Leichtathletik-EM 2018: Richard Ringer: Mann der vielen Schübe
Der 10.000-Meter-Läufer aus Friedrichshafen hofft bei der EM In Berlin auf Gold. Sein Erfolgsrezept: Er trainiert sich nun selbst.
Der 19. Mai dieses Jahres hat Richard Ringers Planungen für die Leichtathletik-Europameisterschaften in Berlin ziemlich durcheinandergebracht. An jenem Tag trat der 29-Jährige in London beim 10 000-Meter-Europacup an. Und eigentlich dachte er sich: „Wenn ich die 10 000 Meter gelaufen bin, weiß ich, dass ich mich danach voll auf die 5000 Meter fokussieren kann.“ Denn über die kürzere Distanz gelangen dem Friedrichshafener bisher seine größten Erfolge, wurde er EM-Dritter 2016 in Amsterdam.
Doch in London kam dann alles anders. Ringer gewann die 10 000 Meter in der europäischen Jahresbestzeit von 27:36,52 Minuten. Und weil diese Zeit bislang nicht mehr unterboten wurde, geht er bei der EM an diesem Dienstagabend (20.20 Uhr) im Berliner Olympiastadion als derzeit schnellster Europäer und somit als Favorit in das Rennen.
„Die Zeit von London hat mich überrascht“, sagt Ringer. Trotzdem gibt er sich nun nicht zurückhaltend. Er will gewinnen, mindestens eine Medaille holen. Und er ist sich sicher, dass er bei seinen Konkurrenten Eindruck hinterlassen hat. „Wenn ich mich in die Köpfe der Gegner versetze, dann wissen sie: Ringer ist derzeit in Europa der Schnellste und er hat am Ende einen guten Kick“, betont er. „Also brauche ich mir wirklich keinen Druck machen.“ Zumal der Brite Mo Farah, der diese Strecke lange Zeit dominierte, seine Karriere auf der Bahn beendet hat. „Der erste Platz ist also nicht mehr fest vergeben“, sagt Ringer. „Außerdem weiß ich, dass ich immer noch etwas draufsetzen kann.“
Dieses Vertrauen in die eigenen Stärken wirkt nicht hochnäsig. Ruhig und analytisch schildert Ringer, warum er so an sich glaubt. Er habe in diesem Jahr einige Leistungsschübe erhalten, sagt er – und auch einen Motivationsschub kurz vor der EM. Die messbaren Verbesserungen führt er zum einen darauf zurück, dass er sein Training umgestellt hat. Er wird seit Anfang des Jahres nicht mehr von seinem langjährigen Coach Eckhardt Sperlich betreut, sondern er trainiert sich selbst. „Ich habe viele Erfahrungen bei meinem Trainer gesammelt, und nun wollte ich gerne flexibler in der Trainingsgestaltung sein“, sagt Ringer.
Zudem hat er mit seinem Arbeitgeber, einer Maschinenbau-Firma aus Friedrichshafen, eine einjährige Freistellung vereinbart. So konnte sich Ringer, der sonst in Teilzeit als Controller arbeitet, voll auf die Europameisterschaften konzentrieren. Allein die Regenerationsphasen, die er dadurch hat, empfindet er als enorm wichtig für seine Leistungssteigerung.
Überdies hat Ringer in dieser Saison zum ersten Mal intensive Höhentrainings absolviert, in Südafrika, in den USA und in St. Moritz. „Das hat bei mir gewirkt – und es wirkt noch nach“, sagt er.
Und dann ist da noch der zusätzliche Motivationsschub, für ihn als Athlet, als Freund und als Coach. Denn er trainiert nicht nur sich selbst, sondern auch seine Freundin, die österreichische Läuferin Nada Ina Pauer. Die 31-Jährige wurde vor einer Woche über die 5000 Meter für die EM nachnominiert. Und so werden nun beide in Berlin starten. „Das ist ein absoluter Traum“, betont Ringer.
Seine Traineraufgaben für Pauer wird er während der EM kaum erfüllen können. Schließlich muss sich Ringer auch noch auf seinen zweiten Start über 5000 Meter am Samstag konzentrieren. Und auch da lässt er sich natürlich gerne überraschen.