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Wiedersehen in neuen Outfits. Zuletzt trafen Jürgen Klopp (links) und Toni Kroos als Gegner im DFB-Pokalfinale 2014 in Berlin aufeinander. Kroos gewann damals mit den Bayern 2:0 gegen Dortmund.
© imago/Michael Weber

Finale der Champions League: Real Madrid gegen den FC Liverpool ist ein Klassenkampf

Das Champions-League-Finale in Kiew zwischen Real Madrid und Liverpool ist auch ein Duell zwischen Toni Kroos und Jürgen Klopp.

Wieder nach Kiew. Zum Finale der Champions League ins Olympiastadion, mitten in der Innenstadt. Gar nicht weit weg vom Majdan Nesaleschnosti, dem Platz der Unabhängigkeit, den die Welt nur als Majdan kennt, seitdem er durch die orangene Revolution weltberühmt wurde. Das Olympiastadion ist längst nicht so berühmt, es hat auch nie Olympische Spiele gesehen, aber viele großartige Fußballspiele. Und ein Tor von Toni Kroos, ein ebenfalls großartiges. Eingeleitet hat er es selbst, mit einem seiner raumgreifenden Pässe. Ein paar Meter vor dem Strafraum sprang der Ball zu ihm zurück und Kroos schlug ihn mit dem rechten Fuß ins linke obere Eck, mit zugleich urwüchsiger Gewalt und atemberaubender Eleganz. Was für ein Tor!

Fast sieben Jahre ist das jetzt her, als die deutsche Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf die Europameisterschaft in der ukrainischen Hauptstadt gastierte. Kroos war 21 und spielte für den FC Bayern München, ein Versprechen für die Zukunft. Er hat das Versprechen eingehalten, aber dafür bedurfte es schon eines Wechsels nach Madrid. Seit vier Jahren dirigiert er jetzt in Reals Diensten.

An diesem Samstag (20.45 Uhr/ZDF), bei der Rückkehr nach Kiew, kann er vollenden, was in der Champions League noch kein deutscher Spieler geschafft hat. Toni Kroos kann im Finale gegen den FC Liverpool zum vierten Mal den Henkelpott gewinnen, zum dritten Mal in Serie mit Real. „Es ist schwer, ein Finale zu gewinnen, und zwei sehr hart, aber drei ist verrückt“, hat er dem „Kicker“ vor der Abreise aus Madrid erzählt.

Kroos: "Wir werden gegen elf Tiere spielen"

Was soll da erst Jürgen Klopp sagen? Der Trainer des FC Liverpool stand schon in zwei europäischen Endspielen, gewonnen hat er noch keins. Und auf das eine in der Champions League spricht man ihn besser nicht an. Auf dieses 1:2 mit Borussia Dortmund vor ziemlich genau fünf Jahren gegen den FC Bayern im Wembleystadion, Klopp empfand es als persönliche Kränkung. Und diesmal? „Wir arbeiten für unsere Träume“, verspricht er dem zahlreich nach Kiew gereisten Liverpooler Anhang.

So ungefähr hat er das auch im Londoner Frühling von 2013 für seine Dortmunder Freunde formuliert. „Ich kenne Klopp gut“, sagt Kroos. „Seine Teams sind schnell, aggressiv und motiviert. Wir werden gegen Liverpool gegen elf Tiere spielen und sie werden alle bei 100 Prozent sein.“

Toni Kroos und Jürgen Klopp sind, neben Liverpools Torhüter Loris Karius, die deutsche Komponente im Finale von Kiew. Zwei Typen, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier der kühle Norddeutsche aus der weltläufigen Metropole Madrid, der das Spiel mit seiner Brillanz und seinen Tempowechseln prägen kann wie kaum ein anderer Stratege im zentralen Mittelfeld. Dort der emotionsgeladene Einpeitscher aus dem Schwarzwald, der so perfekt zur Arbeiterstadt an der Irischen See passt.

Die Engländer haben sich vor ein paar Jahren in ihn verliebt, als er mit Borussia Dortmund siegend durch ganz Europa zog bis ins Finale von Wembley. Fasziniert schaute das Publikum zwischen Newcastle und Southampton auf einen Mann, der das Spiel an der Seitenlinie und auf Pressekonferenzen so wild und intensiv lebt, wie sie es gern auf dem Platz sehen wollen. Nach zweieinhalb Jahren an der Anfield Road liegt Liverpool der Persönlichkeit Jürgen Klopp so ergeben zu Füßen, wie er es aus seinen Dortmunder Jahren gewöhnt ist.

