Hertha BSC: Luhansk vor Augen, Wolfsburg im Sinn
Hertha BSC braucht in der Europa League einen Sieg. Doch die Liga ist für die Berliner im Moment wichtiger.
Das Schöne an Berlin ist: Man braucht keinen Kalender, um zu wissen, wann der November angefangen hat. November ist, wenn die letzten Blätter von den Bäumen fallen, wenn der Himmel für die nächsten Monate bis Februar, manchmal auch bis März, eine undefinierbare Einheitsfarbe annimmt, und gelegentlich leichter Nieselregen fällt. Oder kurz zusammengefasst: November ist in Berlin nur ein anderes Wort für Grau.
November ist aber auch der Monat, wenn bei Hertha BSC die mäßigen Zuschauerzahlen noch ein bisschen mäßiger werden, weil: siehe oben.
Es ist natürlich ein bisschen gemein, dass das erste Spiel des neuen Monats ausgereichnet eins in der Europa League ist. Am Donnerstagabend (21.05 Uhr, live bei Sky) empfängt der Berliner Fußball-Bundesligist den ukrainischen Erstligisten Sorja Luhansk zum Rückspiel. Acht Grad sind für den Abend angesagt, es soll sogar trocken bleiben – aber auch das wird nicht dazu führen, dass die Berliner und Brandenburger Hertha die Bude einrennen. 20 000 Zuschauer erwartet der Klub, wenn es darum geht, die erste von drei letzten Chancen auf ein Weiterkommen in diesem Wettbewerb noch zu nutzen. November und Europa League, das ist für Hertha die denkbar ungünstigste Kombination.
Und die Mannschaft hat bisher auch nicht unbedingt dazu beigetragen, den Wettbewerb zu rehabilitieren. Drei Spiele (mit zwei Niederlagen und nur einem Punkt) hat es gedauert, bis aus der vermeintlichen Festveranstaltung Europa League eine unangenehme Zusatzbelastung geworden ist. Hertha hätte zu gern bewiesen, dass es anders geht; dass man in Europa reüssieren kann, ohne das Kerngeschäft Bundesliga zu vernachlässigen. Inzwischen haben die Berliner feststellen müssen, dass die normative Kraft des Faktischen auch für sie gilt. Die Belastung durch die Spiele und die Reisen sind ein Faktor, der sich bemerkbar gemacht hat. Der Wettbewerb steht ein bisschen quer im Terminkalender.
Kerngeschäft Bundesliga
„Im Moment hakt es“, sagt selbst Trainer Pal Dardai. Aber das hat ihn nicht überrascht. „Wenn man zu jedem Spiel eine ganze Trainingswoche hat, um die Automatismen passend zum kommenden Gegner einzuüben, ist es einfacher. Diese Zeit haben wir jetzt nicht.“ Drei Spiele hat Hertha in der Europa League bestritten, von den Bundesliga-Begegnungen danach hat die Mannschaft bisher noch keine gewonnen: Es gab je ein 1:1 in Hoffenheim und Freiburg und das 2:2 zu Hause gegen die Bayern. Die Punktausbeute (einer pro Spiel) liegt damit leicht unter dem bisherigen Schnitt der Saison (1,3).
Hertha hat im Sommer Platz zehn in der Bundesliga und das Überwintern im Europapokal als Saisonziel ausgegeben. Inzwischen genießt das Erreichen der Zwischenrunde keine Priorität mehr. Wäre nett, muss aber nicht. Die Berliner haben es vor acht Jahren erlebt, als sie zuletzt international spielten. Auch da hatten sie nach drei Spielen nur einen Punkt, schafften es dank drei Siegen aber noch ins Sechzehntelfinale – am Ende der Saison stieg Hertha dann allerdings als Tabellenletzter aus der Bundesliga ab.
Welches der beiden Spiele in dieser Woche das bedeutendere ist, kann man sich also denken. „Es ist sehr wichtig, was in Wolfsburg passiert“, sagt Trainer Pal Dardai. Nach dem Heimsieg gegen den Hamburger SV am Wochenende soll am Sonntag im Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg die Schubumkehr in der Liga gelingen. Das Spiel gegen Luhansk? Ist im besten Fall eine weitere Chance, sich Selbstvertrauen für das Kerngeschäft zu verschaffen. „Ich werde es genauso machen wie bis jetzt“, hat Pal Dardai angekündigt. „Ich werde rotieren. Wir ziehen das durch, was wir angefangen haben.“ Dass der Ungar gegen die Ukrainer seine beste Elf aufbieten wird, um mit aller Macht noch das Weiterkommen zu erzwingen, ist nicht zu erwarten. Die beste Elf wird am Sonntag in Wolfsburg benötigt.