Skispringen in Engelberg: Richard Freitag wird zum Materialexperten
Richard Freitag war lange auf der Suche nach den perfekten Skiern. Nun tastet sich der Skispringer langsam an die Spitze heran.
Nach Engelberg reist Richard Freitag immer wieder gerne. Beste Erinnerungen hat er an die Gross-Titlis-Schanze in dem beschaulichen Schweizer Wintersportort. Schließlich holte der Sachse dort einen seiner bisher fünf Einzelsiege im Weltcup – vor fast genau zwei Jahren.
Davon ist er derzeit weit entfernt. Bei den bisherigen fünf Einzelspringen dieser Saison landete er lediglich zwischen Platz 15 und 24. Vor allem fehlte es ihm an Anlaufgeschwindigkeit. „Da stimmt wahrscheinlich etwas nicht mit meiner Anfahrtshocke“, sagt der 25-Jährige von der SG Nickelhütte Aue. Umso wichtiger sind für ihn nun die nächsten zwei Weltcup-Springen am Samstag (16 Uhr/ARD) und Sonntag in Engelberg.
Denn Freitags Ansprüche sind hoch. Und so hatte er sich auch für das zurückliegende Frühjahr und den Sommer viel vorgenommen, um in diesem Winter endlich weiter voranzukommen. Doch dann platzte ihm etwas in die Saisonvorbereitung, das ihn weit zurückwarf: Der Geldgeber seines Skiherstellers zog sich zurück. Ein Reiseportal hatte vor sechs Jahren den thüringischen Skihersteller Germina übernommen – allein zu Werbezwecken. Denn auf den Skiern der Springer durfte aufgrund der Regeln des Weltverbands Fis zunächst nur der Name des Herstellers stehen.
Für Freitag begann eine Zeit der Unsicherheit
Als das Reiseportal dann den Vertrag nicht verlängerte, begann für Freitag eine Zeit der Unsicherheit. Wie alle Topathleten ist er überaus sensibel. Beim Skispringen verlässt er sich absolut auf sein Feingefühl. Natürlich waren auch seine Skier speziell auf ihn abgestimmt. Da wechselt man ungern, wenn man eigentlich zufrieden ist. Jede unnötige Veränderung lenkt ab.
„Richard ist ein loyaler Partner. Er wollte der Firma gerne die Stange halten“, sagt Bundestrainer Werner Schuster. Doch es war lange fraglich, ob und wann ein neuer Geldgeber bei dem Thüringer Skihersteller einsteigt. So beschloss Freitag, auch die anderen Marken zu testen.
Eigentlich fand Freitag die Testphase spannend. „Das hat den Geist geweckt, weil ich mich so lange mit dem Material auseinandergesetzt habe“, sagt er. „Das macht man sonst ja nicht so intensiv. Da liegt der Fokus auf der eigenen Technik, man ist sehr auf sich bezogen. Ich musste also loslassen.“ Statt sich mit den eigenen Körperhaltungen, Kraftwerten und Bewegungen zu beschäftigen, konzentrierte er sich eben nur auf die Skier. Freitag fuchste sich immer mehr in die Details hinein. „Ich habe danach geschaut: Bei welchem Ski sind noch Flugmeter drin? Bei welchem ist noch Geschwindigkeit drin? Welcher Ski hält mich? Bei welchem habe ich ein sicheres Gefühl?“, sagt Freitag. Aber es kristallisierte sich kein Favorit heraus.
Von fünf Sprüngen gelingen ihm zwei richtig
Sich endgültig festzulegen, fiel ihm sehr schwer. Er überlegte hin und her – und war genervt. Er merkte: Bei seiner Entscheidungsfindung spielte der Kopf eine zu große Rolle. So zögerte er es weiter hinaus. Erst im August legte er sich fest. Schließlich hörte er auf sein Bauchgefühl. Zwischenzeitlich hatte der Thüringer Skihersteller einen neuen Partner gefunden. Ein anderes Internetvergleichsportal, prangt nun auf den Skiern. Doch Freitag springt jetzt doch mit einer anderen Skimarke. „Es waren Nuancen, die den Ausschlag gegeben haben. Ich musste mich ja mal entscheiden“, sagt er. Dass die lange Testphase bei seinem Formaufbau hinderlich war, ist ihm klar. „Denn ich konnte einfach nicht geradeaus arbeiten.“
Auch Bundestrainer Schuster betont: „Die Sache hat ihn Kraft gekostet und nicht unbedingt zu seiner technischen Stabilität beigetragen.“ Nun sieht der Österreicher aber, dass sich Freitag langsam an die Spitze herantastet. „Von fünf Sprüngen gelingen ihm derzeit zwei so richtig“, sagt Schuster. „Er freundet sich immer besser mit dem neuen Material an.“
So schaut Freitag eher auf den zweiten Teil der Saison, mit dem Höhepunkt der Nordischen Ski-WM im Februar in Lahti. Da strebt er eine Medaille mit der Mannschaft an, und er liebäugelt mit einer Medaille im Einzelspringen. „Das ist ein hohes Ziel, besonders nach meinem schwierigen Sommer“, sagt er. „Aber wenn ich in einen Lauf komme, kann ich das schaffen.“