Liverpool lebt wie Klopp von der Begeisterung

Real Madrid gegen den FC Liverpool – das ist die internationale Äquivalenz zum früher von Klopp gepredigten Klassenkampf zwischen den Bayern und dem BVB. Real ist eine perfekt justierte Maschine, auch an nicht ganz so guten Tagen, wie bei den Halbfinalspielen gegen den FC Bayern, kaum zu besiegen. Liverpool lebt wie Klopp von seiner Begeisterung. Von großartigen Phasen wie im Viertelfinale gegen Manchester City oder AS Rom. Wenn die Offensive um den Ägypter Mohamed Salah, den Brasilianer Roberto Firmino und den Senegalesen Sadio Mané in Schwung kommt, ist jede Abwehr der Welt verwundbar.

Die Duelle mit City und Rom zeigten aber auch das andere Liverpool. Da ist dieses zuweilen chaotisch anmutende Element, das einen schon geschlagen scheinenden Gegner noch einmal aufbaut. Nach dem 2:4 beim Rückspiel in Rom sprach Klopp von der schlechtesten Saisonleistung in der Champions League, „da haben wir am Ende das Verteidigen vergessen“. Das könnte übel ausgehen gegen Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, Luka Modric. Und Toni Kroos.

Die Real Madrid traditionell zugeneigte Sportzeitung „Marca“ preist den Deutschen als „El hombre orquesta“, was sich in etwa mit Ein-Mann-Orchester übersetzen lässt – und die Rolle des Dirigenten impliziert. Kroos sei für die Mannschaft „motor y cerebro“, Motor und Gehirn. Diese Wertschätzung ist ihm erst in Madrid anheimgefallen. In München stand Kroos immer im Schatten von Lahm und Schweinsteiger, von Robben und Ribéry. Er war der Zauderer, der sich 2012 beim Champions-League-Finale dahoam gegen den FC Chelsea nicht traute, im Elfmeterschießen anzutreten.

Beim bundesligainternen Europa-Gipfel gegen Dortmund in Wembley fehlte er wegen einer Verletzung. Kroos musste schon nach Madrid emigrieren, um zum ersten Mal als Finalteilnehmer den Henkelpott zu gewinnen. „Toni ist in Madrid zum Weltstar gereift“, sagt Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge – und verschweigt, dass sich dieser Reifeprozess natürlich auch in München vollzogen hätte.

Bayern ließ Kroos leichtfertig ziehen

Dabei hat Kroos sein überragendes Talent in der Heimat nie versteckt. Beim FC Bayern wie in der Nationalmannschaft. Beim Jahrhundertspiel, dem 7:1 im WM-Halbfinale gegen Brasilien, verzückte er mit seiner Intelligenz und Präzision die ganze Welt. Der FC Bayern machte ihm dennoch nur ein halbherziges Angebot zur Verlängerung seines noch ein Jahr laufenden Vertrages. Kroos lehnte ab. Die Münchner bewegten sich nicht und akzeptierten ein Angebot für geschätzt 30 Millionen Euro aus Madrid, weil sie Kroos ein Jahr später nicht ablösefrei ziehen lassen wollten. Es war dies eines der besten Geschäfte der einstigen Geldvernichtungsmaschine Real in der jüngeren Vergangenheit. 30 Millionen Euro… so günstig hat etwa der FC Chelsea im vergangenen Sommer den eher durchschnittlichen Innenverteidiger Antonio Rüdiger nicht bekommen.

Einen Kommandeur wie Kroos hätte auch Jürgen Klopp gern in seiner Mannschaft. Liverpooler Fußball ist traditionell Arbeiterfußball. Die Mittelfeldbrigade mit Jordan Henderson, James Milner oder Georginio Wijnaldum steht nicht im Verdacht, den Ball übertrieben zu streicheln. Was würden Salah, Firmino und Mané von der Spielkunst des Toni Kroos profitieren? Von seinem Blick für die Räume, seiner Fähigkeit, mit vertikalen Pässen ein Maximum an Gegnern zu überspielen. Das Analyse-Tool „Packing“ hat diese Gabe auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Toni Kroos überwindet in 90 Minuten durchschnittlich 85 Gegenspieler, ungefähr dreimal so viel, wie das auf seiner Position üblich ist.

Der Wert feiner Füße ist zuletzt dramatisch gestiegen. Den wie Kroos hochbegabten Philippe Coutinho musste Liverpool im Winter widerwillig ziehen lassen – der Brasilianer erstreikte sich seinen Wechsel zum FC Barcelona. Kaum vorstellbar, dass Real etwas Ähnliches passieren könnte. Die Faszination Liverpool speist sich vor allem aus der Vergangenheit, den Anschluss an den Geldadel der Moderne haben die Reds auch mit Jürgen Klopp noch nicht geschafft. Ein Sieg am Samstag im Finale von Kiew könnte ein Anfang sein, für eine rote Revolution im Weltfußball, gar nicht so weit weg von dem Ort, wo schon mal eine orangene begonnen hat.

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