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Modell für die olympische Bewegung? Bislang existiert in Hamburg das Olympiastadion nur als Miniatur. Am 29. November stimmt die Bevölkerung ab, ob sich die Stadt wirklich bewirbt. 2017 vergibt das Internationale Olympische Komitee die Spiele 2024.
© dpa/Heimken

Olympia 2024 in Hamburg: Michael Vesper: "Das ist ein Jahrhundertprojekt"

DOSB-Vorstandschef Michael Vesper über Hamburgs Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024, Milliarden vom Bund und Neugier.

Herr Vesper, wie lange hat es nach der Razzia beim DFB gedauert, bis Sie gedacht haben: Und wieder sind ein paar Stimmen für die Hamburger Olympiabewerbung weg?

Dass diese Geschichte jetzt solche Schlagzeilen macht, ist in vielerlei Hinsicht bedauerlich. Aber ich denke, dass die Leute schon wissen, worum es in Hamburg geht. Wir haben aus dem Referendum vor zwei Jahren in München gelernt und diese Bewerbung in Hamburg von vornherein sehr transparent gestaltet. Zugleich hat sich das IOC selbst einem tiefgreifenden Reformprozess unterzogen mit einem Bekenntnis zu mehr Bescheidenheit, mehr Offenheit und mehr Flexibilität.

Das sportliche Großereignis als solches hat ja nicht gerade einen Lauf, wenn man sich Fußball-WM oder Olympia anschaut. Wie wollen Sie den Wert von einem solchen Großereignis vermitteln?

Am besten, indem man Beispiele veranschaulicht. In München wirkt Olympia 1972 heute noch nach. Barcelona war wie Hamburg eine „Second city“, die es über die Spiele geschafft hat, sich international zu positionieren. Barcelona hat seither einen Zugang zum Meer und ist weltbekannt. London hat faktisch einen neuen Stadtteil bekommen. Und 80 Prozent aller Briten haben nach den Spielen gesagt, sie seien stolzer geworden, britisch zu sein. Das alles zeigt, was Olympische Spiele in einer Stadt auslösen können, und das wird den Hamburgern auch mehr und mehr bewusst.

Als Nachteil von Hamburg galt jedoch von Anfang an, dass es beim IOC nicht bekannt ist.

Wir waren in der letzten Woche bei der Generalversammlung aller Olympischen Komitees in Washington. Da konnte man geradezu greifen, dass die Bewerbung schon jetzt zu mehr Bekanntheit geführt hat. Ja, es stimmt, dass es wenige IOC-Mitglieder gibt, die schon mal selbst in Hamburg waren. Aber dafür gibt es umso mehr, die neugierig auf Hamburg geworden sind. Und Neugier ist ein guter Treibstoff.

Was glauben Sie, welche Frage ist entscheidend, um die Hamburger bis zur Abstimmung am 29. November zu überzeugen?

Zum einen gilt es, den emotionalen Gewinn für die Region und für ganz Deutschland herauszustellen. Wir alle wissen noch, was bei der Fußball-WM 2006 hier los war, wie sie die Stimmung im Land zum Positiven verändert hat. Und zum anderen geht es darum, dass deutlich wird, welchen Entwicklungsschub diese Stadt erzielen kann. Und die internationale Bedeutung wächst. Auch München hat seine internationale Stellung erst durch die Spiele erlangt. Die Weltstadt mit Herz wurde damals erfunden.

Was entgegnen Sie denen, die sagen, dass Olympia doch sowieso nur eine zweieinhalbwöchige Party für den abgehobenen Spitzensport ist?

Olympia ist viel mehr. Schon die Bewerbung setzt Kräfte frei, die für den Sport in seiner Gesamtheit und damit auch für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft wirken.

Zum Beispiel?

