Neuer Cockpitbügel in der Formel 1: Sicher ist nicht sicher beim "Halo"
Vor dem Großen Preis von Budapest streitet die Formel-1-Gemeinschaft über den neuen Cockpitbügel.
Ein Teil, das aussieht wie ein Flip-Flop- Schuh, war das beherrschende Thema vor dem Großen Preis von Ungarn in der Formel 1. Gemeint ist der sogenannte Halo – jener neue Schutz im Cockpit, den der Automobilverband Fia ab nächstem Jahr obligatorisch macht. Gegen den Willen der meisten Teams. Aber wenn es um die Sicherheit geht, dann hat der Weltverband dieses Recht und braucht auf Mehrheiten keine Rücksicht zu nehmen.
Die Widerstände von allen Seiten, ob von Fahrern, Rennställen oder vor allem den Fans, scheinen bei den Verantwortlichen nichts zu bewirken. Und es gibt viele negative Stimmen, so deutlich wie bei diesem Thema waren die Piloten selten. „Was sch... aussieht, ist auch sch...“, sagte zum Beispiel der Däne Kevin Magnussen. Ähnlich klar positionierten sich etwa Nico Hülkenberg oder Max Verstappen.
Die Fans fühlen sich gleich komplett übergangen. Bei ihnen liegt die Ablehnugsquote für das neue Sicherheitselement bei mindestens 80 Prozent, das ergaben Umfragen. Besonders störend finden sie demnach die Optik des Halo, der wie ein Bügel über dem Cockpit sitzt und die Sicht auf den Fahrer einschränkt. Viele sind der Meinung sind, die Formel 1 werde einfach zu sicher gemacht, ein bisschen Risiko gehöre einfach dazu. Dabei hat Schutz der Fahrer für die Verantwortlichen Priorität, und an veränderte Optiken hat man sich im Laufe der Formel-1-Geschichte gewöhnt. „Außerdem wird sich in diesem Bereich auch noch ein bisschen was tun“, sagte Fia-Rennleiter Charlie Whiting.
Der Halo soll Kräften von 15g widerstehen
Die Fia hatte sich in dieser Angelegenheit selbst unter Druck gesetzt. Vor mehr als einem Jahr hatte sie erklärt, dass das Halo-System die Sicherheit für die Fahrer um 17 Prozent erhöhe. Wenn man es nicht schnell einführe, so fürchteten die Verantwortlichen, könne es im Falle eines folgenschweren Unfalls Klagen gegen die Fia geben. Und beim Thema Klagen ist man durch den Fall des 2014 in Suzuka verunglückten Jules Bianchi, dessen Familie Klage gegen die Fia eingereicht hatte, sehr empfindlich.
Für einige Szenarien hat die oberste Sportbehörde zweifellos gute Argumente. Der Halo soll Kräften von 15g widerstehen, im Falle eines Überschlags soll das Konstrukt quasi als zweiter Überrollbügel wirken. Zwei tödliche Unfälle der vergangenen Jahre – allerdings nicht in der Formel – wären durch den Halo sehr wahrscheinlich zu verhindern gewesen: Der von Henry Surtees in der englischen Formel 2 2009 und der von Justin Wilson 2015 in der Indy-Car-Serie. Surtees wurde von einem Rad, Wilson von herumfliegenden Teilen getroffen.
Bei den beiden letzten schweren Formel-1-Unfällen hätte der Halo dagegen wohl keinen Unterschied gemacht: Im Fall Bianchi sicher nicht, bei Felipe Massa, der 2009 in Budapest von einer gelösten Feder eines voraus fahrenden Autos am Kopf getroffen wurde, wahrscheinlich auch nicht.
Auf der anderen Seite stehen die Argumente der Gegner. Ingenieure einiger Teams geben zu bedenken, dass der Halo in der Startphase sogar einen gegenteiligen Effekt haben könnte. So könne sich bei Unfällen ein aufsteigendes Auto in einem Halo verhaken – mit unabsehbaren Folgen durch die auftretenden Kräfte. Manche befürchten, gerade lose Kleinteile könnten vom Halo so abgelenkt werden, dass sie den Fahrer dann am relativ ungeschützten Oberkörper treffen. Bis jetzt mussten die Piloten zudem innerhalb von fünf Sekunden aus dem Cockpit kommen – als Sicherheitsmaßnahme im Fall von Feuer. Jetzt wird diese Zeit nicht mehr eingehalten werden können und sich auf acht bis zehn Sekunden erhöhen. Hinzu kommen mögliche Sichtprobleme auf die Startampel oder Flaggen am Streckenrand. Das Sicherheitsproblem, so viel ist jetzt schon sicher, ist durch Halo noch nicht gelöst. Es wird jetzt sogar noch mehr diskutiert als zuvor.
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Karin Sturm