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Ein Lichtblick für die Stadt. Sind Olympische und Paralympische Spiele nach Meinung von LSB-Präsident Klaus Böger.
© dpa

Klaus Böger zur Olympiadebatte: Nur eine reiche Stadt kann sich Olympia nicht leisten!

Ob Wohnen oder Sportstätten - Olympische und Paralympische Spiele bringen Berlin voran, schreibt LSB-Präsident Klaus Böger in unserer Olympiadebatte. Und mit sportlichen Großereignissen habe Berlin ohnehin gute Erfahrung gemacht.

Kann Berlin Olympia? Was für eine merkwürdige Frage! Berlin ist die Stadt, die das Sommermärchen 2006 erfunden und den WM-Empfang 2014 gefeiert hat. Eine Stadt, die die großartige Leichtathletik-WM 2009 gestaltet hat, die fortlaufend Europa- und Weltmeisterschaften in olympischen, nicht-olympischen oder paralympischen Disziplinen durchführt.

Allein in diesem Jahr werden die Berliner Gastgeber sein von Champions-League-Finals im Männer- und Frauen-Fußball, Champions-League-Volleyball, Handball-Europa-Cup sowie der WM im Modernen Fünfkampf. Am 14. Februar dürfen wir uns auf das größte Indoor-Leichtathletikfest der Welt freuen. Der jährliche Event-Kalender unserer Stadt bietet das DFB-Pokalfinale, das Internationale Stadion-Fest und den Berlin-Marathon. Wir sind stolz auf den größten, erfolgreichsten Olympiastützpunkt Deutschlands, drei exzellente Sporteliteschulen, eine anerkannte und ausgezeichnete Sportwissenschaft. Wo, wenn nicht hier, ist der rechte Ort für Olympische Spiele in Deutschland?

Die Spiele sind ein Welt-Ereignis, das Milliarden Menschen bewegt, das Völker wie Kulturen in friedlichem Wettstreit zusammenführt. Berlin steht für Freiheit und Vielfalt, unsere Stadt hat einen attraktiven Ruf in der Welt, zumal bei der Jugend. Wir sind das Schaufenster Deutschlands und tragen als Hauptstadt Mitverantwortung für das Erscheinungsbild und den Erfolg unseres Landes. Und Berlin hat Veranstaltungskompetenz: Berlinale, Grüne Woche, Internationale Bauausstellung, Gartenschau, Funkausstellung - die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Eine außerordentliche Sportkompetenz ergänzt das. 2.200 Vereine unter dem Dach des Landessportbundes betreiben mehr als 130 Sportarten. Zwischen 80 und 90 Berliner Mannschaften treten Jahr für Jahr in den Bundesligen der verschiedenen Spitzenverbände an. Berlins Top-Athleten und -Teams sind überwiegend ausgesprochen erfolgreich.

Die teuersten Olympia-Bauten hat Berlin längst

Die Erfahrung als Ausrichter sucht ihresgleichen: Internationales Deutsches Turnfest 2005 und gleich noch einmal 2017. 6-Tage-Rennen oder Internationale Deutsche Schwimm-Meisterschaften der Behinderten. Im Gegensatz zu anderen geben wir einen einmal erhaltenen Zuschlag nicht wieder zurück. Dies alles hängt auch mit dem Berliner Publikum zusammen: Sportbegeistert, fachkundig und ausgesprochen fair! Die Atmosphäre am Rande der großen Straßenläufe in Berlin wird von den Teilnehmern aus nah und fern als „unglaublich“ charakterisiert. Für den reibungslosen Ablauf der Veranstaltungen sorgt eine ausgeprägte Berliner Volunteer-Kultur - Menschen, die von Sport etwas verstehen und sich bei den Events in großer Zahl als Helfer zur Verfügung stellen. Olympia in Berlin wäre nicht in erster Linie die störende Riesenbaustelle mit ständigen Meldungen zu Terminüberziehung oder Kostensteigerung. Spiele an der Spree wären nachhaltig und mitten in der Stadt. Die teuersten Olympia-Bauten hat Berlin längst. Vor einem späteren Leerstand irgendwelcher Investitionsruinen muss sich niemand fürchten.

