WM 2014: Markus Merk zur Beißattacke: "Luis Suarez verfügt über einen erstaunlichen Biss"
Der frühere Schiedsrichter Markus Merk ist im zweiten Leben Zahnarzt. Im Interview spricht er über Fehlentscheidungen, Tätlichkeiten – und das Gebiss von Luis Suarez.
Markus Merk, Sie sind nicht nur Schiedsrichter, sondern auch Zahnarzt. Deshalb die Frage: Müssen wir uns Sorgen um die Zähne von Luis Suarez machen?
Unser Gebiss ist zwar nicht originär dafür gemacht, um in menschliche Schultern zu beißen, aber das werden die Zähne aushalten. Viel eher mache ich mir Sorgen um den armen Giorgio Chiellini. Schließlich verfügt Suarez über einen erstaunlichen Biss, das hat er ja schon in der Vergangenheit mehrfach bewiesen.
Wie hat der Dentist Merk auf diese Situation reagiert?
Ich habe meine Praxis zwar schon vor neun Jahren verkauft, aber vielleicht sollte ich jetzt über ein Comeback als Zahnarzt nachdenken – der Fußballwelt zuliebe. Herr Suarez bekommt dann von mir auch eine kostenlose Behandlung, das hake ich als soziale Dienstleistung ab.
Wie würde diese Behandlung dann aussehen?
Nun ja, da gibt es diverse Möglichkeiten. Eine Biss-Schiene wäre eine Alternative, allerdings kann die ja vom Träger problemlos beseitigt werden. Möglicherweise würde ich mich da an dem Spruch orientieren, der einst für allzu bissige Personen erfunden wurde: „Dem muss mal einer den Zahn ziehen.“ Wie das genau beim Patienten Suarez aussehen könnte, würde ich dann nach der ersten Vorsorgeuntersuchung entscheiden.
Und was sagt der Schiedsrichter Merk zu dieser Szene?
Dass das eine glasklare Tätlichkeit war, darüber müssen wir ja nicht diskutieren.
Ihre Schiedsrichterkollegen stehen seit dem Eröffnungsspiel in der Kritik. Wie beurteilen Sie die Leistungen Ihrer Nachfolger?
Es ist schon erstaunlich, wie viel die Unparteiischen bei dieser WM durchgehen lassen. Außerdem vermisse ich eine klare Linie. Man weiß nie, wann es nun eine Gelbe Karte gibt und wann nicht. Und trotzdem ist die zum Teil scharfe Kritik meiner Meinung nach nicht gerechtfertigt.
Inwiefern?
Die Schiedsrichter bei dieser WM haben in den vergangenen drei Jahren ausführliche und sehr intensive Schulungen durchlaufen, die extrem viel Zeit und Geld gekostet haben. Wenn man den Aussagen der Fifa glauben darf, sind die Unparteiischen also perfekt auf ihre Turnierteilnahme vorbereitet worden. Deshalb muss ich auch einem meiner kommentierenden Ex-Kollegen widersprechen, der nach einer fehlerhaften Schiedsrichterleistung davon sprach, dass besagte Herren jetzt „üben, üben, üben“ müssten. Ich glaube, dass die Kritik die Falschen trifft.
Wie meinen Sie das?
Ein Beispiel: Dass Yuichi Nishimura, der Schiedsrichter vom Eröffnungsspiel, zwar gute Veranlagungen vorzuweisen hat, aber eben auch noch entscheidende Mängel, war mir bereits nach fünf Minuten klar. Vielleicht muss man sich dann doch eher fragen, warum Nishimura für so ein wichtiges Spiel eingeteilt wurde, wenn man ihn vorher drei Jahre lang geschult und beobachtet hat. Die Kritik sollte also eher die Verantwortlichen treffen und nicht die Schiedsrichter.
ARD-Experte Mehmet Scholl stellte jüngst die These auf, dass Schiedsrichter aus vermeintlich kleinen Fußballnationen nicht in der Lage seien, bei einer WM zu pfeifen.
Seit ich dabei bin, habe ich diesen Vorwurf bei jedem Turnier gehört. Schiedsrichter aus den „Dritte-Welt-Ländern“ des Fußballs seien nicht gut genug für die WM. Das widerspricht doch dem Grundgedanken einer globalen Meisterschaft! Ich finde, dass Schiedsrichter aus so vielen Ländern wie möglich bei einer WM nicht nur pfeifen dürfen, sondern müssen.
Das Gespräch führte Alex Raack.