NFL: Liga der Revolverhelden
US-Footballer werden häufig ihr Milieu nicht los: Man schätzt, dass bis zu 20 Prozent der NFL-Profis schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind.
Bislang gab es in dieser Saison von den American Footballern der New York Giants eigentlich nur Gutes zu berichten. Der Superbowl-Titelverteidiger, dem man zum Start der Spielzeit nicht sonderlich viel zugetraut hatte, spielt überraschend stabil und hat mit 11 Siegen eine überragende Bilanz. Doch vor dem Sonntagsspiel in der Profiliga NFL gegen Washington wollte keiner über Pässe und Touchdowns reden. Stattdessen ging es um Nachtclubs und Pistolen. Der New Yorker Star-Receiver Plaxico Burress, der in diesem Jahr schon mehrfach mit problematischem Verhalten angeeckt war, hatte sich Freitagnacht in einem Manhattaner Nachtclub selbst ins Bein geschossen und muss nun mit einer Anklage wegen unerlaubten Waffenbesitzes rechnen. Wie es zu der unkontrollierten Schießerei gekommen ist, weiß bislang noch niemand so genau. Eines ist jedoch klar – Burress hatte zwei Abende vor einem wichtigen Spiel nichts im New Yorker Nachtleben verloren, schon gar nicht mit einer Pistole unter der Jacke.
Der Vorfall könnte die Karriere von Burress schwer beschädigen oder sogar beenden. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass sich ein Profi-Footballer wegen krimineller oder zumindest halbseidener Aktivitäten selbst um Kopf und Kragen bringt. Man schätzt, dass bis zu 20 Prozent der NFL-Profis schon einmal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sind. Die Anklagen reichen von Alkohol am Steuer bis zu Mord und Vergewaltigung.
Die Liste der prominenten Fälle ist lang. Erst vor wenigen Wochen wurde der notorische O. J. Simpson der Entführung und des Raubes schuldig befunden, nachdem er in einem spektakulären Prozess 1995 von der Anklage freigesprochen worden war, seine Frau ermordet zu haben. Ebenso glimpflich kam Ray Lewis davon, als er 2000 nach einer Messerstecherei bei einer Party des zweifachen Totschlages angeklagt wurde. Die Indizien reichten zu einer Verurteilung nicht aus. Solches Glück hatte hingegen Jamal Lewis nicht, der 2004 dabei erwischt wurde, wie er versuchte, fünf Kilogramm Kokain zu verkaufen. Lewis wanderte für vier Monate hinter Gitter.
Der aufsehenerregendste Fall im vergangenen Jahr war der von Michael Vick. Der Quarterback der Atlanta Falcons wurde zu 23 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er in seinem Haus ein florierendes Unternehmen mit illegalen Hundekämpfen unterhielt. Offenbar konspirierte er dabei mit Mitgliedern einer Clique aus seinem Heimatort Newport News, einem von Arbeitslosigkeit und wirtschaftlicher Depression geplagten, vorwiegend schwarzen Ort in Virginia.
Auch wenn sie viele Millionen Dollar verdienen und ein Jet-Set-Leben führen, werden viele der Football-Profis das Milieu nicht los, dem zu entkommen sie doch eigentlich mit harter Arbeit geschafft haben. Es ist eine der großen Ironien des Geschäfts, dass Männer wie Vick oder Burress alles, was sie erreicht haben, wieder verspielen, weil sie es nicht schaffen, sich aus diesem Umfeld zu lösen.
Es gibt zwei Hauptgründe dafür, dass die Stars letztlich das Getto nie loswerden. Zum einen, schrieb anlässlich des Vick-Falles die Zeitschrift „Sports Illustrated“, sei die Welt des Profi-Sports für die jungen Männer oft verstörend und verängstigend: „Es ist eine Umgebung, die jener, aus der sie stammen, völlig entgegengesetzt ist. Um irgendwo Halt zu finden, umgeben sie sich mit Leuten, die ihnen vertraut sind, und lehnen dafür den Rat wesentlich seriöserer und qualifizierterer Personen ab.“
Der zweite Grund sei ein Gefühl der Verpflichtung. „Sie haben das Gefühl, dass sie den Leuten, die sie unterstützt haben, als sie aufwuchsen, etwas schuldig sind. Sie glauben, sie dürften nicht vergessen, woher sie kommen.“ Das ist gewiss ein nobler Gedanke. Ob es den Leuten aus der „Hood“ so viel hilft, dass man mit ihnen durch die Clubs zieht und dabei allerlei Unfug anstellt, ist dabei allerdings fraglich. Der Basketballer Baron Davis von den Los Angeles Clippers, der aus L.A.s Problem-Bezirk Watts stammt, hat eine bessere Idee: „Ich helfe ihnen, eine Ausbildung zu finanzieren oder ein Geschäft aufzubauen, wenn sie das wirklich wollen“, sagt er. Vielleicht sollte auch Plaxico Burress über diese Anregung einmal nachdenken. Falls er aus seinem gegenwärtigen Schlamassel wieder herausfindet.
Sebastian Moll[New York]
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