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Hätte auch als Türsteher Karriere machen können. Virgil van Dijk (r.) ist der teuerste Verteidiger auf Erden.
© Glyn Kirk/AFP

FC Liverpool im Champions-League-Finale: Virgil van Dijk: Der Koloss von Anfield

Alles spricht vor dem Endspiel gegen Real Madrid von Liverpools Offensive – dabei kommt man an Verteidiger Virgil van Dijk eigentlich nicht vorbei.

Was ein Spieler wert ist, merkt man oft erst, wenn er nicht mehr da ist. Will man die Klasse von Liverpools Defensivmann Virgil van Dijk verifizieren, lohnt sich also ein Blick zum FC Southampton. Nicht umsonst hatten sie ihrem Abwehrchef dort ein Preisschild umgehängt, das mit rund 85 Millionen Euro so astronomisch schwer war, dass es sogar Interessenten mit der Liquidität von Manchester City abschreckte. Der FC Liverpool aber brauchte van Dijk – um jeden Preis. Also lotste ihn Jürgen Klopp im Winter 2018 für besagte Ablöse an die Anfield Road und machte den 26-jährigen Niederländer damit zum teuersten Verteidiger auf diesem Planeten.

Eine Summe, die naturgemäß kritisch kommentiert wurde in der Szene. Auch Gladbachs Sportdirektor Max Eberl irritierte eine derart hohe Gebühr für einen Spieler, der bis dato bei eher mittelmäßigen Klubs wie Celtic Glasgow oder eben Southampton unter Vertrag gestanden hatte und auf die schmale internationale Referenz von 14 Europa-League-Partien und 16 Einsätzen für die Nationalmannschaft verweisen konnte. „Solche Transfers machen alle anderen Transfers schwieriger“, sagte Eberl. Klopps Replik: „Möglicherweise kann Max die absolute Qualität von Virgil gar nicht nachvollziehen.“

Southampton bereicherte sich mit dem Deal zwar finanziell, sportlich hingegen verlor der Klub sein Herzstück. Als van Dijk die Mannschaft im Dezember verließ, rangierte sie in der englischen Premier League auf Platz elf. Fünf Monate später wäre sie beinahe abgestiegen.

Die Defensive war unter Klopp immer das große Problem des FC Liverpool

Es ist kein Zufall, dass sich die beinahe chronisch anfällige Defensive des FC Liverpool parallel zur Talfahrt Southamptons stabilisierte seit dem Dazutun von Virgil van Dijk. Klopp hatte es in den vorangegangenen Transferperioden mit preiswerten Lösungen wie dem Schalker Joel Matip oder Augsburgs Ragnar Klavan versucht. Zeit seines Amtsantritts im Oktober 2015 blieb die Hintermannschaft aber immer ein Thema, das er nicht vom Tisch bekam. Mit van Dijk jedoch ging Liverpools Gegentorquote endlich zurück, von 1,21 pro Spiel auf 0,85.

In der Hinrunde war die Mannschaft in nur 36 Prozent ihrer Spiele ohne Gegentor ausgekommen – in Spielen mit van Dijk waren es schon 50 Prozent. „Das würde ich mir nicht zuschreiben", sagt van Dijk zwar. Das ist aber eher Understatement als die Wahrheit. Dejan Lovren, ebenfalls Innenverteidiger und im Zusammenwirken mit seinem neuen Partner auch ein viel besserer als zuvor, weiß sehr wohl, welchen Anteil van Dijk am Aufschwung des Champions-League-Finalisten hat. „Ich fühle mich sehr sicher, seit Virgil neben mir spielt“, sagt Lovren. „Er hat uns definitiv besser gemacht.“

Zwangsläufig redet alle Welt über das Liverpooler Offensivtrio mit Sadio Mané, Roberto Firmino und Mohamed Salah, das in dieser Saison auf 90 Pflichtspieltore kommt und am Samstag (20.45 Uhr/ZDF und Sky) in Kiew gemeinsam das Wettschießen gegen Real Madrid und Cristiano Ronaldo gewinnen soll. Vor allem Salah überlagert alles, der Ägypter wird als „König von Anfield“ gefeiert. Doch womöglich kommt auch demjenigen eine entscheidende Rolle zu, der Ronaldo verteidigen soll: Virgil van Dijk, dem Koloss von Anfield.

Van Dijk verteidigt nicht nur stark, er verfügt auch über ein exzellentes Passspiel

Van Dijks Quote gewonnener Zweikämpfe liegt nahe der 80-Prozent-Marke, am Boden wie in der Luft, obwohl er fast ohne Gelbe Karten auskommt. In 21 Pflichtspielen für Liverpool kassierte er nur zwei. Noch dazu ist van Dijk nicht einfach nur eine große, schwere Holzkuh, sondern verfügt über ein exzellentes Passspiel und eignet sich so auch perfekt für das Aufbauspiel. „Virgil ist ein außergewöhnlicher Fußballer“, schwärmt Klopp von seinem neuen Fixpunkt in der Viererkette. „Er ist zweikampfstark, dominant auch mit Ball. Führungsqualität hat er auch noch im Portfolio. Er ist einfach ein Komplettpaket.“

Und ein solches wird es brauchen im Champions-League-Finale, Liverpools erstem seit 2007. „Jeder kennt Reals Stärke“, sagt van Dijk. „Aber wir können es jedem Team der Welt schwer machen. Ich glaube nicht, dass Real jemals gegen ein Team wie uns gespielt hat.“ Besagtes Team hatte in der Winterpause mit dem zum FC Barcelona abgewanderten Philippe Coutinho ebenfalls ein Herzstück zu ersetzen. Anders als in Southampton redete man in Liverpool aber weniger darüber, was der Abgang wert war. Auch dank Virgil van Dijk.

Steven Wiesner

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