Ein Land, das sich um Olympische und Paralympische Spiele bewirbt, kann nicht die dritte Schulsportstunde streichen und marode Sportstätten verfallen lassen. Schon die Bewerbung ist wie ein Konjunkturprogramm für den Sport für alle. All die Aussagen, dass das Geld stattdessen doch lieber in dieses oder jenes Projekt gesteckt werden sollte, sind unrealistisch. Das würde nicht passieren, das Geld wäre nicht da.

Michael Vesper, 63, ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Grünen und war Minister in Nordrhein-Westfalen.
Michael Vesper, 63, ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Er gehört zu den Gründungsmitgliedern der Grünen und war Minister in Nordrhein-Westfalen.
© dpa/Thissen

Waren Sie erstaunt, als Sie von den Kosten erfahren haben, mit denen die Hamburger planen, 11,2 Milliarden insgesamt und 7,4 Milliarden aus Steuermitteln?

Bei der Rechnung muss man differenzieren. Zunächst einmal ist öffentlich bisher kaum beachtet worden, dass die Organisationskosten, also die eigentlichen Kosten der Spiele im Umfang von etwa 3,4 Milliarden Euro voll refinanziert sind. Im Organisationsbudget ist sogar ein Gewinn zu erwarten, der in den gemeinnützigen Sport in Hamburg und Deutschland fließt. Das IOC gibt einen Zuschuss von 1,5 Milliarden Dollar, die in Hamburg ankommen. Die verbleibenden 7,4 Milliarden sind Kosten, die zwar ohne Olympia nicht entstehen würden, deren langfristiger Nutzen aber weit darüber hinausgeht. Das sind Investitionen, die über die 17 Tage Olympia und 12 Tage Paralympics hinaus für die Stadt und das Land wirken. Das ist ein Jahrhundertprojekt. Insofern ist es falsch, das unter Olympiakosten zu verbuchen. Das sind Investitionen in die Zukunft der ganzen Region, die Olympia als Katalysator brauchen. Ohne Olympia wird es keine Hafenverlagerung geben. Dass auf einer untergenutzten Insel in der Elbe ein neuer inklusiver Stadtteil mit höchster Energieeffizienz entsteht, ist nur im Zuge von Olympia zu schaffen. Sonst bleibt das eben Hafen.

Wenn die Hamburger wirklich so kaufmännisch denken, können sie doch eigentlich nur zustimmen, denn sie müssen nur 1,2 Milliarden Euro an Steuergeld einbringen, um vom Bund 6,2 Milliarden zu bekommen?

Ja, aber nicht zuerst wegen dieser Rechnung. Hamburg wird mit Olympia auf Jahre hinaus im Zentrum des deutschen und internationalen Interesses stehen.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz will keinen Cent mehr ausgeben als die 1,2 Milliarden und erwartet den Rest von der Bundesregierung. Die hat jedoch bisher nicht zugesagt, 6,2 Milliarden Euro beizusteuern. Könnte die Rechnung noch daran scheitern?

Olaf Scholz ist ein sehr erfolgreicher und ebenso beliebter Bürgermeister, und er ist vor allem ein erfahrener Verhandler. Niemand kann vom Bund, der ja erstmals Gesellschafter einer Bewerbungsgesellschaft geworden ist und sich zu der Bewerbung bekennt, erwarten, dass ein solches Finanzierungsprojekt, das erst nach dem Zuschlag durch das IOC für das Jahr 2018 haushaltswirksam wird, jetzt schon komplett durchverhandelt ist.

Kann es wirklich beim Verhältnis 1:6 zwischen Hamburg und dem Bund bleiben?

Hamburg hat ein großes Risikopolster in der Rechnung eingeplant, weil die Stadt aus dem Trauma der Elbphilharmonie gelernt hat. Aber schauen wir noch einmal auf London: Für die Investitionen im Zuge der Spiele in London 2012 hat die britische Regierung – hochgerechnet auf Preis 2024 – knapp 10 Milliarden Euro ausgegeben und Greater London weniger als eine Milliarde.

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