Erneut Gewalt im Berliner Fußball: Schlägerei mit Verletzten nach Kreisliga-Spiel
Schon wieder eskaliert die Gewalt auf einem Berliner Fußballplatz. Nach einem Kreisliga-Spiel kommt es zu einer brutalen Schlägerei. Es gibt mehrere Verletzte, Polizei und Rettungshubschrauber müssen anrücken.
Erst eine Woche ist es her, dass Schiedsrichter Gerald Bothe während eines Spiels der Senioren-Liga niedergeschlagen wurde und mit inneren Blutungen stationär behandelt werden musste, schon gibt es den nächsten Fall von Gewalt auf einem Berliner Fußballplatz.
Der Fall ereignete sich am Samstag in Hellersdorf, in Anschluss an die Begegnung HFC Schwarz-Weiss gegen den 1. FC Berlin 06 II. Als der Schiedsrichter in der Nachspielzeit beim Stand von 3:3 auf Elfmeter für die Gäste entschied, gab es bereits große Aufregung, der HFC-Trainer rannte aufs Spielfeld und beschimpfte den Unparteiischen, wie dieser dem Tagesspiegel mitteilte. Als der Strafstoß dann nach mehreren Minuten endlich ausgeführt und zum 3:4-Endstand verwandelt wurde, eskalierte die Situation endgültig.
Auslöser soll der Torwart des HFC gewesen sein, der unmittelbar nach dem verwandelten Elfmeter auf den Schützen zugestürmt sein und ihn ins Gesicht geschlagen haben soll. Dies gehe aus den Zeugenaussagen hervor, wie die Polizei mitteilte. Daraufhin entwickelte sich eine Schlägerei mit mehreren Beteiligten, berichtet Schiedsrichter Björn L. Außerdem stürmten zahlreiche Zuschauer und Verantwortliche der beiden Vereine auf den Platz, um zu schlichten. Laut einer Polizeisprecherin wurden insgesamt fünf Strafanzeigen wegen Köperverletzung gestellt.
Auch Pascal Heidemann, selbst Schiedsrichter, außerdem Vorsitzender des 1. FC Berlin 06 und Bruder des Elfmeterschützen, war auf den Platz gerannt und wollte nach eigenen Angaben helfen, das Handgemenge aufzulösen. Dabei habe ihn ein HFC-Spieler von hinten angesprungen und ihm gezielt in die Knie getreten. Heidemann ging verletzt zu Boden. Ihm war die Kniescheibe herausgesprungen, außerdem besteht Verdacht auf Kreuz- und Außenbandriss. Er musste später mit dem Rettungshubschrauber abtransportiert werden. Auch Heidemanns Vater, der ebenfalls helfend eingreifen wollte, sei geschlagen und in die Genitalien getreten worden. Er erlitt ein Hämatom im Hodenbereich sowie ein Schädel-Hirntrauma. Die Ehefrau des 60-jährigen, die als Zuschauerin am Spielfeldrand saß, geriet laut Heidemann beim Anblick ihres zugerichteten Gatten in einen epileptischen Schockzustand.
Lesen Sie auf Seite 2, wie man beim HFC Schwarz-Weiss auf den Vorfall reagiert.
Erschüttert zeigt man sich über diesen Ausbruch der Gewalt nicht nur auf Seiten des 1. FC Berlin und der Familie Heidemann. Auch Michael Kirschke, Vize-Vorsitzender beim HFC Schwarz-Weiss, verurteilte die Vorfälle gegenüber dem Tagesspiegel und gab noch am Montagabend auf einer Vorstandssitzung seinen Rücktritt bekannt. Er sei bei dem Spiel zwar nicht vor Ort gewesen, die Schilderungen reichten ihm aber aus. „Mit Gewalt auf dem Fußballplatz will ich nichts zu tun haben“, teilt Kirschke mit. „Hier wurde ganz klar eine Grenze überschritten und mir wurde bestätigt, dass unsere Spieler die Auslöser dafür waren.“
Bei Heidemann und weiteren Vorstandmitgliedern des 1. FC Berlin hatte sich Kirschke bereits am Sonntag telefonisch gemeldet und um Entschuldigung gebeten. Für ihn ist der Rücktritt die logische Konsequenz. „Ich habe immer gesagt, dass ich meinen Hut nehme, wenn das, was ich mühevoll aufbaue, von anderen wieder eingerissen wird.“ Noch am Samstagvormittag sei er beim Verband gewesen und habe sich Sticker und Poster der Anti-Gewalt-Kampagne mitgenommen, um die auf dem Sportplatz an der Lichtenhainer Straße aufzuhängen. „Das kann ich jetzt ja wohl vergessen“, sagt Kirschke.
Auch auf zwei weiteren Sportplätzen gab es an diesem Wochenende Fälle von Gewalt. Wie die Fachzeitschrift Fußball-Woche berichtet, kam es in der Kreisliga A- Partie zwischen dem FC Karame und Schwarz-Weiss Spandau zu einem Faustschlag eines Karame-Spielers gegen einen Spandauer, der vom Schiedsrichter aber nicht gesehen wurde. Das Spiel 1. FC Besiktas gegen Kickers Hirschgraten in der Kreisliga B wurde in der Halbzeit abgebrochen, weil der Schiedsrichter von Besiktas-Spielern nach eigenen Angaben bedrängt, bedroht und beleidigt wurde.
Auf die Attacke auf Schiedsrichter Bothe am vergangenen Wochenende hatte der Berliner Fußballverband (BFV) bereits am Donnerstag reagiert und einen Berlin-weiten Aktionstag gegen Gewalt angekündigt. Dazu sollen am Wochenende des 21. bis 24. Oktober sämtliche Pflichtspiele, die in die Zuständigkeit des BFV fallen, in der 10. Spielminute vom jeweiligen Schiedsrichter für fünf Minuten unterbrochen. Während dieser Spielunterbrechung soll durch Stadiondurchsagen und andere Aktionen sowie Flyer und Broschüren für mehr Fairplay und gegen Gewalt gegenüber Schiedsrichtern appelliert werden. Der Verband will mit dieser Aktion „ein deutliches Zeichen gegen Gewalt“ setzen, was angesichts der erneuten Vorfälle weiterhin dringend nötig zu sein scheint.
Die Sportgerichtsverhandlung gegen den Seniorenspieler Hakan G. (TSV Helgoland), der Bothe mit einem Faustschlag niedergeschlagen hatte, ist für den 7. Oktober angesetzt. Möglich ist, dass der Spieler auf die so genannte „Schwarze Liste“ gesetzt wird, wodurch er lebenslang für keinen Fußballverein in Deutschland mehr auflaufen dürfte. Sollte es dazu kommen, will der BFV auch im zivilrechtlichen Prozess als Nebenkläger auftreten, wie Vizepräsident Gerd Liesegang bestätigte.