nachspielzeit behandeln lasse sollte. Dem widersprach Stieler. Ibisevic habe zwar ein Sch-Wort verwendet, aber es endete nicht auf -lecht, sondern auf -eiße. „Es war eine Schiedsrichterbeleidigung, die habe ich glasklar wahrgenommen“, sagte Stieler. Was für Ibisevic wiederum „völliger Quatsch ist“. So steht Aussage gegen Aussage.
Der Platzverweis war das böse Ende eines ohnehin unbefriedigenden Nachmittags. Für Hertha im Allgemeinen. Und Ibisevic im Besonderen. Der Bosnier hätte auch zum Helden werden können, so wie er in den vergangenen beiden Jahren bei Hertha oft zum Helden geworden ist. Aber für die Fortsetzung seiner Heldengeschichte fehlt zunehmend der Stoff. Wie in so vielen Auswärtsspielen tat sich Hertha auch gegen Mainz schwer im Spiel nach vorne. Aber das wird billigend in Kauf genommen: Erst einmal hinten sicher stehen, dem Gegner nichts anbieten – und dann in der Schlussphase zuschlagen, idealerweise durch Vedad Ibisevic, Kampfname Vedator.
In der 67. Minute war es so weit. Ibisevic bewegte sich geschickt durch die gegnerischen Linien, er zwang seinen Kollegen Mitchell Weiser zu einem grandiosen Schnittstellenpass, nahm den Ball im Strafraum an, hatte nur noch Torhüter René Adler vor sich und versuchte den Ball mit dem Außenrist seines linken Fußes hart neben den Pfosten ins Tor zu setzen. Aber Ibisevic brachte keinen Schnitt in seinen Schuss, so dass der Ball schnurgerade ins Toraus sauste. „Es ist auch schwierig, als Mittelstürmer direkt zu knipsen, wenn man das ganze Spiel nur wenige Bälle bekommen hat“, sagte Trainer Pal Dardai.
Hertha BSC braucht die Treffsicherheit des Bosniers
Aber war das nicht immer so? Herthas Mannschaft hat sich unter Dardai selten dadurch ausgezeichnet, dass sie sich Chance um Chance erspielt hat. Aber sie hatte eben da vorne einen abgebrühten Stürmer, der auch aus einer halben Chance ein ganzes Tor machen konnte.
Inzwischen aber passiert Ibisevic so etwas wie in Mainz immer häufiger. Im entscheidenden Moment bringt er keinen Schnitt, keine Wucht, keine Präzision in seinen Abschluss. Seit saisonübergreifend zehn Spielen ist der 33-Jährige nun schon ohne Tor. In der Bundesliga musste er nur einmal länger warten. Das war in seinen letzten Monaten beim VfB Stuttgart, als er zwischen Januar 2014 und seinem ersten Tor für Hertha Ende September 2015 sogar in 25 Spielen leer ausging. Immerhin hat er in dieser Saison im Pokal gegen Rostock den Treffer zum 2:0-Endstand erzielt und unter der Woche, beim 2:1 gegen Leverkusen, das 2:0 von Salomon Kalou grandios vorbereitet. Vedad Ibisevic hat später erzählt, dass das immens wichtig war – für Salomon Kalou: „Er hat auch mal ein Tor gebraucht.“