Hertha BSC verordnet Einzelunterricht: Sinan Kurt: Nicht gut genug fürs Teamtraining
Sinan Kurt stand lange im Ruf, ein großes Talent zu sein. Bei Hertha hat er das nie gezeigt. Jetzt greifen die Berliner zum letzten Mittel.
Pal Dardai bewegte sich hart an der Grenze zur Schwärmerei. Der Spieler sei ein guter Junge, der unzweifelhaft über viel Qualität verfolge, vor allem über einen feinen linken Fuß. "Er kann kicken", sagte der Trainer von Hertha BSC. Dardai sprach über Sinan Kurt, der am Montag, bei der ersten Trainingseinheit des Berliner Fußball-Bundesligisten in der neuen Woche, nicht auf dem Platz stand. Und an diesem Zustand wird sich auch erst einmal nichts ändern.
Kurt, längst so etwas wie ein uneingelöstes Versprechen bei Hertha BSC, soll in den kommenden drei Wochen durch individuelles Training in die körperliche Verfassung gebracht werden, dass er doch noch einmal einen Anlauf in Richtung Bundesligafußball nehmen kann. Die Maßnahme sei "nicht gegen ihn" gerichtet, sagte Dardai, "sie ist für ihn".
Bei Hertha wollen sie in den vergangenen Wochen erkannt haben, dass es keinen Sinn mehr ergebe, wenn Kurt weiterhin im Mannschaftstraining mitschwimmt. Trotzdem legen sie Wert darauf, dass die Verbannung keine Strafmaßnahme sei. Bis zum Ende der kommenden Saison läuft der Vertrag des Offensivspielers noch, den die Berliner vor zwei Jahren für eine halbe Million Euro vom FC Bayern München verpflichtet haben. Und noch wollen sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich die Investition doch noch bezahlt macht.
Die Bayern zahlten zwei Millionen Euro an Gladbach
"Wir möchten weiter mit Sinan arbeiten und ihn entwickeln, da wir unverändert Potenzial bei ihm erkennen. Er ist zwar in einem verbesserten Zustand aus dem Winterurlaub zurückgekehrt, aber noch nicht auf dem Level, welches wir uns von ihm wünschen", wurde Manager Michael Preetz in einer Mitteilung des Vereins zitiert. "Gemeinsam haben wir entschieden, dass Sinan abseits des Teamtrainings mit individuellen Einheiten auf dieses Level kommen soll, um eine Alternative im Kader bei uns zu werden."
Dass sich diese Hoffnung erfüllt, erscheint immer unwahrscheinlicher. Kurt hat in seiner Karriere wenig richtig gemacht; in den vielleicht wichtigsten Jahren, zwischen Jugend- und Männerfußball, hat er so gut wie gar nicht gespielt. Kurt war gerade 18, als er aus der U 23 seines Heimatvereins Borussia Mönchengladbach mit einigem Trara und für insgesamt zwei Millionen Euro Ablöse (inklusive Nachzahlung) zu den Bayern wechselte. Von dem Ruf, der ihm damals vorauseilte, zehrt er heute noch. Dass die Lobhudeleien jedoch berechtigt waren, hat Kurt nicht einmal im Ansatz nachweisen können. Auf drei Bundesligaeinsätze kommt er bisher. Und wer ihn mal im Training beobachtet hat, dem dürften vor allem seine schlackernden Arme aufgefallen sein – nicht sein anerkannt begnadeter linker Fuß.
Vermutlich hat es in der Geschichte von Hertha BSC keinen Spieler gegeben, bei dem die öffentliche Aufregung und die Leistung in einem derart krassen Missverhältnis standen. Kurt, der im Sommer 22 wird, ist vom Boulevard noch bis vor kurzem wahlweise als "Riesen-Talent", als "Mega-Talent" oder als "eines der größten Versprechen des deutschen Fußballs" bezeichnet worden. In diese Kategorie gehören eher Spieler wie Leroy Sané, Julian Brandt, Jonathan Tah und Timo Werner, die wie er im Jahr 1996 geboren worden sind.
Für Hertha bestritt er in zwei Jahren zwei Bundesligaspiele
Während seine Altersgenossen längst Nationalspieler sind, ist Kurt bei Hertha erst zweimal in der Bundesliga zum Einsatz gekommen; ganze sechs Minuten hat er gespielt und dabei insgesamt zwei Ballkontakte gehabt. Selbst in Herthas Regionalligamannschaft fällt er kaum auf. Bei seinen sieben Startelfeinsätzen in dieser Saison musste er fünfmal nach spätestens einer Stunde vom Platz, in zehn Spielen für die U 23 erzielte er ein Tor.
Es hat in den zwei Jahren bei Hertha immer wieder Momente gegeben, in denen Kurt den Eindruck machte, dass er verstanden habe. So postete er im jüngsten Weihnachtsurlaub auf seinem Instagram-Account ein Foto, das ihn beim Fitnesstraining am Strand in Dubai zeigte. Daneben setzte er das Symbol eines Bizeps'. Den Trainingsauftakt verpasste er dann wegen einer Erkältung.
An Versuchen, Kurt ins Laufen zu kriegen, hat es bei Hertha ganz sicher nicht gemangelt. Im Sommer klagte Trainer Dardai: "Er muss seinen Arsch bewegen." Diese Warnung aber fruchtete ebenso wenig wie die Entscheidung, den Offensivspieler nicht für die Europa League zu melden. Spätestens da war davon die Rede, dass es die letzte Chance für Sinan Kurt sei. Inzwischen hat er selbst die verstreichen lassen. Sinan Kurt ist jetzt bei der allerletzten angekommen.