Anti-Doping-Gesetz: Robert Harting: "Ich habe Angst"
Robert Harting argumentiert im Bundestag gegen das Anti-Doping-Gesetz.„Ich bin heute hier, weil ich Angst habe“, sagt der Olympiasieger.
In Berufskleidung ist Robert Harting erschienen, weißes T-Shirt mit Logo seines Ausrüsters, umzingelt von lauter Anzugträgern. Als erstes testet der Diskus-Olympiasieger im Sportausschuss des Bundestags die Bequemlichkeit der Stuhllehne. Neben ihm sitzt Christian Schreiber, der offizielle Athletensprecher beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Aber Harting ist längst der inoffizielle Sprecher der deutschen Athleten, er fordert, er kritisiert, er poltert, er hat eine Sportlotterie zur Finanzierung von olympischen Athleten mit ins Leben gerufen, und deshalb sitzt er auch bei dieser öffentlichen Anhörung zum Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes im Bundestag.
Fünf Minuten hat Harting am Anfang Zeit, seine Meinung zum Gesetzentwurf zu sagen. Zu dem Entwurf, der erstmals auch die Athleten ins Visier der Strafverfolgung rückt. Selbstdoping soll strafbar werden, der Besitz schon von kleinen Mengen an Dopingmitteln soll strafbar werden, gedopten Sportlern droht Gefängnis. Der Staat will Stärke zeigen, weil der Sport beim Eindämmen des Dopingproblems bislang zu schwach wirkte, das haben sich Union und SPD so vorgenommen. Was das bei einem starken Athleten wie Harting auslöst? „Ich bin heute hier, weil ich Angst habe.“
Angst? Wovor? Harting erzählt aus seinem Alltag: „Meine Tasche ist einen Meter groß und 80 Prozent unbeaufsichtigt im Wettkampf.“ Ein Leichtes sei es, ihm ein Dopingmittel unterzuschieben. Es gehe zwar beim Besitz von Dopingmitteln um die Absicht. „Ich frage mich aber, wenn ein Präparat im einsatzbereiten Zustand in meiner Tasche liegt, muss man dann noch Absicht nachweisen?“ Auch vor Reisen habe er Angst. Wenn er etwa nach China fliege, könne er als Straftäter zurückkommen. „Viele wissen, dass es in China kontaminierte Lebensmittel gibt.“
Seit seinem 15. Lebensjahr gehöre er zum Testpool der Dopingkontrolleure. Für den Kampf gegen Doping habe er auch schon auf viel Geld verzichtet, als er bei der Wahl zum Welt-Leichtathleten des Jahres nicht kandidierte, weil der frühere Doper Justin Gatlin auch auf der Auswahlliste stand. „Ich habe auch den WM-Titel im Anti-Dopingkampf verdient.“ Sein Appell an die Abgeordneten lautet: „Machen Sie es den Bösen sehr, sehr schwer, und machen Sie es den sauberen Athleten leichter, und lassen Sie den Entwurf nicht so stehen.“ Harting behält sich vor, auch juristisch gegen das Gesetz vorzugehen.
Es liegt nicht nur an Harting, dass die Anhörung keine Jubelveranstaltung für den Gesetzentwurf wird. Die Nationale Anti-Doping-Agentur unterstützt zwar die Initiative. Die eingeladenen Wissenschaftler bringen Einwände und Vorteile. Aber der DOSB wettert ordentlich dagegen. Vorstandsvorsitzender Michael Vesper sagt: „Woher kommt denn der Glaube, dass durch die neue Strafbarkeit plötzlich haufenweise Dopingtäter erwischt werden?“ Und woher sollten Verdachtsmomente kommen wenn nicht durch positive Dopingproben?
Dieter Maihold, Richter am Bundesgerichtshof, verwirrt Harting in der Aussprache dann noch mit seiner Feststellung, er müsse eigentlich gerade jetzt Angst haben. Schließlich sei der Besitz von kleinen Mengen an Dopingmitteln im Sportrecht schon verboten. Und für das Urteil eines Sport-Schiedsgerichts reiche bereits die grundsätzliche Überzeugung, während ein staatliches Gericht Zweifel viel stärker berücksichtige. „Das Strafrecht ist sehr viel konzilianter als das Sportrecht.“
Der Gesetzentwurf hat nun eine Lesung und eine öffentliche Anhörung im Bundestag hinter sich. Frank Steffel, der Obmann der Unionsfraktion im Sportausschuss, sagt: „Die Diskussion zeigt, dass wir dem noch einigen Geist widmen müssen.“