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Fehleranalyse. Bei Schalke soll mal wieder alles besser werden.
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Update

Der Klub verkündet massive Einsparungen: Schalke 04 kapituliert vor Schalke 04

Beim FC Schalke 04 bleibt es spannend: Einen Tag nach dem Rücktritt von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies kündigt der Klub eine radikale Kurskorrektur an.

Alexander Jobst ist ein wichtiger Mann bei Schalke 04. Seit fast einem Jahrzehnt gehört er bereits dem Vorstand des Fußball-Bundesligisten an, der breiten Öffentlichkeit ist er aber noch weitgehend unbekannt, weil Auftritte auf der großen Bühne nicht zu seiner Hauptbeschäftigung gehört. Das war auch am Mittwochmittag zu sehen, als der S04 zu einer Pressekonferenz geladen hatte, in der Jobst eine wichtige Rolle spielte. Schalkes Vorstand für Marketing und Kommunikation war sichtlich nervös, wobei nicht ganz klar war, ob es am Rahmen der Veranstaltung lag oder an der verheerenden Gesamtsituation des stolzen Klubs.

Jobst verhedderte sich gelegentlich, brachte die Sätze nicht immer unfallfrei ins Ziel, sprach zum Beispiel mit Blick auf Schalkes Selbstbild von der „Beibehaltung lebender Werte“ und kündigte an, man werde die desaströse Rückrunde mit 16 sieglosen Spielen am Stück noch einmal „Revue kapitulieren lassen“. Es war ein netter Versprecher. Aber irgendwie auch nicht. Denn im Grunde hat Jobst am Mittwoch zusammen mit seinem Vorstandskollegen Jochen Schneider die Kapitulation erklärt – die Kapitulation vor dem FC Schalke, wie man ihn bisher kannte.

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Schalke 04, qua Fanbasis und sportlichem Erfolg lange so etwas wie die Nummer drei im deutschen Fußball hinter Bayern und Dortmund, verabschiedet sich erst einmal von seinen eigenen Ansprüchen, und das auf unbestimmte Zeit. Jobst sprach von einer Zäsur. „Träumen dürfen wir nicht mehr“, sagte er. „Ein ,Weiter so‘ wird und kann es nicht geben.“ Und das betrifft alle Bereiche: den Sport, die Finanzen, aber auch das ganze Auftreten des Klubs, der sich in argen Turbulenzen befindet. „Wir haben Glaubwürdigkeit, Fans und Mitglieder verschreckt“, sagte Jobst.

Trainer David Wagner darf bleiben

Trainer David Wagner darf trotz des Absturzes in der Rückrunde bleiben, sonst aber ist bei den Schalkern vieles in Bewegung geraten. Zu Wochenbeginn hat Clemens Tönnies – pro forma Aufsichtsratsvorsitzender, de facto der starke Mann bei Schalke – seinen Rücktritt erklärt. Auch die Stelle des Finanzvorstands ist nach dem Abgang von Peter Peters noch vakant. Wer auch immer ihm folgen wird: Besonders vergnüglich dürfte dieser Job für sie oder ihn erst einmal nicht werden.

Zu den Verbindlichkeiten in dreistelliger Millionenhöhe kommen durch die Coronavirus-Pandemie weitere Verluste. „Wir werden massive Einsparungen vornehmen müssen“, kündigte Jobst an. Denn der FC Schalke hat in den vergangenen Jahren deutlich über seine Verhältnisse gelebt, weil er wiederholt allzu optimistisch auf die Zukunft gewettet hat – und diese Wette zuletzt mehrmals verloren hat.

Der FC Schalke 04 hat über seine Verhältnisse gelebt

Bei seiner Finanzplanung ist der Klub ganz selbstverständlich von einer Teilnahme am Europapokal ausgegangen. „Schalke 04 ist auf Europa ausgerichtet“, sagte Sportvorstand Schneider. „Im Personaletat haben wir immer mit der Prämisse gearbeitet, dass wir europäisch spielen.“ In den Jahren 2005 bis 2016 ist das dem Verein auch in zehn von elf Fällen gelungen; in den jüngsten vier Spielzeiten aber nur noch einmal.

Da dem Klub die Einnahmen wegbrechen, muss er nun auch die Ausgaben anpassen – und das ist ein durchaus anspruchsvolles Unterfangen. „Schalke hatte nicht das Image, dass man hier besonders wenig verdient“, gab Schneider zu. Mit dem Personaletat von 123 Millionen Euro lag der Klub bei den Personalkosten in der Bundesliga auf Platz sechs; in der realen Tabelle aber sprang für den S04 in der abgelaufenen Spielzeit nur Rang zwölf heraus. Schalke wird insgesamt massiv einsparen müssen, aber in besonderem Maße wird davon die Mannschaft betroffen sein. „Der Personaletat ist der größte Hebel“, sagte Schneider, „da werden wir ansetzen müssen.“

Die Spieler sollen weiter auf Gehalt verzichten

Angesichts der Coronavirus-Pandemie sollen die Spieler auch weiterhin erst einmal auf Teile ihrer Gehälter verzichten. Schneider äußerte sich zuversichtlich, „dass wir mit der Mannschaft eine Einigung erzielen werden“. Dass der Klub sich eine Gehaltsobergrenze von 2,5 Millionen Euro verordnet habe, wollte er allerdings nicht bestätigen.

Wie bei allen konkreten Finanzfragen blieb Schalkes Vorstand auch bei diesem Thema vage. Schneider gab lediglich zu, dass man sich „eine interne Richtlinie auferlegt“ habe. Alexander Jobst wollte auch zu Meldungen über eine mögliche Kreditbürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen in Höhe 40 Millionen Euro nichts sagen: „Da unterliegen wir der Geheimhaltungspflicht.“

Vage ist auch noch, mit welchem Kader Trainer Wagner für die neue Saison planen kann. Torwart Alexander Nübel, Daniel Caligiuri und die Leispieler Jonjoe Kenny, Michael Gregoritsch, Juan Miranda und Jean-Clair Todibo verlassen den Klub definitiv. Es werde nun darauf ankommen, „mit einem kleinen Geldbeutel sehr gute Transferentscheidungen zu treffen“, sagte Wagner. Auch für ihn und die Mannschaft geht es künftig darum, „ein Stück weit Demut und Bescheidenheit walten zu lassen“.

Aber das gilt nicht nur für die Abteilung Sport, sondern für den ganzen Verein, erst recht nach den Geschmacklosigkeiten der vergangenen Wochen. Erst sollten die Dauerkarteninhaber begründen, warum sie sich das Geld sofort zurückerstatten lassen wollten, dann wurde 24 Fahrdienstmitarbeitern der Nachwuchsabteilung gekündigt. Man habe in der Öffentlichkeit ein miserables Bild abgegeben, sagte Jobst. „Wir haben Fehler gemacht, für die wir uns entschuldigen müssen.“ Das heißt aber nicht, dass die Fahrdienstmitarbeiter ihre Jobs behalten dürfen: „Die Entscheidung steht.“

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