„No Beijing 2022“: NBA-Profi Enes Kanter fordert Olympia-Boykott
Wegen seiner Kritik an Präsident Erdogan musste Basketballer Enes Kanter seinen türkischen Pass abgeben. Nun legt er sich auch mit Chinas Staatsführung an.
Kritik an seiner Kritik ist Basketball-Profi Enes Kanter gewohnt - und lässt sich seit Jahren dennoch nicht von seinem Kurs abbringen. Der 29 Jahre alte NBA-Profi von den Boston Celtics hat es sich mit seinen Äußerungen schon vor langer Zeit mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan verscherzt und postete erst vor zwei Wochen das Foto eines türkischen Haftbefehls gegen sich auf Twitter. Schon seit 2017 soll sein türkischer Pass eingezogen sein, Kanter gilt als staatenlos. Nun aber hat sich der Teamkollege von Nationalspieler Dennis Schröder neue Ziele ausgesucht: China, den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die anstehenden Winterspiele in Peking und Nike. Die Vorwürfe reichen von Menschenrechtsverletzungen bis hin zum Profit von „moderner Sklaverei“.
Seit dem 20. Oktober - dem Tag an dem die Celtics ihr erstes Spiel der neuen NBA-Saison hatten - hat Kanter neun Tweets abgesetzt. Zuletzt postete er am Samstag und schrieb der chinesischen Regierung und dem „unsicheren Tyrannen“ Xi Jinping dürfe die Gastgeberrolle für die Olympischen Winterspiele nicht gestattet werden. Dazu veröffentlichte er Fotos seiner Basketballschuhe in einem speziellen Design - unter anderem mit den Slogans „Kein Peking 2022“, „Keine Rechte - Keine Spiele“ und „Verschiebt die Spiele“. Nike wirft er vor, sich in den USA zwar für die Rechte von Minderheiten einzusetzen, nicht aber in China. Angefangen hat die Serie mit einem Appell für die Freiheit Tibets, in dem Kanter Xi Jinping einen „brutalen Diktator“ nannte.
Das Verhalten sorgte in China umgehend für scharfe Reaktionen - mal wieder. Belehrungen des Westens über die Menschenrechtslage werden von der Pekinger Regierung nicht geduldet. Noch während des Spiels, in dem der NBA-Star die Schuhe mit dem Tibet-Slogan trug, brach der chinesische Internetdienst Tencent die Übertragung ab. Millionen von Fans in China konnten das Spiel plötzlich nicht mehr verfolgen.
Kritik an Tencent war in Chinas streng zensierten sozialen Medien im Anschluss jedoch nicht zu finden. Stattdessen wird Kanter dort seit Tagen von zahllosen Usern beschimpft und aufgefordert, sich beim chinesischen Volk zu entschuldigen. Auch das Außenministerium in Peking äußerte sich zu dem Fall und warf dem Sportler vor, nur Aufmerksamkeit erregen zu wollen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die NBA wegen eines politischen Statements in China ins Kreuzfeuer gerät. Daryl Morey, damals Manager der Houston Rockets und inzwischen für die Philadelphia 76ers verantwortlich, hatte vor zwei Jahren auf Twitter kurzzeitig ein Bild mit den Worten „Fight for Freedom - Stand with Hong Kong“ („Kämpft für die Freiheit, unterstützt Hongkong“) veröffentlicht. Der chinesische Basketballverband beendete daraufhin die Zusammenarbeit mit dem NBA-Team, chinesische TV-Sender ignorierten einige Partien. Begegnungen der 76ers werden nicht ausgestrahlt in China.
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Gar keinen Spaß versteht die chinesische Führung, wenn westliche Sportler oder Aktivisten zu einem Boykott der anstehenden Winterspiele in Peking aufrufen. Jeglicher Boykott werde eine „deutliche Reaktion“ Chinas zur Folge haben, warnte ein Sprecher des Außenministeriums bereits im April.
Kanter weiß also, mit wem er sich da jetzt anlegt. Doch Drohungen haben den Center auch in der Vergangenheit nicht zum Schweigen gebracht. Angstfrei ist der 29-Jährige deswegen aber nicht. Mehrfach berichtete er von der Sorge, außerhalb der USA umgebracht zu werden für seine Kritik an Erdogan. 2019 verzichtete er deswegen auf Reisen nach England und Kanada mit seinem damaligen Team, den Portland Trail Blazers.
In seinem Tweet vom 24. Oktober schrieb Kanter aber auch, gerichtet an die Xi Jinping und die Kommunistische Partei Chinas: „Ich werde mich NIEMALS dafür entschuldigen, die Wahrheit zu sagen. Ihr könnt mich NICHT kaufen. Ihr könnt mich NICHT verschrecken. Ihr könnt mich NICHT zum Schweigen bringen.“