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Stark am Puck. Mannheims Tim Stützle wird eine ähnliche Karriere zugetraut wie sie der frühere Adler-Stürmer Leon Draisaitl derzeit in der NHL hinlegt.
©  Masterpress/Imago

Eishockey-Talent Tim Stützle: Leon Draisaitl 2.0

Tim Stützle ist mit gerade mal 17 Jahren bei den Adler Mannheim schon Führungsspieler – und gilt als nächster deutscher Eishockeystar.

Der junge Mann wirkt unbekümmert. Oder gibt sich Mühe, unbekümmert zu wirken. Ist ja auch nicht normal, dass ein junger Spieler wie Tim Stützle schon eine Männermannschaft im Profisport anführt. Der Teenager spielt es herunter: „Es macht unglaublich viel Spaß, jeden Tag hier in Mannheim in die Arena zu kommen und mit den Jungs zu trainieren. Das ist einfach eine coole Sache.“

Stützle ist gerade einmal 17 Jahre jung und mit 1,80 Meter nicht riesig für einen Stürmer, aber er ist kräftig. Das jugendliche, kantige Gesicht strahlt die Entschlossenheit aus, mit der er auch auf dem Eis zu Werke geht. Da kann er all das, was einen außerordentlichen Eishockeyspieler ausmacht.

Die Späher der NHL sind Dauergäste in Mannheim

Bei den Adler Mannheim ist der Stürmer schon in seiner ersten Saison in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) der Mann für alle Spielsituationen. Wenn Stützle antritt, ist er nach einem Schritt oft schneller als viele seiner Mitspieler beim Deutschen Meister nach zwei Schritten. Er läuft allen davon, er wirbelt, organisiert das Spiel und bereitet Tore vor – so wie am Freitag beim 7:3-Erfolg der Adler gegen die Eisbären Berlin. Da gelang ihm bereits die 13. Torvorlage im 20. Spiel.

Zum Vergleich: Der bisher beste Vorlagengeber der Berliner, die am Sonntag Augsburg empfangen (17 Uhr, Arena am Ostbahnhof), ist Maxim Lapierre mit zehn Assists. Doch der Kanadier hat schon eine gute Karriere in der National Hockey League (NHL) hinter sich und ist 34. Tim Stützle hat seine Karriere noch vor sich. Er gilt in Europa als der beste Außenstürmer seines Jahrgangs.

Das wissen sie natürlich längst in Nordamerika. Die Späher der NHL sind Dauergäste in Mannheim, denn dort passiert seit geraumer Zeit viel. Leon Draisaitl hat hier im Nachwuchs gespielt und ist in der NHL aktuell bester Stürmer überhaupt. Und erst in der vergangenen Saison haben die Späher aus Nordamerika Moritz Seider aus Mannheim weggelockt, der Verteidiger ging im sogenannten Draft der NHL als Nummer sechs an die Detroit Red Wings. Die Rechte an Draisaitl sicherten sich vor ein paar Jahren die Edmonton Oilers an dritter Stelle. Und es ist wahrscheinlich, dass Tim Stützle im Frühjahr ähnlich hoch gehandelt wird beim NHL-Draft. Viele Experten glauben, dass er der nächste Draisaitl werden kann.

Tim Stützle stammt aus Viersen, vor zwei Jahren ist er vom Krefelder EV zu den Adlern gewechselt. Die Nachwuchsarbeit in Mannheim findet – wie bei RB München – auf einem anderen Level statt als bei anderen Klubs in der DEL. Sie machen in Mannheim mehr für die jungen Spieler, erwarten aber auch mehr von ihnen. So bekommt Stützle von seinem Trainer Pavel Gross die Verantwortung auf dem Eis und die erfahrenen Spieler im Team, sagt der Spieler selbst, helfen ihm „jeden Tag besser zu werden“. Er lerne viel Disziplin, mit Arroganz komme er nicht weiter. „Natürlich habe ich das so nicht erwartet vor einem Jahr, wie es hier läuft. Aber erst einmal muss ich den Ball flach halten.“ Oder eben den Puck.

Stützle spielt im Dezember die U-20-WM

Stützle ist trotzdem sicher, dass er im Frühjahr beim Draft in der NHL vor Ort sein wird. Aber Mannheim sei ihm noch näher als Nordamerika. Denn es spielen viele Faktoren hinein, wenn man in eine andere, größere Eishockeywelt wechseln will. Das will gut vorbereitet sein. Er telefoniere viel mit dem Moritz Seider, den er gut kennt aus dem Nachwuchs, sagt Stützle. „Moritz spielt jetzt nur im Farmteam, in der AHL. Aber er wird seinen Weg machen. Wir sprechen nicht nur über Eishockey, sondern auch über sein Leben in den USA. Natürlich denke ich im Hinterkopf schon mal daran, aber erst einmal will ich die WM spielen im Dezember.“

„Die WM“ ist die U-20-WM. Es gibt ja im Mai 2020 auch noch eine Weltmeisterschaft für die Senioren. Will er die im Fernsehen verfolgen? „Lieber aus der Nähe“, sagt Stützle. „Ich versuche, alles dafür zu geben. Aber am Ende liegt die Entscheidung bei Toni.“ Dass er Toni Söderholm nur beim Vornamen nennt, zeugt von viel Nähe zum Bundestrainer und von der Entschlossenheit, ganz nach oben zu wollen.

Woran liegt es denn seiner Meinung nach, dass so viele Menschen mit nordamerikanischem Akzent bei Spielen der Adler auf der Tribüne sitzen? Der Mann mit dem Blondschopf schmunzelt und sagt dann: „Vielleicht wollen die sich mal ein gutes Eishockeyspiel angucken.“ Unbekümmertheit ist eben das beste schützende Kleid in so einer exponierten Situation, in der Tim Stützle gerade ist.

Claus Vetter

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