Hertha BSC in der Europa League: Mit Thomas Kraft im Tor gegen Bröndby
Hertha BSC musste lange auf den Auswärtsauftritt in Europa warten. In Dänemark wollen die Berliner nun Bröndby IF aus der Europa League werfen - im Tor soll überraschend Thomas Kraft stehen.
So richtig außergewöhnlich war die Perspektive nicht bei der ersten Europapokal-Tour seit sieben Jahren, genau genommen seit 2354 Tagen. Wie immer bei Auswärtsfahrten mit großer Entfernung haben die Profis von Hertha BSC ihr Reiseziel zunächst aus der Luft in Augenschein genommen, und nach allem, was im Netz überliefert ist, muss es ein recht entspannter Trip gewesen sein. Von Salomon Kalou und Vedad Ibisevic ist jedenfalls ein nettes Foto überliefert, die beiden Stürmer üben sich in der Kunst cooler Handzeichen, und darüber steht folgende Überschrift: Boarding completed.
Am Mittwochvormittag hat sich Hertha BSC also in Richtung Dänemark aufgemacht, spätestens am Donnerstag werden dem Verein ein paar hundert Reiseerprobte in blau-weiß folgen, für die der Ausflug zum Rückspiel der dritten Qualifikationsrunde zur Europa League bei Bröndby IF (20.15 Uhr, live bei Sport1) mit einer außergewöhnlichen Erinnerung verbunden bleiben wird. Wann gibt es schließlich schon mal die Chance, eine Auswärtstour mit einer Fährüberfahrt zu kombinieren, im konkreten Fall von Rostock nach Gedser? So lange Helgoland keinen Bundesligisten stellt, und daran wird sich in naher Zukunft wohl nichts ändern, eben nie, jedenfalls nicht auf nationaler Ebene.
Finanzielle Motive sind im Moment eher zweitrangig bei Hertha
So bunt und vielfältig die Reisebilder – ob nun unter Profis oder Fans – auch sein mögen, der Anlass der Tour ist ein überaus seriöser für den Bundesligisten. Nach dem 1:0-Erfolg vor einer Woche im Jahnsportpark steht nicht weniger auf dem Spiel als der Einzug in die nächste Qualifikationsphase (Spieltermine: 18. und 25. August). Für die Berliner wäre es die zweite und letzte Runde vor Beginn der Gruppenphase, für die es wiederum gut zwei Millionen Euro vom europäischen Fußball-Verband Uefa gibt. Finanzielle Motive sind im Moment allerdings eher zweitrangig bei Hertha, auch wenn sie im Verein sicher nichts gegen eine kleine Sonderüberweisung einzuwenden haben.
Das primäre Motiv ist faktisch ein anderes, es hängt auch ein bisschen mit der Spielzeit 2015/16 zusammen. „Wir wollen die Gruppenphase erreichen und so unsere gute letzte Saison veredeln“, sagt Manager Michael Preetz. Auch innerhalb der Mannschaft hat sich mittlerweile nämlich die Erkenntnis breitgemacht, dass sie sich den ultrafrühen Start der Saisonvorbereitung und all die Quali-Runden in den größtenteils erfolg- und punktlosen Spielen der letzten Saison eingebrockt haben. „Wir wissen alle, dass wir es auch anders hätten haben können“, hat Innenverteidiger Sebastian Langkamp kürzlich gesagt.
Immerhin sind die Berliner nun mit einem guten Resultat im Gepäck in den Kopenhagener Vorort gereist. „Ganz wichtig war, dass die Null steht“, sagte Trainer Pal Dardai nach dem Hinspiel. Ein eigenes Tor im Brönbdy-Stadion vorausgesetzt, müssten die Dänen nach alter Europapokal-Arithmetik schon drei Treffer gegen Hertha erzielen, und das ist in der letzten Saison wettbewerbsübergreifend nur drei Mannschaften gelungen (jeweils zwei Mal Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund sowie Werder Bremen). „Wir werden uns aber auf keinen Fall hinten reinstellen und versuchen, das 0:0 über die Zeit zu bringen“, verspricht Dardai, „wir wollen unser eigenes System durchziehen.“
Thomas Kraft soll im Rückspiel die Chance bekommen, sich wieder einmal zwischen den Pfosten zu beweisen
Personell deutet sich vor diesem so wichtigen Spiel – sehr untypisch für Dardai – ein Experiment an, und zwar auf der Torhüterposition. Dem Vernehmen nach soll Thomas Kraft im Rückspiel die Chance bekommen, sich wieder einmal zwischen den Pfosten zu beweisen. Der Keeper, der erst in der vergangenen Woche nach einem Disput mit Dardai frühzeitig vom Trainingsplatz in die Kabine geschickt worden ist, soll den Vorzug vor Rune Jarstein bekommen, der seit Anfang letzter Saison in jedem Pflichtspiel das Berliner Tor gehütet hat. Im Hinspiel hatte Dardai noch eine Formation aufs Feld geschickt, die in dieser Besetzung bereits x-mal in der Bundesliga aufgelaufen ist.
Wenn es nach dem Trainer geht, wird das Spiel ohnehin nicht nur mit den Füßen entschieden. „Die Bröndby-Fans werden richtig Stimmung machen, aber wir dürfen uns von der Atmosphäre nicht beeindrucken lassen“, sagt Dardai. „Sie werden alles investieren, um in Führung zu gehen“, ergänzt der Ungar, „das müssen wir ausnutzen, gut kontern und die erste Chance gleich verwerten.“ Wenn es zum Pflichtspielauftakt vor einer Woche einen großen Kritikpunkt gab, dann war es die Abschlussschwäche vor dem gegnerischen Tor.