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Tom Brady und die New England Patriots sind außerhalb von Boston nicht besonders beliebt.
© Reuters

Big Four - Die US-Sport-Kolumne: NFL-Saisonstart nach "spaßiger Sommerpause"

Die New England Patriots bestimmen vor dem Saisonstart der NFL die Schlagzeilen. Im Mittelpunkt: Tom Brady und angeblich manipulierte Bälle.

Wenn das Ei ruht, passieren erfahrungsgemäß die wildesten Sachen. In der spielfreien Zeit produziert die National Football League (NFL) so zuverlässig Schlagzeilen wie keine andere Sportliga auf diesem Planeten, dummerweise haben sie oft eine negative Note. Quarterback Michael Vick etwa verunglimpfte sich einst als Organisator illegaler Hundekämpfe, Star-Receiver Plaxico Burress schoss sich in der Partynacht nach dem Super Bowl versehentlich selbst in den Fuß, und vor eineinhalb Jahren machte ein Fahrstuhl-Überwachungsvideo die Runde, in dem Running Back Ray Rice seine Frau bewusstlos prügelte. Gerichtsprozesse gehören mittlerweile ebenso zum Bild der NFL wie ihre gestählten Athleten.

Auch in diesem Sommer hat ein Prozess die amerikanische Öffentlichkeit beschäftigt, und dabei ging es ausnahmsweise um sportliche Belange. Auf der Anklagebank saß Tom Brady, der Quarterback des amtierenden Meisters New England Patriots, der in der Nacht zu Freitag das Auftaktspiel der neuen Saison gegen die Pittsburgh Steelers bestreitet (2.30 Uhr, live bei Sat 1). Im Kern ging es vor allem um die Frage, ob Brady, einer der besten und gleichwohl umstrittensten Spielmacher der NFL-Geschichte, zu Beginn der neuen Spielzeit auf dem Feld stehen darf. Ergebnis: Er darf. Vor allem außerhalb Bostons, der Heimat der Patriots, wurde das Urteil als Ungerechtigkeit sondergleichen wahrgenommen – mindestens. Viele sprachen von einem Skandal.

Den Patriots wird vorgeworfen, das Play-Off-Spiel gegen die Indianapolis Colts im Januar (Endstand: 45:7) zu ihren Gunsten manipuliert zu haben. In besagter Partie hatten fast alle Bälle beim Angriff der Bostoner weniger Luft als zugelassen – ein großer Vorteil für den werfenden Quarterback Brady. Später gewannen die Patriots die Meisterschaft, der Vorfall wurde unter dem Namen „Deflategate“ bekannt. Der Klub musste eine Million Dollar Strafe zahlen, die Beweislast war erdrückend: Brady ließ unter anderem sein mit Indizien belastetes Handy von einem Experten verschrotten und wurde für vier Spiele gesperrt. In einem Revisionsprozess erstritt sich der 37-Jährige allerdings das Recht, spielen zu dürfen – eine ebenso überraschende wie umstrittene Entscheidung. Die NFL legte unmittelbar darauf ihrerseits Einspruch gegen die Entscheidung des Richters ein.

Tom Brady muss nun doch keine Sperre absitzen

Das deckte sich mit dem Empfinden vieler Football-Fans in den USA. Außerhalb von Massachusetts sind die Patriots, das mit vier Titel erfolgreichste Team der letzten Jahre, extrem unbeliebt – für ihre Popularitätswerte war der jüngste Skandal auch nicht gerade förderlich. „Jeder weiß, dass sie betrogen haben, da gibt es gar keine Diskussion“, sagt Ian Rapoport, einer der besten Kenner der NFL, „und jetzt kommen sie damit auch noch durch.“ Bradys flapsiger Kommentar, es sei eine „spaßige Sommerpause“ gewesen, hat den Zorn einiger Fans zusätzlich befeuert.

Das größte Problem ist, dass New Englands Football-Team nicht zum ersten Mal negativ aufgefallen ist. Coach Bill Bellicheck ließ einst heimlich vor dem Super Bowl das Training des Gegners aufzeichnen – für gewöhnlich ein Verstoß in der von Taktik geprägten Sportart. Auch dieser Fall entwickelte sich zu einem Skandal, Titel: „Spygate.“

Seither werden die Patriots vielerorts mit Argwohn beäugt, das gilt mit Blick auf den Saisonstart vor allem für Brady. Mit seinem etatmäßigen Quarterback im Kader zählt New England neben Seattle, Green Bay und Indianapolis wieder zu den Favoriten. Ohne Brady wäre das ausgeschlossen.

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