Formel-1-Cockpits im Laufe der Zeit: Auf Knopfdruck
Früher gab es nicht viel mehr als ein Lenkrad, heute funktionieren Formel-1-Cockpits beinahe wie Computer. Das verändert auch die Ansprüche an die Fahrer.
Der Blick zurück ist in der Formel 1 dann am eindrucksvollsten, wenn man einen Blick auf die Cockpits der Rennwagen von einst wirft, auf jene zum Beispiel, die am 13. Mai 1950 in Silverstone starteten. An diesem Tag fand der erste Grand Prix der Neuzeit statt, der Beginn der offiziellen Formel-1-Weltmeisterschaften. Und beim Blick in die alten Cockpits wird schnell deutlich: Die Formel 1 von damals hat mit der von heute kaum noch etwas zu tun.
Das Cockpit damals war im Vergleich zu heute riesig, komplett offen, sodass die Fahrer mit dem halben Oberkörper aus den Autos herausragten. Es gab große Lenkräder, eine Pedalerie, die weitgehend der eines normalen Autos entsprach, und eine Handschaltung, die beim Kuppeln Zwischengas verlangte. Sicherheit? Fehlanzeige. Mehr als einmal wurden Fahrer bei Unfällen aus dem Fahrzeug herausgeschleudert. 1961 wurden immerhin Überrollbügel eingeführt, um die Piloten bei Überschlägen ein bisschen besser zu schützen.
Sicherheitsgurte wurden erst 1967 Pflicht – in einer Zeit, in der die Autos und damit auch die Cockpits schon deutlich schmaler und enger wurden, die Lenkräder kleiner, die Fahrer tiefer saßen. 1970 wurde erstmals ein Bord-Feuerlöscher obligatorisch, seit 1972 müssen die auch heute noch verwendeten Sechs- Punkt-Gurte zum Einsatz kommen. Gleichzeitig wurden auch Kopfstützen verpflichtend. Und allmählich hielt auch etwas mehr Technik in den Cockpits Einzug: Es gab Knöpfe etwa zur Verstellung der Bremskraft und Kontrollleuchten für die verschiedenen Komponenten: Motor und Getriebe, Funk, Trinksysteme.
Trotzdem musste bis in die achtziger Jahre hinein noch von Hand geschaltet und bei jedem Gangwechsel gekuppelt werden. Schaltwippen und halbautomatische Getriebe, die das vereinfachten, hielten erst zu Beginn der Neunziger Einzug. Nach dem tödlichen Unfall von Ayrton Senna 1994 in Imola setzte der Weltverband Fia einige einschneidende Veränderungen in Sachen Sicherheit durch, zum Beispiel die höhergezogenen Cockpit-Seitenwände, um herumfliegende Teile wie losgerissene Räder besser abzuhalten. 2003 kam dann das „Hans-System“, ein spezieller Nacken- und Kopfschutz, der den Helm des Fahrers mit der hinteren Cockpit-Wand verbindet, sodass bei Unfällen nicht mehr so extrem hohe Kräfte auf diese besonders gefährdeten Körperteile einwirken.
Und natürlich wuchs mit zunehmender Elektronik in der Formel 1 auch die Komplexität der Lenkräder in den Cockpits, die immer mehr zu einer multifunktionellen Steuerungseinheit mutierten. Die Aufgabe der Piloten wandelte sich. Aus reinen Rennfahrern wurden Technikversteher; manche sprachen auch von einer „Playstation-Formel-1“. Heute hat man inklusive Schaltwippe und Kupplung mindestens 25 Knöpfe am Lenkrad – bei den kleineren Teams, die die Dinge noch etwas einfacher halten. Bei Mercedes waren es vergangenes Jahr im Fall von Nico Rosberg sogar 34 – das kann sich je nach Fahrer ändern, erlaubt das Team es doch, das Cockpit quasi zu personalisieren.
Einige der Knöpfe sind nur zum Drücken: Funk, Überholknopf oder das System zur Verminderung des Luftwiderstandes. Einige haben nur zwei oder drei Positionen, andere aber Drehschalter mit zwölf verschiedenen Positionen. Der Fahrer muss beim Wechseln jede einzelne Position anwählen, dabei das leichte Einrasten spüren und mitzählen, um in die gewünschte Position zu kommen. Schon im Normalbetrieb, auf einer einzigen Qualifying-Runde, muss ein Fahrer mindestens zehn Mal eine Veränderung der Einstellungen vornehmen, und zwar neben den Schaltvorgängen. „Drei bis vier Mal die Bremsbalance, dann ab und zu die Differenzialeinstellung ändern und noch mehr“, sagt Sauber-Pilot Pascal Wehrlein.
Insgesamt ergeben sich Hunderte von Einstellungsmöglichkeiten
Im Rennen muss Wehrlein etwas weniger an die Knöpfe. „Etwa fünfmal, wobei ich für die Knöpfe, die ich immer brauche, nicht auf das Lenkrad zu schauen brauche, die kenne ich auswendig und finde sie blind“, sagt er. „Aber wenn man zum Beispiel an der Motoreinstellung oder so was ändern muss oder auf eine Warnung auf dem Dashboard reagieren muss, etwa über zu hohe Brems- oder Öltemperaturen, dann ist man auch schon mal die halbe Gerade damit beschäftigt, auf das Lenkrad zu schauen und sich eine Lösungsmöglichkeit zu überlegen.“
Wenn vor allem in den Bereichen Elektronik, Hybridsystem und Motoreinstellungen Probleme auftreten, gibt es viel mehr Möglichkeiten: Insgesamt ergeben sich Hunderte von Einstellungsmöglichkeiten. Ein Problem war das während der Zeit des Funkverbots in der vergangenen Saison – für 2017 wurde diese Beschränkung, die für viel Ärger sorgte, wieder aufgehoben. „Wir haben natürlich alle Knöpfe an sich im Kopf, aber nicht all die 60 Einstellungsmöglichkeiten, die sich aus den einzelnen ergeben“, sagt Wehrlein. „Das ist nicht mehr machbar.“
Kommende Saison werden die Cockpits optisch wohl ganz anders sein
Für die Saison 2018 werden sich die Cockpits möglicherweise von außen optisch auf einen Schlag so stark verändern wie noch nie: Es geht um den von der Fia aus Sicherheitsgründen gewünschten Cockpitschutz, der vor allem Verletzungen durch herumfliegende Teile verhindern soll. In der Vergangenheit wurden schon verschiedene Konzepte durchdiskutiert und zum Teil wieder verworfen. Von geschlossenen Kanzeln wie in Kampfjets kam man gleich wieder ab.
Nun kommt an diesem Wochenende beim Grand Prix in Silverstone zum ersten Mal testweise ein neues Konzept zum Einsatz – der sogenannte „Shield“, eine höher und weiter in Richtung Fahrer gezogene Windschutzscheibe. Davon sind nicht alle begeistert. Renault-Pilot Nico Hülkenberg zum Beispiel meint, zur Formel 1 gehörten einfach offene Cockpits. Ein Restrisiko müsse man in der Formel 1 in Kauf nehmen.