Hertha BSC: Mathew Leckie schließt die Lücke
Der Australier kaschiert bei den Berlinern, dass die gestandenen Stürmer Vedad Ibisevic und Salomon Kalou das Tor nicht mehr treffen.
Es war definitiv kein guter Tag für Stürmer. Den finalen Beweis im Berliner Olympiastadion gab es Mitte der zweiten Halbzeit. Max Kruse, der frühere Nationalspieler von Werder Bremen, trat zur Ecke an. Als er mit seinem linken Fuß den Ball in den Strafraum von Hertha BSC schlagen wollte, rutschte er mit dem Standbein auf dem Rasen weg und lenkte den Ball ungewollt über die Torauslinie.
Die Versuche seiner Berliner Kollegen sahen beim 1:1 gegen Werder Bremen nicht annähernd so tollpatschig aus. Aber ein Erfolgserlebnis blieb auch Vedad Ibisevic und Salomon Kalou verwehrt. Wieder einmal. Ibisevic kam in der zweiten Hälfte zweimal zum Abschluss, einmal per Kopf in zentraler Position, einmal mit dem Fuß an der Strafraumgrenze. Beide Versuche stellten für Jiri Pavlenka im Tor der Bremer keine besondere Bedrohung dar. Kalou wiederum hatte in der Nachspielzeit die beste Chance für Hertha, als er seinen Fuß nach einem Schuss von Valentin Stocker noch an den Ball brachte, das Tor jedoch knapp verfehlte.
So blieb es an diesem Nachmittag im Olympiastadion einem Stürmer vorbehalten, die Ehre der Stürmer zu retten, den man bis vor wenigen Wochen wohl nur als Stürmer in Anführungsstrichen bezeichnet hätte. Mathew Leckie erzielte kurz vor der Pause die 1:0-Führung für Hertha. Er machte das, wie man es von einem Stürmer erwartet, überlegt und effektiv. Der Ball sauste mit erstaunlicher Präzision genau zwischen den Beinen des Bremer Torhüters hindurch ins Netz.
Mathew Leckie überzeugt in dieser Phase der Saison mit einer ungekannten und vor allem unerwarteten Effizienz. Sein Torschuss gegen Bremen war Herthas erster im ganzen Spiel; es sollte für Leckie auch der einzige an diesem Nachmittag bleiben. Drei Spiele hat der 26-Jährige, der für eine Ablöse von drei Millionen Euro vom Absteiger FC Ingolstadt gekommen ist, jetzt für seinen neuen Klub bestritten und dabei drei Tore erzielt. „Perfekt“, sagt Leckie zu dieser Bilanz.
Leckie glaubt wieder an die eigene Stärke
Drei Bundesligatore – exakt so viele sind ihm in Ingolstadt in zwei kompletten Spielzeiten gelungen. Sechs Torschüsse hat Leckie bisher für Hertha abgegeben – vergangene Saison waren es 50, ohne dass er ein einziges Mal getroffen hätte. „Ich kann Ihnen keinen guten Grund nennen, warum es letztes Jahr nicht geklappt hat. Da hatte ich auch genügend Chancen. Aber das ist Vergangenheit.“
Manchmal muss man den Dingen gar nicht auf den Grund gehen, vor allem nicht als Stürmer, der mehr als jeder andere Fußballer von einem guten Grundgefühl abhängig ist. Dinge, die laufen, muss man auch einfach mal laufen lassen. Dass Leckie gleich im ersten Bundesligaeinsatz für Hertha, beim 2:0-Sieg gegen den VfB Stuttgart, zwei Mal traf, hat ihm den Glauben an die eigene Stärke zurückgebracht. Auch in der Nationalmannschaft war er jüngst erfolgreich. Gegen Thailand traf er kurz vor Schluss zum 2:1 und wahrte seinem Team damit die Chance auf die WM-Teilnahme im kommenden Sommer.
„Es gibt ein paar Faktoren“, sagt Leckie über seine ungewohnte Erfolgsquote. „Selbstvertrauen ist einer davon. Wenn du länger nicht getroffen hast, fängst du an zu glauben, das Glück ist gegen dich.“ Inzwischen haben Leckie und das Glück sich offensichtlich wieder versöhnt.
Ein bisschen paradox ist es schon: Hertha profitiert im Moment am meisten von dem Spieler, von dem man das nach seiner Vorgeschichte am wenigsten erwartet hätte. Leckie hat alle drei Saisontore für die Berliner erzielt. Das ist schön für den Australier – aber insgesamt kein besonders gutes Zeichen für Herthas Offensivspiel im Allgemeinen und die etablierten Stürmer im Besonderen.
Ibisevic und Kalou sind noch ohne Tor
Kalou und Ibisevic waren in den beiden vergangenen Spielzeiten jeweils Herthas bester und zweitbester Torschütze. Beide haben, seitdem sie in Berlin sind, immer spätestens in ihrem dritten Einsatz einer neuen Saison getroffen – jetzt sind sie nach drei Spielen noch ohne Tor. Ibisevic, Herthas Kapitän, hat saisonübergreifend seit sieben Spielen keinen Treffer mehr erzielt; länger musste er in Berlin noch nie auf ein Erfolgserlebnis warten. Kalou wiederum ist in den vergangenen 13 Spielen nur ein Tor gelungen – gegen Absteiger Darmstadt.
Herthas Erfolg unter Trainer Pal Dardai war bisher in hohem Maße von den beiden Routiniers im Angriff und ihrer Abschlussstärke abhängig. Die Berliner sind nicht gerade mit ihrem exzessiven Offensivspiel aufgefallen, aber sie mussten sich eben auch nicht übermäßig viele Chancen herausspielen – weil sie vorne zwei Stürmer hatten, die die wenigen Gelegenheiten mit einer bemerkenswerten Kaltschnäuzigkeit und Effizienz verwertet haben. Natürlich ist das auch eine Frage der Routine. Kalou ist 32, Ibisevic 33. Doch wenn sie nicht treffen, könnte schon bald die Frage gestellt werden, ob ihre Torflaute tatsächlich nur eine temporäre Erscheinung ist. Oder nicht doch eine Folge des Alters.