Einzig das Olympische Dorf wäre ein größeres Bauvorhaben. Dort müsste für eine sinnvolle nacholympische Nutzung Wohnraum zur Unterbringung von etwa 17000 Menschen entstehen. Auch hier nachhaltig, in der bewährten Berliner Mischung aus Sozialem Wohnungsbau, Genossenschaftsbau und freifinanzierten Bau-Losen. Berlin war in den Zwanzigerjahren ein Vorreiter im internationalen Siedlungsbau. Die sechs „Siedlungen der Moderne“ sind vor wenigen Jahren zum UNESCO-Welterbe erhoben worden. In Anbetracht der demografischen Entwicklung in Berlin sollte das Dorf nach Möglichkeit vollständig alters- und behindertengerecht konzipiert sein. Dann wäre Berlin durch Olympia wieder Vorreiter, diesmal für die barrierearme Stadt. Dabei versteht sich von selbst, dass Berlin auch Maßstäbe der Bürgerbeteiligung setzen will.

Berlin könnte ein Reform-Olympia auf den Weg bringen

Ja, es gibt auch Bedenken und Kritik - zum Beispiel am Internationalen Olympischen Komitee. Aber das IOC hat eine Reform-Agenda verabschiedet, die dem Gigantismus abschwört und die Spiele mehr den Bedingungen der Ausrichterstadt anpassen will. Berlin könnte ein Reform-Olympia auf den Weg bringen, transparent, nachhaltig und mit eigenem Stil. Olympia muss getragen sein von Parlament und Regierung in Berlin wie im Bund, vor allem aber von den Bürgern. Ein Bürgervotum im September wäre dazu nicht das Ende, sondern erst der Auftakt weiterer Beteiligung.

Klaus Böger ist seit 2009 Präsident des Landessportbundes Berlin.
Klaus Böger ist seit 2009 Präsident des Landessportbundes Berlin.
© dpa/Daniel Naupold

Von Olympia-Kritikern werden regelmäßig die Probleme beim BER ins Feld geführt. Zu Unrecht. Die ärgerliche Fehlentscheidung, bei dieser Großbaustelle keinen Generalübernehmer zu beauftragen, wird sich nicht wiederholen. Außerdem setzt Olympia ein vergleichbar komplexes Bauwerk überhaupt nicht voraus. Die großen Wettkampfstätten haben wir schon. Ein Olympiastadion müssen wir nicht mehr bauen. Eben hat der Senat sich zu einem vorolympischen Sonderprogramm der Sportstätten- und Bädersanierung bekannt. Etwa 35 Trainingsstätten in den Bezirken müssten für die Gäste aus aller Welt für Wettkampf-Vorbereitung zur Verfügung stehen. Sportanlagen, die vorher und anschließend dem Berliner Schul- und Vereinssport zugute kämen.

Für die Durchführung der Spiele erhielte Berlin vom IOC rund eine Milliarde Euro Zuschuss. Zusammen mit den Einnahmen aus Lizenzgebühren, dem Verkauf der Eintrittskarten und Sponsorengeldern decken diese die eigentlichen Veranstaltungskosten vollständig ab. Was zu finanzieren wäre, sind die erforderlichen Infrastruktur-Investitionen, die den Berlinern anschließend über lange Jahre zu Gute kommen und bei denen sich auch der Bund in nennenswerter Weise beteiligen wird.

Berlinerinnen und Berliner würden im Alltag proftieren

Den Ausgaben stünden also reale Werte gegenüber. Nur eine reiche Stadt könne es sich leisten, sich nicht um Olympia zu bewerben, meint ein bekannter deutscher Ökonom. Er hat Recht. Olympische und Paralympische Spiele würden die Stadt in allen Bereichen gehörig voranbringen. Damit Berlinerinnen und Berliner im Alltag profitieren.

Berlin ist eine Stadt der Erneuerung. Mancher Olympia-Skeptiker übersieht die ungeheuren Leistungen, die die Berliner nicht zuletzt in den 25 Jahren der wiedergewonnenen Einheit vollbracht haben. Bei der Schließung städtebaulicher Wunden, bei der Reintegration des ÖPNV-Netzes, bei der Modernisierung des Wohnungsbestandes, bei der Herstellung der inneren Einheit der Stadt. Eine gewaltige Organisations- und Integrationsleistung. Genau die rechte Schule für eine erfolgreiche Bewerbung um die Spiele in Berlin.

Gehen wir diese Aufgabe gemeinsam mit der ganzen Stadtgesellschaft an!

Klaus Böger ist seit 2009 Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB). Von 1999 bis 2006 war der SPD-Politiker Senator für Bildung, Jugend und Sport. Der Beitrag erscheint im Rahmen der Tagesspiegel-Debatte zu Olympischen Spielen in Berlin.

Klaus Böger

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