Schiedsrichter boykottieren Spiele in Berlin: Rote Karte für den DFB
Dass die Berliner Unparteiischen protestieren, ist richtig. Verbänden und Politik sollte dies ein Warnsignal sein, alles andere wäre fahrlässig. Ein Kommentar.
Der Amateurfußball kriselt vor sich hin – aber wenige interessiert's. Es fehlt an Vorständen, Trainerinnen und Trainern, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern. Auch in Berlin, wo jährlich mehr Menschen hinziehen als abwandern, bröckelt die Basis. Der nun für das Wochenende geplante Spiele-Boykott durch die Unparteiischen ist Ausdruck dieser Krise.
Die Begründung seitens der Berliner Schiedsrichter-Vereinigung ist in sich stimmig. Weil die Gewalt auf den Plätzen gegenüber der Vorsaison gestiegen sei, wie es Schiedsrichter-Chef Jörg Wehling begründet, werden die Unparteiischen kein Spiel unterhalb der Oberliga leiten. Der Ball ruht. Besonders schwer wiegt, dass es auch den Jugendfußball trifft.
Die Maßnahme ist so drastisch wie ihr Signal stark. Die Referees müssen die Beleidigungen, Bedrohungen und Handgreiflichkeiten eben nicht weiter tolerieren, die mancherorts – offenbar auf zu vielen Sportplätzen – jedes Maß sprengen. Genug ist genug.
Nun ist diese negative Entwicklung keinesfalls neu. Aber wen interessierte das bisher ernsthaft? Sportpolitik ist Ländersache, die Mängel in Berlin sind schon oft thematisiert worden. Die Stadt müht sich (mal besser, mal schlechter) um die Sanierung von Sportanlagen, 18 Millionen Euro stellte sie in diesem Jahr dafür zur Verfügung.
Aber wer kümmert sich um die soziale Arbeit? Wer gibt den Kindern einen Kompass mit, der ihnen auf und neben dem Fußballfeld den Weg weist? Viele Vereine fühlen sich bei dieser Aufgabe überfordert, es fehlt ihnen schlicht an Kompetenzen und Kapazitäten. Beim Fußball geht es um mehr als selbigen. Es geht auch um Erziehung, Normen und Verhaltensregeln, die vermittelt werden müssen, manchen Spielerinnen und Spielern etwas deutlicher als anderen.
Mehr Quantität und Qualität
Aber viele Vereine schaffen diese Aufgabe nicht mehr, sie sind mehr damit beschäftigt, den Mangel im Ehrenamt zu verwalten. Wo Kümmerer verloren gehen, wird der Ton rauer, das Umfeld giftiger. Das spüren die Unparteiischen Woche für Woche. Wenn der Lernort Sportplatz nicht weiter verkümmern soll, muss die Politik für ein Update sorgen. Es geht um mehr unterstützendes (und vor allem qualifiziertes) Personal und weniger Bürokratie. Das kostet Geld, fraglos.
Die Krise des Amateurfußballs hat in erster Linie auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) mitzuverantworten, der in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten den Blick starr auf sein Hochglanzprodukt Nationalmannschaft gerichtet hat. Die Basis ist dem DFB allenfalls noch ein paar blumig bedruckte Flyer mit wachsweichen Mottos wert.
Auch das Schiedsrichterwesen verlottert, Nachwuchs fehlt und klare Konzepte, diesen zu gewinnen. Der Ausfall von über 1000 (!) Fußballspielen in der Hauptstadt muss ein Alarmsignal für den DFB sein. Der Verband sollte sich schleunigst der Herzkammer des organisierten deutschen Fußballs annehmen – sonst wird er bald selbst überflüssig.