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„D“ wie Dynamo. Verweise auf den Ursprung des Klubs stehen bei den Eisbären-Fans immer noch hoch im Kurs.
© Imago

Eisbären Berlin starten in die DEL-Saison: So wenig Dynamo war noch nie

Hartmut Nickel gibt in dieser Saison nur noch den Berater. Seinen Job als Co-Trainer der Berliner hat der fast 70-Jährige aufgegeben. Das bedeutet auch: die Eisbären-Familie wächst weiter nach Westen.

Stattlich sieht er aus und unter dem dichten weißen Haupthaar leuchtet immer noch ein energisch roter Kopf. Hartmut Nickel trägt eine Laptoptasche. Er geht zur Arbeit, auch wenn er eigentlich nicht mehr arbeiten müsste. Im November wird der kantige Mann 70. Er klingelt am Gebäude, in dem die Geschäftstelle des EHC Eisbären ihr neues Domizil hat, unweit der Arena am Ostbahnhof. „Ja, bitte?“, knarzt es aus der Gegensprechanlage. „Ich bin es, mach bitte auf.“ Das „ich“ reicht, nach 40 Jahren kennt jeder seine Stimme im Klub. Die Tür öffnet sich und Nickel zeigt im Eingangsbereich auf die mit Motiven des Berliner Eishockeyklubs tapezierte Wand. „Ist sehr schön geworden.“

Aus dem Fahrstuhl heraus, kommt er in Nickel-Form. Ein Wandbild gefällt ihm weniger. „Da hätte jemand besser Korrektur lesen müssen“, sagt er. Typisch Nickel, seine Sprüche sind seit Jahrzehnten ein Stück des Charmekuchens Eisbären. Das Stück wird künftig kleiner, Nickel ist vor der am Freitag in der Deutschen Eishockey-Liga beginnenden Saison als Berliner Co-Trainer zurückgetreten. Mit ihm verabschiedet sich ein Stück Klubgeschichte. Das letzte Stück aus der Dynamo-Zeit, als sich Eishockey-Miniberlin mit den Dynamos aus Weißwasser Serienduelle um den DDR–Titel lieferte. Selbst Nickel kann das kaum noch hören, denn so schön war es nicht – politisch nicht, sportlich auch nicht: „Man kann sich das heute kaum vorstellen. Die Spieler kannten sich in- und auswendig, wussten genau, was der Gegner kann und was nicht. Meine Herren.“ Und er habe auch noch Glück gehabt, überhaupt dabei zu sein, sagt er. Nach seinem Studium in Leipzig auf der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) hätte er nach seiner Ausbildung auch als Handball- oder Eisschnelllauftrainer eingesetzt werden können. „Hätte mich Trainer Achim Ziesche damals nicht zum Eishockey geholt, wäre ich wohl beim Eisschnelllauf gelandet.“ Mann, habe er gezittert damals.

Hartmut Nickel war das letzte Stück aus der Dynamo-Zeit

Nickel hat die Zeit nach der Wende miterlebt. Unter ihm als Cheftrainer gab es 1989 auf die Ostmütze in der Bundesliga. Ein paar Jahre später, besonders nach dem Einstieg des cleveren Managers Lorenz Funk, waren sie sportlich konkurrenzfähig – aber pleite. Und dann kam der Einstieg der Anschutz-Gruppe, des Multikonzerns aus Denver, dann kamen Geld und der Erfolg. Nickels Anteil daran war vordergründig klar: Er war der Co-Trainer. Fast immer jedenfalls. In der Vor-Anschutz-Zeit war er zwischendurch Cheftrainer in Hannover und dann gab es auch Trainer bei den Eisbären, die sich keinen Assistenten servieren ließen. Wie etwa der Kanadier Glen Williamson, der setzte den Hartmut zum Notizenmachen auf die Tribüne. Williamsons Amtszeit endete nach einem halben Jahr, seine Nachfolger banden Nickel besser ein. Auch weil Nickel als Ur-Eisbär nach außen hin und in der Kabine vieles abfederte. Etwa in der Zeit, als die beiden ersten deutschen Meistertitel unter Pierre Pagé kamen. Der Kanadier war, vorsichtig formuliert, ein lebhafter Trainer „Alles, was in der Kabine stand, konnte da durch die Luft fliegen, wenn es mal nicht so lief“, erinnert sich Nickel.

Hartmut Nickel arbeitet künftig in Teilzeit als Berater bei den Eisbären.
Hartmut Nickel arbeitet künftig in Teilzeit als Berater bei den Eisbären.
© dpa

Es war aber auch Pagés Stärke, die Traditionsliebe beim Klub aus Hohenschönhausen nicht als DDR-Folklore abzutun, sondern sie zu nutzen – noch zu Wellblechpalastzeiten, vor 2008, als der Klub mit dem Umzug in die Riesenarena am Ostbahnhof auch für ein größeres Publikum interessant werden musste. Die alten Kämpfer aus dem Osten, deren Galionsfiguren der ehemalige Profi Sven Felski und eben Hartmut Nickel waren, zogen mit. Ihre Anwesenheit verlieh den wachsenden Eisbären immer noch ein familiäres Bild. Nicht einfach, wenn ein Klub einem US-Investor gehört. „Das Wir-Gefühl war hier immer wichtig“, sagt Nickel. „Du musst nah am Fan sein. Denn es kann ganz schnell nach unten gehen, wenn du diesen Touch nach außen hin verlierst, wie man zum Beispiel bei der Düsseldorfer EG sieht.“

Die neue Eisbären-Familie berlinert nicht mehr so wie die alte

Auch wenn der alte Osten bei den Eisbären mit Nickel herauswächst, sie blieben ein familiär geführter Klub. Die neue Familie berlinert vielleicht nicht mehr so wie die alte und womöglich denkt sie auch in moderneren Strukturen. Der neue Sportliche Leiter, der gebürtige Allgäuer Stefan Ustorf, sagt etwa: „Familiär sind die Strukturen im Klub. Aber auch sehr professionell. Besonders, je weiter es nach oben geht.“

Von Manager Peter John Lee über Trainer Jeff Tomlinson bis zu Ustorf – alles Menschen, die dem Klub seit Jahren verbunden sind, schon unter Co-Trainer Nickel für die Eisbären gespielt haben. Hartmut Nickel lächelt: „Gut, ich kann nicht sagen, dass ich jetzt noch in die Hände klatsche. Ist schon hammerhart nach 40 Jahren. Aber die freuen sich, dass ich noch ab und an um die Ecke gucke.“ Er denke, er werde noch gebraucht. „Besser so, als wenn jemand sagt: 70? Mach die Kurve.“ Eines verspricht Hartmut Nickel: „Bis 100 mache ich nicht.“

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