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Seite an Seite. Oliver Bierhoff (links) und Bundestrainer Joachim Löw wollen die Krise gemeinsam durchstehen.
© dpa

Oliver Bierhoff verteidigt den Bundestrainer: „Mein Gefühl ist, dass Löw der richtige Trainer ist“

Oliver Bierhoff erklärt, warum Joachim Löw Bundestrainer bleiben darf. Sein Problem ist: Der Stimmung sind Fakten ziemlich egal. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Wenn alles nach dem ursprünglichen Plan gelaufen wäre, dann wäre auf Oliver Bierhoff an diesem Freitag ein wichtiger Auftrag zugekommen: nicht weniger nämlich als die Verteidigung des heftig in die Kritik geratenen Bundestrainers Joachim Löw vor dem Präsidium des Deutschen Fußball- Bundes (DFB). Dazu ist es nicht gekommen, weil die Angelegenheit bereits Anfang der Woche in kleinem Kreis abschließend geklärt worden ist. Joachim Löw darf weiterhin Bundestrainer bleiben.

Seine Verteidigungsrede für Löw hat Bierhoff am Freitag trotzdem gehalten, unter anderem in einer Medienrunde. Der Manager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft war perfekt vorbereitet, mit Fakten und Folien bewaffnet. Das Fazit seines halbstündigen Vortrags kurz zusammengefasst lautete: „Es war ein tolles Ergebnis, was der Bundestrainer unter schwierigen Bedingungen erreicht hat.“

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Ja, doch! Das hat er gsagt. Auf Bierhoffs Charts, die er in die digitale Pressekonferenz einstreute, waren viele grüne Haken zu sehen. Der DFB habe Löw vor anderthalb Jahren klare Vorgaben gemacht: die Qualifikation für die EM, den Verbleib in der ersten Liga der Nations League, eine gute Ausgangsposition für die Auslosung der WM-Qualifikationsgruppen – all das habe der Bundestrainer erfüllt. Nur bei der fußballerischen Entwicklung habe es keine erkennbaren Fortschritte gegeben – weil es die laut Bierhoff unter den Bedingungen der Coronavirus-Pandemie auch gar nicht geben konnte. „Deswegen mache ich meinen Frieden damit“, sagte er. „Mein Gefühl ist, dass Jogi Löw der richtige Trainer ist.“

Bierhoff argumentierte rein faktenbasiert, verwies auf die guten Resultate (nur je eine Niederlage in den Jahren 2019 und 2020), auf die Probleme in Folge des engen Zeitplans und der ungewohnt hohen Belastungen für die Spieler. Auch die Niederlage in Sevilla, das 0:6 gegen Spanien, versuchte er einzuordnen. „Jogi war nicht in der Halbzeit in der Kabine und hat geheult“, sagte er. Und dass die Mannschaft ein Sauhaufen sei, „das kann ich absolut negieren“.

Klopp hat Kredit ohne Ende, Löw seinen längst verbraucht

In diesem Zusammenhang präsentierte Bierhoff ein Zitat des Bundestrainers, der nach dem 0:6 gesagt hatte, er könne nicht erklären, wie ein solches Spiel zustande komme. Daneben stellte Bierhoff ein Zitat von Jürgen Klopp, der nach dem 2:7 des FC Liverpool gegen Aston Villa gesagt hatte, er könne nicht erklären, wie ein solches Spiel zustande komme. Doch während der eine – Klopp – hierzulande als tatkräftiger Anpacker gilt, steht der andere – Löw – längst als Zweifler und Zauderer da.

Genau das ist Löws Problem. Und damit auch das des DFB. Die Stimmung ist gegen ihn, und gegen die Stimmung lässt sich nur schwer mit Fakten anargumentieren. Ja, das ist unfair. Aber das interessiert die Stimmung im Zweifel eben nicht.

Der Unterschied zwischen Klopp und Löw ist: Klopp hat jeden Kredit, den man sich vorstellen kann. Löw hat seinen längst verspielt. Und das wird das ganze Projekt auch in Zukunft immer wieder in Gefahr bringen. Denn die Grundsatzfrage bleibt doch: Wie ernst meint es der DFB mit dem Neuanfang, wenn er ihn jemandem anvertraut, der als normaler Arbeitnehmer kurz vor der Rente stünde und sich in fast anderthalb Jahrzehnten im Amt einfach schon verbraucht hat?

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