Big Four – die US-Sport-Kolumne: Luka Doncic erobert die NBA
Die Karriere des großen Dirk Nowitzki neigt sich dem Ende zu. Die Mavericks haben aber womöglich einen würdigen Nachfolger gefunden.
Kobe Bryant, Tim Duncan, Dirk Nowitzki: Es gibt diese Spieler, die untrennbar mit einem Team verbunden sind. Spieler, die ihrem Team nicht nur Erfolg gebracht haben, sondern auch die Kultur ihrer sportlichen Heimat maßgeblich geprägt haben. Seit dieser Saison ist Dirk Nowitzki der NBA-Spieler, der die meisten Saisons ohne Unterbrechung bei einer Mannschaft absolviert hat. 21 Spielzeiten sind es nun für die Dallas Mavericks. Das unterstreicht Nowitzkis Status als loyaler Typ, der immer lieber in Dallas Titel gewinnen wollte, als sich dafür einfach einem besseren Team in einer anderen Stadt anzuschließen. Es zeigt aber auch, dass Nowitzki alt geworden ist. Im Juni wird der große Blonde 41 Jahre alt und sieht man ihn dieser Tage über die Parkettböden der NBA-Arenen staksen, erkennt man schnell, dass der Körper den über 1400 Partien in der besten Basketballliga der Welt Tribut zollt.
Doncic ist kein normaler Rookie
Nun ist das nichts Neues. Die Dallas Mavericks befinden sich im Umbruch, die Post-Nowitzki-Ära wurde schon vor Jahren behutsam eingeleitet. Neu ist allerdings, dass die Texaner, da gibt es nach nur einer halben NBA-Saison bereits kaum noch Zweifel, den Erben des Würzburgers gefunden haben. Der 19-Jährige Luka Doncic hat seit Saisonbeginn das Ruder übernommen. Nacht für Nacht liefert der Slowene als Rookie Leistungen ab, die denen eines erwiesenen NBA-Stars gleichkommen. Nowitzki, der vermutlich beste europäische Basketballspieler aller Zeiten, übergibt das Zepter in Dallas also an den nächste Europäer. Die kontinentale Herkunft ist aber auch das einzige, das die beiden Spieler eint. Abgesehen davon könnten sie unterschiedlicher kaum sein.
Als Dirk Nowitzki 1998 sein NBA-Abenteuer startete, war er ein No-Name aus Deutschland, der mit dem Spiel in Amerika zunächst so große Probleme hatte, dass er seine Zelte nach nur einem Jahr wieder abbrechen wollte. Luka Doncic war, bevor er 2018 in der jährlichen Talentewahl der NBA-Teams an dritter Steller von den Atlanta Hawks ausgewählt und sofort nach Dallas transferiert wurde, bereits ein Name im Weltbasketball inklusive breitaufgestellter Titelsammlung: Als 13-Jähriger verließ er seine Heimatstadt Ljubljana und schloss sich Real Madrid an. Als 16-Jähriger feierte er bereits sein Debüt bei den Profis und im gleichen Jahr die spanische Meisterschaft, zwei weitere sollten folgen. Als 18-Jähriger gewann er mit Slowenien die Europameisterschaft und trug dazu durchschnittlich starke 14 Punkte und acht Rebounds bei. Kurz darauf triumphierte er mit Real Madrid in der Euroleague, dem wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb im Basketball, und wurde zum wichtigsten Spieler der Hauptrunde und des Final Fours des Turniers ausgezeichnet.
Stephen Curry: "Er ist unglaublich"
Die überragenden Leistungen des Teenagers, gepaart mit dem außergewöhnlichen Spielstil, der die Disziplin der europäischen Schule mit einer ordentlich Prise Spielwitz vereint, brachten ihn dem Ruf eines kostbaren Juwels ein, das das sportliche Schicksal einer ganzen Mannschaft verändern kann.
