Elfmeter für Schalke gegen Dortmund: Schiedsrichter Zwayer und die Frage der Absicht
Beim Revierderby steht mal wieder ein Schiedsrichter aus Berlin im Fokus. Dabei hat Felix Zwayer nur aufgrund der Rechtslage geurteilt. Ein Kommentar.
Achtung, Verschwörungstheoretiker: Erst hat Berlin den FC Bayern München ins Pokalfinale geführt und dann auch noch zur deutschen Meisterschaft. Am Mittwoch war es der Schiedsrichter Daniel Siebert vom FC Nordost Berlin, der im Pokal-Halbfinale ein Remplerchen des Bremers Theodor Gebre Selassie mit einem siegbringenden Elfmeter für die Bayern ahndete.
Und am Samstag entdeckte Felix Zwayer vom SC Charlottenburg beim 2:4 im Revierderby zwischen dem BVB und Schalke ein Handspiel des Dortmunders Julian Weigl, das selbst der Gegnerschaft verborgen blieb. Worauf die Spannung im Kampf um die Meisterschaft obsolet war und aus dem Titelkandidaten BVB ein Ex-Titelkandidat wurde.
Berlin als Spielverderber. Das passt immer gut, nicht nur beim Fußball, aber in diesem Fall greift die schnell herbeigeholte Argumentationskette zu kurz. Ja, Sieberts Elfmeterpfiff am Mittwoch war falsch und umso verwerflicher, weil der Schiedsrichter sich nicht am Videoschirm von seinem Irrtum kurieren lassen mochte. Was aber auch daran lag, dass ihn der Kollege vor dem Bildschirm im berüchtigten Kölner Keller nicht dazu aufforderte. Die Handlungsanleitungen für die Video-Schiedsrichter sind, nun ja, schwammig formuliert.
Der Schurke Siebert war nur ein halber Schurke. Am Ende gewannen die Bayern, und dass sie an jenem Abend die bessere Mannschaft waren, hat kaum noch einen interessiert. Sie feierten einen schmutzigen Sieg, ohne dass sie sich selbst schmutzig gemacht hätten.
Zwayer nannte sich und seine Kollegen „die ärmsten Schweine“
Anders als Siebert in Bremen mochte Zwayer in Dortmund vor seinem Elfmeterpfiff nicht auf die technische Unterstützung verzichten. Gegen seine daraufhin getroffene Entscheidung lässt sich wenig einwenden. Zwar hatte Weigl keineswegs die Hand absichtlich zur Abwehr ausgestreckt, er hatte eigentlich gar nichts falsch gemacht, nur eben den aus nächster Nähe geschossenen Ball mit dem Arm touchiert. „Soll er sich den Arm abschneiden?“, hat sein Trainer Lucien Favre gefragt und die Regelauslegung als „den größten Skandal des Fußballs“ gegeißelt.
Ohne die Möglichkeit des Videobeweises hätte Felix Zwayer diesen Elfmeter nicht gepfiffen. Nach dem Studium der Bilder sah er das anders. Die Regelauslegung sanktioniert auch die Verhängung eines Elfmeters für eine andere Form der Absicht. Wenn der verteidigende Spieler bewusst eine unnatürliche Vergrößerung der Körperfläche in Kauf nimmt. So wird die Regel schon seit Jahren ausgelegt und zum 1. Juni auch wörtlich formuliert, mit dem Ziel, mehr Trennschärfe zu schaffen. Nicht wenige meinen, dass wohl das Gegenteil erreicht wird.
Zwayer sah den Fall bei Weigls Handspiel gegeben, er nannte sich und seine Kollegen „die ärmsten Schweine“, die eine von Bürokraten erdachte Regel in die Praxis umsetzen müssten. Dass er danach noch zwei Dortmunder vom Platz stellte, ist eine andere Sache. Gegen beide Roten Karten lässt sich regeltechnisch nichts sagen, aber mit der Vorgeschichte des Elfmeters beeinflussten sie eben irreversibel die Tektonik des Spiels.
Vielleicht hätte Borussia Dortmund ohne den verhängnisvollen Elfmeterpfiff das Revierderby gegen den Lieblingsfeind Schalke gewonnen und die Meisterschaft noch ein bisschen länger spannend gemacht. Auch aus dieser Sehnsucht speist sich die Wut, die dem Berliner Schiedsrichter entgegenschlägt. Felix Zwayer war am Samstag nur bedingt der richtige Adressat, wie schon am Mittwoch sein Kollege Daniel Siebert. Die wahren Schuldigen sitzen woanders.
Hinweis aus der Redaktion: Im sechsten Absatz haben wir den letzten Satz zur Handspielregel noch einmal ergänzt (d. Red.).
Sven Goldmann