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Die Siegerfaust. Richard Freitag durfte sie in dieser Saison schon dreimal ballen.
© Alexandra Wey/dpa

Skispringen: Schöne Bescherung für Richard Freitag

Mit Richard Freitag ist seit langem mal wieder ein Deutscher Favorit bei der Vierschanzentournee. Das liegt auch an einem alten Weltmeister aus Norwegen.

Weihnachten kann kommen. Richard Freitag hat in der Zeit vor den Feiertagen so viel geleistet, dass er sich ein wenig Ruhe zum Fest verdient hat. Drei Saisonsiege hat der Skispringer bisher geholt und führt damit im Gesamtweltcup. Allerdings hat Freitag bereits die Zeit nach den Feiertagen im Kopf. "Fühlt sich gut an, mit dem gelben Trikot zur Vierschanzentournee zu fahren", schreibt der neue deutsche Überflieger bei Facebook.

Freitag ist spätestens nach seinem Triumph bei der Tournee-Generalprobe im schweizerischen Engelberg großer Favorit auf den Sieg beim Skisprung-Grand- Slam. In einer Woche beginnt die Tournee traditionell mit dem Springen in Oberstdorf. Den letzten deutschen Gesamtsieg gab es vor 16 Jahren durch Sven Hannawald, der 2001/2002 als einziger Springer aller Zeiten alle vier Tourneespringen gewinnen konnte. Die Geschichte wird alljährlich wieder hervorgekramt, als schier unverstellbar gilt eine Wiederholung der famosen Hannawald- Show. Und als schier unvorstellbar galt in den zurückliegenden Jahren auch ein deutscher Gesamtsieg bei der Tournee

Das ist diesem Jahr anders: Weil es den formstarken Freitag gibt. Der Sachse ist in Erlabrunn im gleichen Krankenhaus wie Hannawald und wie Jens Weißflog geboren. Weißflog, das nebenbei, ist mit vier Gesamtsiegen bei der Tournee deutscher Rekordhalter. Natürlich wäre es eine tolle Geschichte, wenn Richard Freitag die Erfolge der alten Legenden fortsetzen könnte.

Schon viele Tiefschläge erlebt

Aber ein Selbstläufer ist das für den 26-Jährigen auch nach der besten Weltcup-Phase seiner Karriere nicht. "Es gibt keine Garantie dafür, wenn du vorher gut bist, dass es bei der Tournee dann auch klappt", sagt Freitag. "Ich bin ja schon mal mit einem Weltcup-Sieg in Engelberg zur Tournee gefahren." 2014 war das und am Ende landete Freitag in der Gesamtwertung "nur" auf Platz sechs. Allerdings gelang ihm bei jener Auflage in Innsbruck der erste deutsche Tournee-Einzelsieg seit zwölf Jahren. "Richie kann alle vier Schanzen bei der Tournee, er war in den letzten sechs Jahren fünfmal unter den ersten Zehn der Gesamtwertung. Der Schlüssel ist: Kriegt er die Einstellung rüber?", sagt Bundestrainer Werner Schuster und fügt hinzu: "Jetzt kommt die nächste Herausforderung: Er hat bis zur Tournee viel Zeit zum Nachdenken."

Das Kopfkino wird in den nächsten Tagen bis zur Qualifikation von Oberstdorf am 29. Dezember angehen bei Richard Freitag. Beim Tournee-Auftakt werden 40 000 Zuschauer erwartet, der Hype wird gewaltig sein. Der neue Überflieger wirkt trotzdem so, als könnte er mit dem Erfolgsdruck umgehen. "Es macht Spaß, ihm zuzuhören. Viele sagen in einer solchen Situation immer Allgemeinplätze wie: 'Ich will Spaß haben'. Aber Richard ist total authentisch und hat enorm an Reife und Stabilität gewonnen", sagt Schuster.

Das hängt wahrscheinlich auch damit zusammen, dass Freitag in seiner Karriere schon viele Enttäuschungen erlebt hat. 2014 zum Beispiel musste er in Sotschi zuschauen, wie vier deutsche Teamkollegen Olympiasieger wurden. Bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Winter stand Freitag ebenfalls nicht im deutschen Team, das sich Mixed-Gold holte. All diese Tiefschläge haben ihn nicht aus der Bahn geworfen, deshalb hebt er auch nicht ab, obwohl er als erster Deutscher seit Martin Schmitt (1999) als Weltcup- Führender zur Tournee fährt.

Entspannt und angriffslustig

Beim Auftakt in Oberstdorf wird er erstmals als "Local Hero" angekündigt werden. Freitag ist im vergangenen Sommer gemeinsam mit seiner fliegerisch hochtalentierten Schwester Selina in die Marktgemeinde gezogen. Freitag trainiert jetzt bei Christian Winkler, der auch für die perfekte Materialabstimmung im deutschen Springer-Team zuständig ist. Der Umzug spart Freitag außerdem die häufige Anreise zu den Trainingslehrgängen in Oberstdorf. Auch vor Weihnachten will das Team dort nochmal trainieren.

Der neue Lebensmittelpunkt ist nur ein Grund für den Freitags Erfolg. Über die Jahre hat er seine Sprungtechnik enorm weiterentwickelt und ist jetzt ein Topmann auf allen Schanzen. "Sprunggewaltig war er ja schon immer. Aber jetzt schafft es er es auch, viel mehr Geschwindigkeit in den Sprung mitzunehmen", erklärt Schuster. Das ist auch ein Verdienst des norwegischen Co-Bundestrainers Roar Ljökelsoy, dem einstigen Skiflug-Weltmeister. Ljökelsoys Devise lautet: "Stay relaxed, stay offensive." Bleib' entspannt und angriffslustig.

Ein Motto, das für das ganze deutsche Team gilt. Es ist das stärkste seit Hannawald und Schmitt. Andreas Wellinger ist hinter Freitag Zweiter im Gesamtweltcup, Markus Eisenbichler landete beim letzten Springen in Engelberg auf Platz fünf. Schuster sagt: „Wir haben eine geniale Ausgangsposition, die wollen wir ausnutzen und angreifen. Irgendwann ist die Zeit der Ausreden auch mal vorbei.“ Es ist Zeit für die Bescherung.

Lars Becker

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