"Schreckliches Fehlverhalten": Schwedischer Nationalspieler kritisiert Wladimir Putin
Gustav Svensson musste fliehen, als Russland die ukrainische Krim besetzte. Nun findet er deutliche Worte.
Rein sportlich ist Gustav Svensson keiner der ganz großen Namen bei dieser Fußball-Weltmeisterschaft. Dennoch ragt der Mittelfeldspieler vom MLS-Klub Seattle Sounders irgendwie heraus: Svensson ist der erste und bislang einzige WM-Teilnehmer, der offene Kritik an Wladimir Putin und Russlands gewaltigem Machtapparat übt - und zwar mit überaus drastischen Worten, zum Beispiel zur illegalen Annexion der Krim: „Sieht man es politisch, war es ein schreckliches Fehlverhalten, dass man mit Macht und Militär dort einmarschiert und das übernimmt, von dem man behauptet, es sei sein Eigentum. Eine Großmacht schlägt auf eine kleinere ein - es ist doch selbstverständlich, dass so etwas falsch ist. Es gäbe andere Wege, solche Konflikte zu lösen.“
Svensson weiß übrigens sehr genau, wovon er spricht. Als Russlands Truppen im März 2014 die ukrainische Halbinsel im Schwarzen Meer an sich rissen, stand der Göteborger bei Tawrija Simferopol in der ukrainischen Premjer Liga unter Vertrag. Svensson erlebte das Drama aus nächster Nähe mit. Simferopol liegt nämlich mitten auf der Krim, auf der damals rund zweieinhalb Millionen Menschen wohnten. Auf Anraten der Vereins-Offiziellen verließ Svensson mit seiner Frau und den Schwiegereltern fluchtartig das Land. Gemeinsam mit weiteren ausländischen Profis von Tawrija Simferopol schlossen sie sich einem Buskonvoi an, der sie zunächst aufs ukrainische Festland brachte. „Wir wussten nicht einmal, ob die Route, welche die Busse nehmen mussten, überhaupt sicher war“, erzählte er nach der Flucht der Zeitung „Aftonbladet“.
Krim-Liga mit acht Vereinen
Svensson hatte Glück. Er und seine Familie entkamen den Wirren der Annexion körperlich unbeschadet. Bald darauf unterschrieb er einen Vertrag bei IFK Göteborg. Doch vergessen wird er die aufreibenden Wochen und Tage rund um Russlands Einmarsch auf der Krim vermutlich niemals. Was aus seinem ukrainischen Ex-Verein und dem Team wurde, weiß der schwedische Nationalspieler bis heute nicht genau: „Weil all meine Freunde von damals außer Landes geflohen waren, hatte ich keinerlei Kontakt mehr. Ich weiß nur: Der Klub sollte russisch werden und in der dritthöchsten russischen Liga starten.“
Die Fifa und die Uefa zeigten diesem Ansinnen jedoch die Rote Karte - schließlich gehört die Krim aus völkerrechtlicher Sicht bis heute zur Ukraine. Am Ende fand sich ein Kompromiss: eine eigene Krim-Liga mit acht Vereinen, die jedoch keine Europacup-Starter stellen darf. Tawrija Simferopol, einst der erste ukrainische Fußball-Meister der Geschichte, wurde nach der Invasion offiziell aufgelöst. Ein Nachfolge-Verein spielt heute als Zweitligist im Exil auf dem ukrainischen Festland, genauer gesagt: in der Stadt Cherson. Auf der Krim ist derweil ein neuer Klub namens FC TSK Simferopol am Start, doch der ist fest in russischer Hand. 2016 wurde TSK sogar offizieller Meister der Halbinsel-Liga. Von den früheren Fans aber gehen nicht mehr allzu viele hin.
Gustav Svensson und das schwedische Team logieren während der WM ausgerechnet im südwestrussischen Gelendschik. „Dass ich hier so nah an meiner früheren Station Simferopol bin, bringt viele Erinnerungen zurück“, erklärt er mit fester Stimme. Nur eine Autostunde entfernt weihte Russlands Staatspräsident im Mai feierlich die neue, 19 Kilometer lange Brücke vom russischen Festland auf die Krim ein. Wladimir Putin schafft lieber Tatsachen, als sich um das Völkerrecht zu scheren.
Schwedisches Nationalteam kooperiert mit "Civil Rights Defenders"
Er hege keinen generellen Groll gegen Russland, betont Svensson. An Russlands politischer Führung lässt er jedoch kein gutes Haar. Nicht zuletzt kritisiert er die mangelnde Freiheit im Land: „Bestimmte Webseiten werden hier gesperrt. Und nach allem, was man hört, überwachen sie sogar, was jemand liest und googelt - auch wenn ich selbst davon bislang nichts gemerkt habe.“ Auf die Frage zu den Unterschieden zwischen seiner derzeitigen Wahlheimat USA und Putins Russland antwortete er einem amerikanischen Reporter: „Hier gibt es eine ganz andere Armut, die Mittelklasse ist bei weitem nicht so groß wie in den Vereinigten Staaten. In Amerika gibt es zudem viel mehr Privatunternehmen. Und die Medien in Russland werden natürlich viel stärker beeinflusst.“
Ob sich Fußballspieler wie er überhaupt in politische Angelegenheiten einmischen sollten? „Ja, und ich denke, das tun wir“, sagt Svensson und verweist auf die vor der Weltmeisterschaft geschlossene Kooperation zwischen dem Nationalteam und der Menschenrechts-Organisation „Civil Rights Defenders" aus Stockholm. Die setzt sich unter anderem für die Rechte von Homosexuellen in Russland ein. „Wir haben Stellung bezogen gegen das, was wir für falsch halten.“
Bei alldem sieht Svensson sich allerdings nicht als Weltverbesserer in kurzen Hosen, sondern eher als WM-Spieler mit Weitblick. Natürlich, räumt er ein, könne man immer noch mehr Engagement zeigen für die gute Sache. „In diesem Fall allerdings hätten wir das schon früher tun müssen, um mehr Zeit darauf verwenden zu können. Aktuell können wir unseren Fokus nicht auf solche Dinge legen, schließlich sind wir bei einer Weltmeisterschaft. Da hat man vor allem Fußball im Kopf.“ Aber eben nicht nur. Und das ist gut so.
Rolf Heßbrügge