Handball-Nationalkeeper Carsten Lichtlein: Der Andere
Die deutsche Nationalmannschaft trumpft bei der Handball-WM in Katar mit einem starken Torhüter-Gespann auf. Dabei ist Carsten Lichtlein der perfekte Gegenentwurf zu Füchse-Schlussmann Silvio Heinevetter.
Unter der Sonne Katars ist Silvio Heinevetter noch einmal acht Zentimeter gewachsen. Neuerdings trägt der Handball-Nationaltorhüter auch keinen Bart mehr, und selbst die langen Haare sind ab. Ach nee, war doch Carsten Lichtlein. Ein paar Paraden, die der andere deutsche Nationalkeeper bei der Handball-WM in Doha gezeigt hat, erinnerten allerdings stark an die unorthodoxen Bewegungsabläufe, die Heinevetter zum Markenzeichen gemacht hat.
Lichtlein ist – abgesehen von seiner überragenden Bundesliga-Hinrunde beim VfL Gummersbach – vor allem deshalb in den deutschen Kader berufen worden, weil er in seinem Torhüterspiel so ganz anders ist. „Heine hampelt viel herum und lebt von seinen Bewegungen“, sagt Oliver Roggisch. „Carsten ist eher ein Torhüter klassischer Prägung: groß gewachsen, enorme Spannweite. Einer, der vor dem Torwurf lange stehen bleibt und abwartet“, analysiert der Team-Manager, „darauf müssen sich die Gegner erstmal einstellen.“
Lichtlein kann auf Erfahrungswerte bei mehreren großen Turnieren vertrauen
Am Donnerstag zogen die Deutschen beim 28:23 in ihrem vierten von fünf Vorrundenspielen gegen Argentinien nun bereits vorzeitig ins Achtelfinale ein. Und wieder spielte Lichtlein eine zentrale Rolle im deutschen Team. Einerseits kann der mit 34 Jahren älteste Spieler auf Erfahrungswerte bei mehreren großen Turnieren vertrauen. Meistens war der gebürtige Würzburger zwar nicht als erster Torhüter gesetzt, „aber das macht mir gar nichts, weil ich meine Rolle gut einschätzen kann“, sagt er. „Ich weiß, dass ich manchmal komplett kalt von der Bank komme und von 0 auf 100 funktionieren muss.“ Andererseits ist genau diese Einstellung Lichtleins große Stärke. „Carsten ist ein Typ, der nie unzufrieden mit seiner Situation ist und sich immer in den Dienst der Mannschaft stellt“, sagt Team-Manager Roggisch, der sich zu aktiven Zeiten im Nationalteam stets das Zimmer mit Lichtlein geteilt hat. „Man kann sich einfach auf ihn verlassen, sowohl auf dem Platz als auch daneben.“
Aber wie geht das eigentlich? Wie ruft man trotz der Gewissheit, in der Regel nur eingewechselt zu werden, beständig gute Leistungen ab, zumal auf einer so wichtigen Position? Bei Lichtlein klingt das alles ziemlich einfach. „Ich bereite mich immer so vor, als würde ich anfangen und gehe entsprechend fokussiert in die Kabine“, sagt der Keeper, „dann lasse ich mich überraschen, ob ich wirklich spiele.“
Die Frage nach etwaigen Schwächen seines langjährigen Zimmerkollegen und Freundes beantwortet Oliver Roggisch mit einem Lächeln: „Er ist ein gnadenloser Frühaufsteher, immer der Erste beim Frühstück“, sagt er, „das hat mich manchmal verrückt gemacht.“