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Das sieht nicht nach Olympia aus. Ein Arbeiter vor dem Werk von Fukushima.
© dpa

Tokio 2020: Olympische Spiele in Fukushima?

Die Organisatoren von Tokio 2020 überlegen, einige Wettbewerbe in der radioaktiv verstrahlten Region auszurichten.

Masao Uchibori hat das gesagt, was lange Zeit jeder dachte, aber niemand aussprechen wollte. „Wir brauchen ein Ziel, um zeigen zu können, wie weit sich Fukushima erholt hat.“ Er bezog sich auf die Olympischen Spiele 2020, und so war klar, wovon genau der Gouverneur der Präfektur Fukushima sprach. Wenn Tokio in fünf Jahren die Sommerspiele veranstaltet, sollen seiner Meinung nach einige der Sportarten eben genau hier ausgetragen werden. In Fukushima, wo das seit März 2011 havarierte Atomkraftwerk Fukushima Daiichi immer noch täglich reichlich radioaktive Strahlung ausstößt.

Seit Ende Dezember schreibt diese Forderung von Masao Uchibori große Schlagzeilen in Japan. Denn in Tokio könnte das Timing unpassender kaum sein. Nachdem die Stadt im Sommer 2013 das Austragungsrecht für die Olympischen Spiele 2020 erhielt, weil sie im Vergleich zu den Mitbewerbern Madrid und Istanbul die günstigere, kompaktere und sicherere Variante sein sollte. Doch nun scheint der Rahmen gesprengt. Und das gleich in dreifacher Hinsicht: Da die Spiele nun doch teurer werden als veranschlagt, wird derzeit der gesamte Veranstaltungsplan neu überdacht. 14 Sportarten könnten auf andere Orte verlegt werden. Dadurch wäre das Konzept nicht nur weniger kompakt, es stellt sich womöglich auch die Frage der Sicherheit auf ganz neue Weise.

Maßgeblich verantwortlich für das aktuelle Chaos ist eine Reform des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von Anfang Dezember. Die einstimmig verabschiedete „Agenda 2020“ hat zum Ziel, die Spiele günstiger, transparenter und liberaler zu machen. So erhalten die Ausrichter mehr finanzielle Unterstützung vom IOC, Athleten dürfen nicht mehr wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden und mehr Wettkämpfe können nun fernab der Veranstalterstadt ausgetragen werden. Die Stoßrichtung der Reformen wurde von so ziemlich allen Seiten gelobt, auch von Tokio. Nur bringt es das Organisationskomitee in große Verlegenheit.

In der Bewerbungsphase hatten sich die Tokioter Offiziellen weit aus dem Fenster gelehnt. Einerseits tönte man, „Tokyo 2020“ würde wie schon die Tokioter Spiele von 1964 zu einem Symbol der Wiederauferstehung werden. Was 1964 die endgültige Erholung von der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs markierte, soll 2020 das Abschließen mit der verheerenden Kombination aus Erdbeben, Tsunami und der folgenden Reaktorkatastrophe in Fukushima sein, weswegen im März 2011 um die 300 000 Menschen ihre Heimat verloren und 20 000 starben.

Andererseits aber versprach Japans Premierminister Shinzo Abe vor dem IOC und einer Liveübertragung in die ganze Welt: Vom havarierten Atomkraftwerk in Fukushima gehe für die Spiele in Tokio keine Gefahr aus. Das sei so weit weg, dass gar nichts passieren könne. Dieser Widerspruch zwischen der Tränendrüse in Bezug auf die Tragödie von 2011 einerseits und der Versicherung, dass Fukushima andererseits weit genug von der japanischen Hauptstadt entfernt liege, ließ das Tokioter Konzept bisher heuchlerisch aussehen. Zumal man gleichzeitig damit warb, dass mehr als 80 Prozent der Wettkämpfe in einem Acht-Kilometer-Umkreis vom Olympischen Dorf steigen würden. Gar nichts sollte also in Fukushima stattfinden, wo man die Erholung von der Katastrophe von 2011 doch am nötigsten hat.

Aber eine Kombination aus Finanzierungsengpässen im Tokioter Veranstaltungskonzept und den jüngsten Reformen des IOC geben dem Organisationskomitee nun erneut die Gelegenheit, die Spiele zu einem wahren Symbol der Wiederauferstehung zu machen. Zumindest wird derzeit ernsthaft darüber nachgedacht.

Masa Tayaka, der Sprecher des Organisationskomitees, sagte Anfang Januar in einem Interview in einem Tokioter Büroturm, in dem die Olympiazentrale sitzt: „Mehrere Lokalregierungen haben uns angesprochen, weil sie Wettkämpfe austragen wollen. Und unser Präsident Yoshiro Mori hat auch schon gesagt, dass das eine gute Idee sein könnte.“ Den Namen Fukushima erwähnte Tayaka in einem 40-minütigen Gespräch allerdings nur einmal, tunlichst vermied er, konkret zu werden.

„Derzeit sind wir dabei, den gesamten Plan zu überdenken“, so Tayaka. Man wolle zwar grundsätzlich an der Idee festhalten, die meisten Wettkämpfe nah am Stadtzentrum Tokios auszutragen, aber die Wiederauferstehung Japans nach 2011 sei auch weiterhin ein zentrales Motiv der Spiele. „Wir werden die Anfragen aus den unterschiedlichen Gegenden genau prüfen.“ Tokios Bürgermeister Yoichi Masuzoe sagte zuletzt in ähnlichem Ton: „Die Olympischen Spiele sollen der Welt zeigen, wie sich die betroffene Region wieder aufgebaut hat. Wir wollen so weit wie möglich kooperieren.“

Nur muss Tokio der Welt dann auch erneut unter Beweis stellen, dass die Spiele den sich selbst auferlegten hohen Sicherheitskriterien genügen. Zwar sind bei Weitem nicht alle Gebiete in Fukushima oder dem gesamten Nordosten Japans von hoher radioaktiver Strahlung betroffen. Aber das Kraftwerk, in dem es im März 2011 zu Kernschmelzen in drei Reaktoren kam, strahlt weiterhin kaum kontrolliert vor sich hin. Wind und Regen können jederzeit Radioaktivität in andere Gebiete transportieren.

So sehr man sich in Fukushima und den anderen Präfekturen Tohokus, wie die zerstörte Region im Nordosten Japans heißt, nun um das Austragungsrecht einiger Wettkämpfe bemühen wird, dürften sich die Organisatoren in Tokio jetzt um neuerliche Prüfungen der Sicherheitslage sorgen. Das wiederum kann nur gut für den ganzen Nordosten Japans sein, und in dieser Hinsicht auch für die Sommerspiele 2020. „Wir haben ein viel breiteres Konzept, was die Erholung von der Katastrophe von 2011 angeht, als dort einfach nur ein paar Wettbewerbe zu ermöglichen“, sagte Tokios Sprecher Masa Tayaka. Was normalerweise als Floskel rüberkommt, mit der man sich zu nichts Konkretem verpflichtet, könnte in diesem Fall eine viel weiter reichende Bedeutung haben.

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Felix Lill

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