Vierschanzentournee: Markus Eisenbichler: Plötzlich Hoffnungsträger
Nach der Hälfte der Vierschanzentournee ist Markus Eisenbichler die klare Nummer eins der deutschen Skispringer. Dabei musste er sich bisher meist hinten anstellen.
Markus Eisenbichler spielt gerne Golf. „Weil man da abschalten kann, sich aber trotzdem bei jedem Schlag konzentrieren muss“, sagt er. Da ein Ausflug zu einem Golfplatz für die deutschen Skispringer am Montag in Seefeld nicht auf dem Programm stand, Eisenbichler am einzigen Ruhetag der Vierschanzentournee aber trotzdem etwas abschalten wollte, bevor es an diesem Dienstag mit der Qualifikation für das dritte Springen in Innsbruck weitergeht (14 Uhr/ARD und Eurosport), begab er sich in die Sauna. „Um ein bisschen die Seele baumeln zu lassen und darüber nachzudenken, was ich bisher bei der Tournee gemacht habe“, sagte er und ergänzte schnell: „Um das in Innsbruck noch besser zu machen.“
Dieser Nachschub ist sehr charakteristisch für ihn. Eisenbichler steht bei dieser 65. Vierschanzentournee so gut da wie noch nie. Er ist Vierter in der Gesamtwertung, überhaupt bestreitet er gerade die beste Saison seiner Karriere. Aber ganz zufrieden ist er dennoch nie. Er strebt immer nach der absoluten Perfektion. „Ich realisiere schon: Es ist brutal, was ich in Garmisch geleistet habe“, sagte er. Diese kurze Genugtuung hält den eher zurückhaltenden Eisenbichler jedoch nicht davon ab, weiter zu feilen: „Es gibt noch ein paar Stufen für mich. Wenn du Leistungssport betreibst, willst du auch gewinnen.“
2012 stand Eisenbichlers Karriere auf der Kippe
Vom Gewinnen war Eisenbichler allerdings lange Zeit sehr weit weg. Seit der 25-Jährige aus Siegsdorf im oberbayerischen Landkreis Traunstein 2011 sein erstes Weltcup-Springen absolvierte, landete er meist auf den Plätzen, die nur wenig beachtet werden. Seine beste Gesamtplatzierung bei der Vierschanzentournee ist bisher Rang 54 vor fünf Jahren. Im September 2012 stand dann seine Karriere bereits vollends auf der Kippe. Bei einem Trainingssprung in Oberstdorf stürzte er schwer, er brach sich einen Brustwirbel, vier weitere waren angebrochen. Doch Eisenbichler erholte sich. „Da war mir klar, wenn ich weiter mache, dann richtig“, sagte er. In der Saison 2014/15 war er dann konstant gut dabei, wurde 15. im Gesamtweltcup, doch im vergangenen Winter rutschte er wieder in ein Leistungstief. Mit Gesamtrang 39 befand er sich unter ferner liefen.
Derzeit ist Eisenbichler der mit Abstand beste deutsche Skispringer. Er ist Fünfter im Gesamtweltcup, bei den bisherigen neun Wettkämpfen dieser Saison kam er achtmal unter die besten zehn. Von einem Athleten, der auch in den Medien lange nur eine Nebenrolle spielte, ist er nun zu einem der Hauptdarsteller geworden. Auch die Boulevard-Zeitungen haben natürlich schon einen knackigen Spitznamen für ihn ersonnen: Eisi.
Bundestrainer Werner Schuster sieht in der ungewohnten Situation denn auch Eisenbichlers größte Herausforderung. „Die Hürde für ihn ist es, sich mit dieser neuen Rolle zu identifizieren und zu sagen: Hey, ich kann das. Ich gehöre dahin“, betont der Österreicher. „Markus hatte viele Erlebnisse, wo er sich anstellen musste. Und jetzt auf einmal kann er alle schlagen. Das musst du dir dann auch zutrauen.“
„Er ist jetzt unser Hoffnungsträger“
Doch Schuster ist überzeugt, dass Eisenbichler auch dieser Schritt gelingt. „Er wächst in seiner Persönlichkeit und ist stabilisiert“, sagt der Bundestrainer. „Er ist jetzt unser Hoffnungsträger.“ Denn während Severin Freund, sonst stets bester Deutscher, mit den Nachwehen seiner Hüftoperation und der langen Pause im Sommer kämpft, kann sich Eisenbichler noch Chancen auf das Podest bei dieser Tournee ausrechnen.
Diese Entwicklung vollzog sich nicht von heute auf morgen. Seit dem Sommer geht es für ihn aufwärts. Er hat seine Technik etwas umgestellt und kann seine Athletik nun besser im Flug umsetzen. Eisenbichlers starke Form zeigt erneut, wie sehr es im Skispringen auf die Kleinigkeiten ankommt. „Fliegerisch war er schon immer sehr gut“, sagt Schuster.
Eisenbichler springt extrem symmetrisch und hat stets eine hervorragende Position in der Luft. So kann er auch nach nicht so idealen Absprüngen noch gut fliegen. „Markus arbeitet nie gegen den Ski, hebt immer seinen Körperschwerpunkt an und hat ein tolles Gefühl“, sagt der Bundestrainer. Und weil Eisenbichlers Flugsystem derzeit so perfekt ist, funktioniert alles besser. „Er muss über weniger Sachen nachdenken, der Sprung läuft und er baut weiter Selbstbewusstsein auf“, betont Schuster.
Das alles hilft Eisenbichler bei der Konzentration auf das Wesentliche. „Ich habe gelernt, mit dem Druck umzugehen. Wenn man sich selber zu viel davon macht, steht man einfach zu sehr unter Strom“, betont Eisenbichler. „Ich gehe die Springen jetzt gelassener an. Man muss in manchen Dingen einfach cooler werden.“ Und daran wird er sich auch in Innsbruck halten.
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