Deutschland im Viertelfinale der Handball-WM: Torhüter Lichtlein strahlt auf der ganz großen Bühne
Dank einer starken Leistung des Torhüters Carsten Lichtlein schlagen die deutschen Handballer Ägypten mit 23:16 und spielen nun im WM-Viertelfinale am Mittwoch gegen Gastgeber Katar.
Carsten Lichtlein musste in den Archiven seines Hinterkopfes kramen, um die Frage halbwegs seriös beantworten zu können. Wann er zuletzt 16 Gegentore in einem Spiel kassiert hat? Lichtlein überlegte einen Augenblick, „wahrscheinlich irgendwann mit 14 in der C-Jugend“, sagte er dann und musste selbst lachen. 20 Jahre später ist dem Torhüter der Handball-Nationalmannschaft dieses Kunststück erneut gelungen, diesmal allerdings auf der denkbar größten Bühne: Im Achtelfinale der Weltmeisterschaft in Katar zog die deutsche Auswahl vor allem dank einer überragenden Leistung ihres Keepers ins Viertelfinale ein. Lichtlein parierte 54 Prozent aller auf sein Tor abgefeuerten Bälle – normalerweise sind schon Quoten jenseits der 40-Prozent-Marke herausragend. Deshalb machte es am Ende auch gar nichts, dass sein Team am Montagabend in der Offensive die wenigsten Treffer im bisherigen Turnierverlauf zu Stande brachte.
Nach dem 23:16 (12:8)-Sieg über Ägypten bietet sich den Deutschen nun am Mittwoch gegen Gastgeber Katar die Chance, zum ersten Mal seit 2008 wieder ein Halbfinale bei einem großen internationalen Turnier zu erreichen. Entsprechend lobend fiel die Analyse von Bundestrainer Dagur Sigurdsson aus. „Wir sind extrem clever aufgetreten und hatten das Spiel immer unter Kontrolle“, sagte der Isländer, „das war ein super Leistung“. Oliver Roggisch, einst gefürchteter Abwehrspieler und Freund des niedrigen Ergebnisses, äußerte sich ähnlich euphorisiert. „Ich habe großen Respekt vor dieser Mannschaft. Wie sie heute gespielt hat, vor dieser Kulisse, mit dieser Ruhe – das war nicht selbstverständlich.“
Bereits beim Einlaufen in die mit 10 000 Zuschauern besetzten Spielstätte in Lusail konnten die deutschen Spieler erahnen, was sie in den nächsten 60 Minuten erwarten würde: ein Auswärtsspiel inklusive Dauerpfeifkonzert. Weil Sigurdssons Mannschaft von der ersten Minute an handballerisch so überlegen war wie die Ägypter numerisch auf den Tribünen, erspielte sie sich aber schnell einen Vier-Tore-Vorsprung (8:4/16.). „Wir haben nie die Stimmung aufkommen lassen, die der Gegner gebraucht hätte, um eine Chance zu haben“, lobte Sigurdsson. Bei eigenem Ballbesitz fiel den Ägyptern abgesehen von ein paar Distanzwürfen nichts ein gegen die exzellent eingestellte deutsche Defensive – und wenn sich doch irgendwo eine Lücke auftat, stand ja immer noch Lichtlein im Tor. Der 34-Jährige vom VfL Gummersbach parierte allein in der ersten Halbzeit drei von vier Siebenmetern und darüber hinaus etliche Großchancen. Halbzeit: 12:8.
Der Bundestrainer gönnte seiner Stammformation in der Schlussphase eine Pause
„In der zweiten Halbzeit haben wir genau so stark angefangen wie in der ersten, danach war das Spiel entschieden“, sagte Bundestrainer Sigurdsson später. Dem deutschen Team gelangen durch Uwe Gensheimer, Patrick Groetzki und Martin Strobel (je 2) die ersten sechs Treffer nach Wiederanpfiff und zwangen Ägyptens Coach Marwan Ragab dazu, sein Team bei einer Auszeit neu einzustellen – 16:8 (37.). Dieser Vorsatz blieb allerdings theoretischer Natur, weil die Deutschen offensiv weiter konzentriert agierten und sich kaum Fehler leisteten – und weil Lichtlein im Tor gar nicht daran dachte, auch nur ein wenig nachzulassen. Wenn Dagur Sigurdsson in der Schlussphase nicht fleißig rotiert hätte, wären es höchstwahrscheinlich noch weniger Gegentore für den Keeper gewesen als die finalen 16: Von den letzten neun Treffern erzielte Ägypten sieben.
So räumte der Bundestrainer seiner Stammformation in der Schlussphase eine kollektive Pause ein und schickte exakt die Formation aufs Feld, die bereits im letzten Gruppenspiel gegen eine komplett chancenlose Mannschaft aus Saudi-Arabien (36:19) Einsatzminuten hatte sammeln dürfen. „Neben dem Einzug in die nächste Runde war es ganz wichtig, dass sich am Ende niemand mehr unnötig verletzt“, sagte Rückraumspieler Paul Drux, der selbst in den Genuss eines verkürzten Arbeitstages kam. „So sind auch alle im Turnierrhythmus geblieben, das ist gut für den Team-Spirit“, ergänzte Drux. Nur einen Mann ließ Sigurdsson bis zur Schlusssirene auf dem Feld, es war natürlich: Carsten Lichtlein.