Nun ist es mit den ersten Saisons der hochgelobten Rookies manchmal so eine Sache. Nicht selten brauchen diese jungen Erwachsenen, speziell die Europäer, eine Eingewöhnungszeit, die sich manchmal über mehrere Wochen, in vereinzelten Fällen aber auch über Jahre ziehen kann. Nowitzki ist dafür das beste Beispiel.
Nicht so aber bei Doncic. Der konnte sein Spiel von Anhieb auf das der NBA übertragen und ist der Hauptgrund dafür, dass die Dallas Mavericks in einer bärenstarken Western Conference mit 20 Siegen und 24 Niederlagen eine achtbare Saison spielen. 20 Punkte, fünf Assists und sechs Rebounds liefert Doncic pro Spiel ab und erntet Nacht für Nacht Lob und Anerkennung von den besten Spielern der Welt: "Er ist unglaublich", sagt Stephen Curry von den Golden State Warriors, der bereits zweimal als wertvollster Spieler der NBA ausgezeichnet wurde. LeBron James inkludierte Doncic jüngst in einer Aufzählung der besten Spieler der Liga.
Auch Dirk Nowitzki, der ihn täglich erlebt, ist beeindruckt: "Als ich damals hierherkam, wollte ich einfach nur reinpassen. Ich hatte kaum Selbstvertrauen. Er kam dagegen mit einer Einstellung, als ob er von Anfang an wüsste, dass er unser wichtigster Spieler sein wird". Vor allem die Erfahrung, die er bereits auf Profi-Ebene in Europa sammeln konnte, würde Doncic von vielen anderen Rookies, die zuvor "nur" am College gegen andere Studenten spielten, abheben: "Ich habe ihm gar nicht so viele Tipps dazu geben müssen, wie man in dieser Liga spielt. Er weiß es einfach. Es wirkt, als würde er schon zehn Jahre hier spielen."
Als die Mavericks Anfang Dezember zweieinhalb Minuten vor Schluss gegen die Houston Rockets mit acht Punkten hinten lagen, erzielte Doncic elf Punkte in Serie und brachte seinem Team dem Sieg. Den Schlusspunkt setzte er dabei mit seinem Markenzeichen, dem Step-Back-Dreier: Doncic täuscht an, zum Korb ziehen zu wollen, um dann abrupt mit einem Dribbling abzustoppen, zwei lange Schritte hinter die Dreierlinie zu machen und von dort zu werfen.
Wenig später traf er in Portland mit dem Ablaufen der Spieluhr einen eigentlich unmöglich Dreier aus der Ecke im Zurückfallen. Dabei hatte er nur 0,6 Sekunden Zeit, um den Ball zu fangen und sofort wieder zu werfen. "Ich fühle mich bei diesen Würfen sehr wohl. Ich habe keine Angst", sagt Doncic, der sogar seine eigenen Erwartungen übertrifft: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich schon so früh einen solchen Einfluss haben würde." Aktionen wie die in Portland könnten dafür sorgen, dass Doncic beim diesjährigen All-Star-Game, dem prestigeträchtigen Schaulaufen der besten NBA-Spieler, bereits mitwirken könnte. Die Fans wählen im Internet die Starter des Spiels, Doncic liegt mit über zwei Millionen gesammelten Stimmen voll auf Kurs und noch vor Superstars wie Kevin Durant von den Warriors oder Anthony Davis aus New Orleans.
Dirk Nowitzki wird mit dem All-Star-Game sehr wahrscheinlich nichts mehr zu tun haben. Wie lange er überhaupt noch spielen wird, ist unklar. Eventuell will der einmalige NBA-Champion sogar noch ein Jahr dranhängen. Sollte es ihn nach dieser Saison doch in den Ruhestand verschlagen, wäre für sein Erbe bei den Mavericks mit Luka Doncic gesorgt. Einem Spieler, der die NBA-Landschaft in den nächsten Jahren maßgeblich mitbestimmen wird.
Louis Richter