Hertha BSC vor dem Spiel gegen Bayern München: Rune Jarstein: Herthas verlässliche Größe
Eigentlich war er schon weg, zum Glück für Hertha BSC hat er sich noch anders entschieden: Torhüter Jarstein hat sich zu einem echten Rückhalt entwickelt.
Wer regelmäßig das Training von Hertha BSC besucht, wird die Veränderung vermutlich längst registriert haben. Thomas Kraft, bisher ein Muster an Bärbeißigkeit, macht seit einigen Wochen einen ziemlich gelösten Eindruck. Seine Gesichtszüge haben sich entspannt, unbestätigten Gerüchten zufolge hat er sogar schon auf dem Weg vom Trainingsplatz in die Kabine gelacht. Man sollte aus der offenkundigen Wesensveränderung allerdings nicht den Schluss ziehen, dass Kraft mit seiner Rolle als Ersatztorhüter glücklich und zufrieden ist. Es ist wohl eher so, dass der 28-Jährige mit der neuen Situation seinen Frieden geschlossen hat.
Es würde zumindest für einen gesunden Realitätssinn sprechen.
Siebzehn Monate ist es her, dass Kraft wegen einer Verletzung seinen Platz im Tor des Berliner Fußball-Bundesligisten an Rune Jarstein verloren hat. Was anfangs eine temporäre Sache zu sein schien, hat sich längst als dauerhaft herausgestellt – weil Jarstein einfach keinen Anlass gibt, seine Position in Frage zu stellen. Im Gegenteil. Gerade in den ersten Wochen des Jahres, in denen Hertha ein bisschen ins Taumeln geraten ist und vier von fünf Spielen verloren hat, ist der Norweger die einzige verlässliche Größe bei den Berlinern. „Er hat jetzt wieder eine gute Form“, sagt Trainer Pal Dardai.
Nachdem er wegen Oberschenkelproblemen im Trainingslager pausiert hatte, habe sich Jarstein erst wieder reinbeißen müssen, sagt Dardai, „aber jetzt funktioniert es wieder“. Zuletzt gelang dem Torhüter in fast jedem Spiel eine grandiose Parade. Das war am Wochenende gegen Schalke so, als er beim Stand von 0:0 das direkte Duell gegen Leon Goretzka für sich entschied; das war auch ein paar Tage zuvor im Pokalspiel gegen Borussia Dortmund so, als er Pierre-Emerick Aubameyang an den Rand der Verzweiflung trieb. In dieser Bundesligasaison haben nur Manuel Neuer (neun Mal) und Lukas Hradecky (acht) häufiger zu null gespielt als Jarstein (sieben).
Auch im norwegischen Nationalteam ist Jarstein die Nummer eins
Mindestens genauso wichtig wie die spektakulären Paraden aber ist, dass Jarstein nichts Gravierendes falsch macht und sein Spiel ein gewisses Niveau nicht unterschreitet, nicht auf der Linie, nicht bei der Strafraumbeherrschung, nicht in der Spieleröffnung. Wer sich an einen spielentscheidenden Fehler des 32-Jährigen erinnert, der hätte bei der Weltmeisterschaft im Gedächtnissport vermutlich beste Aussichten auf den Titel.
Das alles ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass Jarstein bei Hertha eigentlich schon weg war. Im Sommer 2015 war der Norweger sich mit Celtic Glasgow bereits handelseinig, allein der Intervention des neuen Torwarttrainers Zsolt Petry hat der Klub es zu verdanken, dass er dann doch doch blieb. Was seitdem passiert ist, hätte aber wohl kaum jemand erwartet – bis auf Jarstein selbst. „Mein Gefühl hat mir gesagt: Meine Chance kommt bald. Ich war vorbereitet.“
Dank seiner starken Leistungen bei Hertha ist Jarstein auch im norwegischen Nationalteam wieder die Nummer eins. Zudem ist er in seiner Heimat zum Fußballer des Jahres gewählt worden, als erster Torhüter überhaupt. „Ich möchte immer besser werden“, sagt Jarstein. „Ich arbeite jeden Tag gut, und durch die Spiele wächst mein Selbstvertrauen.“
Im Training wirkt er manchmal noch ein bisschen verloren. Er blickt dann vor sich auf den fleckigen Rasen und scheint seinen Gedanken nachzuhängen. Doch aus dem stillen Norweger ist eine präsente Persönlichkeit geworden. Man hört jetzt nicht mehr Thomas Kraft über den Trainingsplatz brüllen, sondern Rune Jarstein, manchmal auf Englisch, in der Regel auf Deutsch: „Weiter, weiter!“, „Gut so, Männer!“, „Eng machen!“
Am Samstag wird es vermutlich wieder verschärft auf den Torhüter ankommen: wenn Hertha gegen Bayern spielt, gegen Müller, Robben, Lewandowski. „Bayern hat eine überragende Mannschaft. Man weiß, was kommt“, sagt Rune Jarstein. „Ich freue mich.“
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