Kandidatenturnier im Schach: Sorgen als Stärke
Alexander Grischuk ist beim Schach-Kandidatenturnier noch im Rennen um die WM-Herausforderung. Das liegt auch an einer speziellen Stellung, die allerdings Risiken birgt.
So kann man nicht Schach-Weltmeister werden. Dieser Satz über Großmeister Levon Aronian stand am Sonntag nach zwei – von außen betrachtet – künstlerisch wertvollen, hochdramatischen, aber am Ende für den Armenier verpatzten Spielen beim WM-Kandidatenturnier im Tagesspiegel. In Schönheit scheitern – dieser Devise ist Aronian bei der siebten Turnierrunde am Sonntag nun wieder gefolgt. Gegen den Tabellenführer Fabiano Caruana (USA) setzte der 35-Jährige mit den weißen Steinen alles auf eine Karte, opferte Material, stand mit zwei Bauern bedrohlich nahe vor der gegnerischen Grundreihe, bereit für Matt oder die siegbringende Damen-Umwandlung – um am Ende nach einem falschem Zwischenzug mit einer ruinösen Stellung aufzugeben. Damit rutschte der Mit-Favorit Aronian ans Tabellenende und kommt als Herausforderer des Weltmeisters Magnus Carlsen für ein Match im Herbst in London praktisch nicht mehr in Frage.
Caruana hat beim Berliner Kandidatenturnier für die Schach-WM zur Halbzeit die Führung erkämpft. Nach seinem Sieg in der siebten des 14-rundigen Turniers ließ der Weltranglisten-Achte am Montag ein Remis gegen Landsmann Wesley So folgen und hat nun fünfeinhalb Punkte auf dem Konto. Auf Platz zwei folgt mit 5,0 Punkten der Aserbaidschaner Shakriyar Mamedyarov, Weltranglisten-Zweiter und auch Mitfavorit, der am Montag ebenfalls remis spielte. Dritter ist nach seinem Sieg am Montag gegen Wladimir Kramnik nun Alexander Grischuk (4,5). Dahinter folgt der Chinese Ding Liren (4.0), der bisher alle seine Partien mit einem Remis beendete. Für die weiteren Spieler dürfte sich der Traum von der WM wohl nicht mehr erfüllen.
Caruana führt nach acht Runden das Feld an
Lirens Spiel nennt man wohl solide, vielleicht wäre Aronian auch etwas von dieser trockenen Solidität im Kühlhaus, dem Veranstaltungsort in Berlin-Kreuzberg, zu wünschen. Aronian vermied gegen Caruana in der Wiener Variante des Damengambits mehrmals ein Remis, ging aufs Ganze. Ähnlich wie der Russe Kramnik, mit 42 Jahren Turnier-Routinier, der nach furiosem Turnierbeginn und danach überzogenem Spiel in den Runden drei bis acht etwas einbrach.
Jeder Großmeister duelliert sich noch bis zum 27. März zweimal mit jedem anderen Spieler. Bei Punktgleichheit entscheidet ein mehrstufiges und nicht unumstrittenes Feinwertungssystem. Den Turniersieg dürften Caruana, Mamedyarov und wohl auch Grischuk unter sich ausmachen.
Der 34-Jährige lieferte bisher das schönste Zitat aus der Turnier-Pressekonferenz. In der sechsten Runde gegen Caruana entschied sich Grischuk erneut für eine spezielle Stellung, eine so genannte Benoni-Struktur, obwohl er damit tags zuvor fast gegen Aronian verloren hätte. Seine Erklärung: „Benoni bedeutet Sorgenkind, und ich mag alles, was mit Sorgen zu tun hat.“
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