zum Hauptinhalt
Seinen größten Vorbildern könnte der mittlerweile volljährige Lukas Reichel in Zukunft regelmäßig begegnen.
© imago images/Eibner

Eisbären-Talent vor Wechsel in die NHL: Lukas Reichel wartet sehnsüchtig auf den Draft

Drei deutsche Eishockeytalente stehen auf den Wunschlisten der NHL-Klubs in den USA – darunter auch Berlins Lukas Reichel.

Als Lukas Reichel im vergangenen September zum bislang einzigen Mal neben den Stars aus der National Hockey League (NHL) auf dem Eis stand, war die gefühlte Distanz noch groß. Da bestritten die Eisbären Berlin, bei denen der damals 17 Jahre alte Angreifer gerade in seine erste Profisaison gestartet war, ein Testspiel gegen die Chicago Blackhawks in der Arena am Ostbahnhof. „Ich habe beim Bully neben Patrick Kane gestanden, das ist einer meiner Lieblingsspieler. Das war natürlich eine Riesensache“, sagt Reichel. Zwar ergab sich keine Möglichkeit, mit dem 31 Jahre alten Weltstar aus den USA zu sprechen – „aber ich war in der Kabine von denen und habe den Schläger von Kane angefasst“, verrät Reichel, den die NHL am Donnerstag mit anderen deutschen Talenten zu einem Videointerview versammelt hatte.

Mit solcher Ehrerbietung dürfte es bald vorbei sein. Der mittlerweile volljährige Angreifer könnte seinem Vorbild schließlich in Zukunft regelmäßig in der besten Eishockeyliga der Welt begegnen – und das auf Augenhöhe. Nach einer bemerkenswerten Spielzeit bei den Eisbären hat er gute Chancen, im Draft – dem Verfahren, mit dem die NHL-Teams alljährlich die besten Nachwuchsspieler aus aller Welt unter sich aufteilen – schon in der ersten Runde ausgewählt zu werden. Welcher Klub sich seine Dienste letztlich sichern wird, ist Reichel ziemlich egal. „Die NHL ist sehr konstant“, sagt er. „Klar gibt es bessere und schlechtere Mannschaften, aber man muss sich überall beweisen, und jedes Team hat seine Superstars.“

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen:leute.tagesspiegel.de]

Unklar ist noch, wann der Angreifer den Namen seines zukünftigen Arbeitgebers erfahren wird. Die Coronavirus-Krise hat auch den Zeitplan der NHL gehörig durcheinandergebracht: Im März wurde die Hauptrunde abgebrochen, vor wenigen Tagen fiel die Entscheidung, im Laufe des Sommers mit einem geänderten Modus sofort in die Play-offs zu starten. Erst danach soll der Draft stattfinden, einen Termin gibt es bislang nicht.
Sicher ist hingegen, dass deutsche Nachwuchsprofis dann eine außergewöhnlich große Rolle spielen werden. Neben Reichel dürften auch die Angreifer John-Jason Peterka vom EHC München und Tim Stützle, der zuletzt für die Adler Mannheim spielte, schon früh ausgewählt werden. Der 18 Jahre alte Stützle gilt Experten aktuell sogar als größtes europäisches Eishockeytalent. „Mein Ziel ist es auf jeden Fall, unter den Top drei gezogen zu werden“, sagt der gebürtige Viersener.

Reichel schaut sich alle Auftritte von Leon Draisaistl an

Damit würde Stützle mit dem wohl besten deutschen Eishockeyspieler aller Zeiten zumindest gleichziehen. Leon Draisaitl, der gerade mit der Art-Ross-Trophy für den punktbesten Profi der NHL-Hauptrunde ausgezeichnet wurde, war 2014 an dritter Stelle ausgewählt worden. Der 24 Jahre alte Angreifer von den Edmonton Oilers ist inzwischen nicht nur auf dem Eis ein Vorbild für die nächste Generation hiesiger Talente. Sie hoffen auch darauf, dass er mit seinen Erfolgen dem gesamten deutschen Eishockey nach dem Gewinn der Olympia-Silbermedaille vor zwei Jahren einen weiteren wichtigen Schub geben kann.

„Leon hat eine unglaubliche Saison gespielt, das muss ihm erstmal einer nachmachen. Es stand jetzt sehr viel in den Medien, was vorher nicht so der Fall war“, sagt Stützle. „Auch wie er sich in der Öffentlichkeit gibt, macht einen sehr guten Eindruck. Ich denke, er wird für viele Jugendliche und kleine Kinder ein Vorbild sein.“

Auch Reichel verfolgte Draisaitls Auftritte genau: „Die Highlights habe ich mir nach jedem Spiel angeschaut. Es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen“, sagt er. In einer Hinsicht sieht er seine Altersgenossen gegenüber dem gebürtigen Kölner, der bereits als Junior nach Nordamerika ging, sogar im Vorteil: Wie Eisbären-Coach Serge Aubin scheuen sich mittlerweile viele Trainer nicht mehr, talentierte Teenager gegen gestandene Profis in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) einzusetzen. „Ich bin jetzt nicht der körperlich Stärkste, und mich hat das sehr viel weitergebracht“, sagt Reichel. „Man muss sich einfach in den Zweikämpfen ein bisschen schlauer anstellen, wenn man gegen erfahrene, ältere und schnellere Leute spielt, die auch ein bisschen mehr Körper haben.“

Zur Startseite