Lewis Hamilton gegen Sebastian Vettel: Rationalität vor Instinkt
Das Rennen in Austin war für die WM bedeutungslos. Warum es dennoch viel über diese Formel-1-Saison aussagt. Ein Kommentar.
Dass es passiert, steht fest. Wann es passiert, ist deshalb egal. Wer dies am allerbesten weiß, ist der alte und neue Formel-1-Weltmeister. Er wird, sofern kein epochales sportliches Beben geschieht, Lewis Hamilton heißen. Warum es vermutlich am kommenden Sonntag in Mexiko - wo dem Mercedes-Piloten zum fünften WM-Titel Platz sieben genügt - soweit ist, zeigte das Rennen in Austin, Texas.
Drei Szenen und drei Aussagen reichen in der Beweisführung. Szene eins: Der von der Pole Position startende Lewis Hamilton lässt den auf Position zwei beginnenden Ferrari-Fahrer Kimi Räikkönen am Start an sich vorbeifahren. Der Gedanke dahinter: Bloß keinen Unfall bauen. Szene zwei: Hamiltons einzig verbliebener Konkurrent um den WM-Titel, ein gewisser Sebastian Vettel, verkämpft sich in Runde eins mit Red-Bull-Mann Daniel Ricciardo. Beide bleiben stur, Vettels Auto dreht sich, er verliert viel Zeit und reiht sich auf Platz 15 wieder ein. Der Gedanke dahinter: Bloß das 1:1-Duell gewinnen. Szene drei: Hamilton duelliert sich in der Schlussphase des Rennens intensiv mit Max Verstappen, ebenfalls Red Bull. Es geht um die Frage, wer Zweiter wird. Weil Verstappen eine harte Linie fährt, verzichtet der viermalige Weltmeister auf eine finale Attacke. Der Gedanke dahinter: Bloß nichts riskieren.
"Du hättest mich ruhig abdrängen können"
Die Aussagen zum Rennen kamen später so rüber: Erstens, Verstappen zu Hamilton: "Du hättest mich ruhig noch ein wenig abdrängen können." Zweitens, Hamilton: "Meisterschaften werden nicht mit dummen Fehler in Zweikämpfen gewonnen." Drittens, Vettel: "Dadurch haben wir auch schon Rennen gewonnen, die wir vielleicht anders nicht gewonnen hätten. Das ist mein Verständnis vom Rennfahren."
Lewis Hamilton hat offenbar ein anderes. Er kann sich dies, nun da eh alles feststeht, leisten. Gemütlich ausrollen und dabei die nötigen Punkte einfahren, mehr muss nicht sein. In diese Position haben sich der kühl kalkulierende Hamilton und Mercedes aber durch viele, kleine kluge Entscheidungen erst gebracht.
Und Vettel? Den ehrt, dass er dieses Verständnis vom Rennfahren hat, das die Fans vielleicht mehr lieben als Hamiltons. Und, mal ehrlich: Da die WM auch schon vor dem Grand Prix in Austin verloren war, sei ihm der wilde Rennfahrerinstinkt gegönnt. Das Problem ist nur, dass Vettel in dieser wie in der vergangenen Saison häufig zu überhitzt aufgetreten ist. Zu viel Herz, zu wenig Kopf. Der Ausgang von Austin war letztlich bedeutungslos, aber das Abbild einer ganzen Saison. Rationalität vor Instinkt. Es mag sein, dass Sebastian Vettel mit seiner Art Rennen gewinnt, Meisterschaften ganz sicher nicht.