Handball-Torhüter Wolff und Heinevetter: Stoiker und Zappelphilipp
Die deutschen Torhüter Andreas Wolff und Silvio Heinevetter sind bei der Handball-WM Konkurrenten – und ergänzen sich perfekt.
Andreas Wolff haut gern mal einen Spruch raus. In der Nationalmannschaft, so schildern es seine Kollegen einvernehmlich, ist der Handball-Torhüter vom THW Kiel so etwas wie der Lautsprecher, ausgestattet mit einer schönen Bandbreite an Durchsagen. Die Sprüche können rein sportlich sein, aber auch abseitig und witzig. Wie etwa vor dem letzten Vorrundenspiel der Deutschen am Freitag gegen Kroatien (17.45 Uhr, Livestream bei handball.dkb.de), das die Entscheidung über den Sieg in der Gruppe C und den Schwierigkeitsgrad der Gegner im weiteren Turnierverlauf bringen wird.
„Meinem Po geht es so weit ganz gut“, sagt Wolff also am Donnerstagmorgen im Teamhotel und muss selbst lachen. Seitdem sich der 25-Jährige gegen Saudi-Arabien eine Prellung am Gesäßmuskel zugezogen hat, ist besagtes Körperteil täglich Gegenstand diverser Nachfragen. „Solange ich nicht drauf sitzen muss, ist alles in Ordnung“, ergänzt Wolf und grinst.
Die Botschaft an Bundestrainer Dagur Sigurdsson ist nicht schwer zu verstehen, der Subtext lautet: Lass mich gegen den bisher besten Gegner spielen! Wenn ich auf der Bank sitzen muss, bedeutet das: Schmerzen. Zwischen den Pfosten zu stehen ist dagegen – gar kein Problem. Das passt zum Anspruchsdenken des deutschen Torhütergespanns Andreas Wolff/Silvio Heinevetter, auf das es gegen Kroatien ganz besonders ankommen wird.
„Beide zeichnet der Ehrgeiz aus, immer die kompletten 60 Minuten spielen zu wollen“, sagt Bob Hanning, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB). „Aber beide haben mittlerweile auch gelernt mit der Situation umzugehen, dass es keine klare Nummer eins gibt.“
In der deutschen Mannschaft hat diese Sicht der Dinge ohnehin Methode, denn Bundestrainer Dagur Sigurdsson praktiziert sie auf allen Positionen. Niemand kann sich darauf verlassen, garantiert zum Einsatz zu kommen. Damit will Sigurdsson Spannung und Konzentration hochhalten. Wolff und Heinevetter etwa erfahren manchmal erst wenige Minuten vor dem Anpfiff, auf wen sich der Trainer (zunächst) festgelegt hat. Wer gegen die Kroaten im Tor beginnt? „Die Spieler wissen es noch nicht“, sagt der Isländer, „aber ich weiß es schon.“ Aha.
Heinevetter begegnet seinem jüngeren Kollegen wieder auf Augenhöhe
Für Andreas Wolff ist das keine ungewohnte Situation, er kennt sie aus dem Verein. „Scheint gute isländische Tradition zu sein“, sagt der Torhüter. Sein Vereinstrainer in Kiel, der Isländer Alfred Gislason, muss sich auch alle paar Tage zwischen Wolff und dem dänischen Ausnahmetorhüter Niklas Landin entscheiden. „Bei einem Gespann auf Augenhöhe ist das total üblich, deshalb muss ich mich darauf nicht besonders einstellen“, sagt Wolff. „Ich weiß einfach, dass ich da sein muss, wenn meine Dienste gefordert sind.“
Neu ist, dass Heinevetter, 32, seinem sieben Jahre jüngeren Kollegen auf Augenhöhe begegnet. Vor einem Jahr war der Torhüter der Füchse Berlin für die Europameisterschaft noch mit dem Verweis auf seine schwankenden Leistungen nicht nominiert worden, mittlerweile ist er stärker denn je. „Ich habe den Eindruck, dass er wieder mit mehr Freude bei der Sache ist und eine andere Dankbarkeit dafür zeigt, wieder dabei sein zu dürfen“, sagt Hanning.
Bislang profitiert die deutsche Mannschaft davon, dass sie für den Gegner auch auf der Torhüter-Position so unberechenbar ist wie auf allen anderen. Unter handballspezifischen Aspekten könnten Wolff und Heinevetter nämlich kaum verschiedener sein. „Jeder hat seinen ganz eigenen Stil“, sagt Co-Trainer Alexander Haase. Wolff sei ein Keeper klassischer Prägung, einer, der sehr lange stehen bleibt, über seine Körpergröße kommt und damit von Natur aus den Großteil des Tores zustellt. „Bei Silvio ist es häufig schwer einzuschätzen, was er machen wird. Das ist seine größte Stärke: Er vertraut seiner Intuition und macht überraschende Dinge. Als Team ergänzt sich das sehr gut“, analysiert Haase.
Die Frage, wen er für den Fall der Fälle bevorzugen würde, umschifft der Co-Trainer gekonnt. „Einer muss halt immer funktionieren“, sagt Haase. „Wer das ist, ist uns eigentlich relativ egal.“