Kolumne „Auslaufen mit Lüdecke“: Sexy, aber mit Geld - damit muss Hertha jetzt klarkommen
Beide Berliner Bundesligisten werden in der nächsten Saison voraussichtlich erstklassig spielen - und die Hertha muss dabei ihren neuesten Ansprüchen gerecht werden.
Der Berliner Kabarettist Frank Lüdecke schreibt hier jeden Montag über die Fußball-Bundesliga.
Endlich mal was Positives aus der Hauptstadt! Mögen auch Galerien, Stiftungen oder die Fashion Week die Stadt verlassen und einige Clubs, Restaurants und kleinere Theater vor der Pleite stehen – Union und Hertha jedenfalls werden auch im nächsten Jahr erstklassig sein. Großes Kompliment! Vor allem an Union. Die Köpenicker sind zu 99 Prozent gerettet durch ein bravouröses 2:1 in Köln. Hertha zu 100 Prozent durch ein nebulöses 1:4 gegen Frankfurt. Am Ende werden beide Vereine etwa zeitgleich ins Ziel laufen und das spricht eindeutig für einen Verein mehr als für den anderen.
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Die Saison jenes anderen war an Kuriositäten nicht zu überbieten und neigt sich nun einem von allen herbeigesehnten Ende entgegen. Nach dem überaus erfreulichen Zwischenhoch seit dem Coronavirus-Neustart pfeift das Team langsam aus dem letzten Loch. Herthas halber Kader ist inzwischen verletzt und die Reserve wirkt irgendwie verunsichert. Man sieht deutlich, wenn zwei, drei Leistungsträger ausfallen, bröckelt es gewaltig am Gesamtkunstwerk.
Was ist nur mit Marko Grujic los?!
Da sei mir eine Kritik gestattet an einem Spieler, den ich doch über alles schätze. Was ist nur mit Marko Grujic los?! Zu sehen, wie der Serbe seinem japanischen Gegenspieler im eigenen Strafraum hinterher trabt, ist eines Spielers seiner Klasse unwürdig. Er wirkt mittlerweile so, als hätte er vor einigen Monaten seine Dynamik in einer Sporttasche im Taxi vergessen. Aber es lag natürlich nicht an Grujic allein, dass der Samstag eine so unerfreuliche Wendung nahm. In der Regel gehören ja viele Köche dazu, den Brei zu verderben.
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Hier kommt viel Arbeit auf den Manager zu. Will der Klub seinen neuesten Ansprüchen gerecht werden, müssen einige neue Spieler verpflichtet werden. Laut Gladbachs Sportdirektor Max Eberl holt Hertha gerade „zehn Jahre in einem Sommer auf“. Hier wird uns also ein gewisser Turbokapitalismus unterstellt. Nun ja. Es wird sich zeigen. Man kann eben auch nur Spieler kaufen und keine Mannschaft. Die Mannschaft muss sich finden und das wird nur gehen, wenn dafür die richtigen Spieler verpflichtet wurden. Komplizierte Sache. Den richtigen Trainer haben wir jedenfalls. Und sexy waren wir schon immer. Neu ist jetzt, dass es am Geld nicht mangeln wird. Das ist ein Umstand, den wir ja so in dieser Stadt nicht unbedingt kennen. So schwer es auch fallen mag, aber da müssen wir jetzt irgendwie mit klarkommen.
Frank Lüdecke