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Applaus, Applaus. Herthas Trainer Bruno Labbadia feierte bei seinem neuen Klub den perfekten Einstand. Dem Sieg im Debüt gegen Hoffenheim folgte am Freitagabend das 4:0 gegen Union.
© AFP

Bruno Labbadia erobert Herz von Hertha: Liebling Charlottenburg

Durch den Derbysieg mit Hertha BSC widerlegt Bruno Labbadia die Vorbehalte, die es immer noch gegen ihn und seine Arbeit gibt.

Bruno Labbadia tat das, was ein guter Trainer tun sollte: Er hielt seiner Mannschaft den Rücken frei. Als die Spieler von Hertha BSC im Olympiastadion über die Bande hüpften und sich Richtung Ostkurve begaben, um vor den leeren Rängen eine Welle zu starten, stand Labbadia direkt hinter ihnen. Er hob die Hände in die Höhe und applaudierte, wobei nicht ganz klar war, wem sein Beifall galt: Herthas Mannschaft, die den 1. FC Union erstaunlich souverän mit 4:0 bezwungen hatte, oder den nicht vorhandenen Fans in der Kurve, denen unter normalen Umständen der besondere Dank für eine besondere Unterstützung zugestanden hätte.

Es ist natürlich nicht mit Fakten zu belegen, aber vermutlich wäre Labbadia auch von der Kurve gefeiert worden. In erstaunlich kurzer Zeit hat sich der 53-Jährige in Berlin ein Standing erarbeitet, das die wenigsten erwartet hätten, als Hertha ihn vor gut anderthalb Monaten als vierten Cheftrainer dieser Saison präsentiert hat.

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Auch in Berlin hat es die fast schon üblichen Vorbehalte gegen Labbadia gegeben, diesen vermeintlichen Vertreter der alten Trainerschule, der seine Teams in Rekordzeit zu Höchstleistungen zu pushen versteht, denen aber auch schnell wieder die Luft ausgeht. Einigen war diese Lösung nicht originell genug, zu wenig glamourös, gerade für einen Verein, der so gern glänzen will wie die ganz Großen. Und tatsächlich hätte Hertha ja sowohl im vorigen Sommer als auch im Herbst die Möglichkeit gehabt, Labbadia zu verpflichten; beide Male entschied sich der Klub für andere Lösungen, die besser zu den großen Plänen zu passen schienen.

Inzwischen aber ist Bruno Herthas Liebling. Und das durchaus zu Recht, wenn man sich seine Bilanz anschaut: zwei Spiele, zwei Siege, sieben Tore, kein Gegentor – darunter der 4:0-Erfolg im Derby. „Es war nicht zu erwarten, dass wir schon so weit sind“, sagte Labbadia, der nun sogar auf die beste Startbilanz eines Hertha-Trainers verweisen kann. „Wir hatten gar nicht den Anspruch, dass innerhalb von wenigen Tagen schon alles funktioniert. Aber die Mannschaft hat schon extrem viele Sachen umgesetzt.“

Die Spieler denken auch gegen den Ball nach vorne

Und auch wenn man mit allgemeingültigen Aussagen nach zwei Spielen und noch dazu im Überschwang eines Derbysieges vorsichtig sein sollte, so lässt sich schon jetzt festhalten: Labbadia tut Hertha gut. Diesem Verein, der ein Talent darin besitzt, wie ein Komiker aus der Stummfilm-Ära immer wieder über die eigenen Füße zu stolpern.

Die Voraussetzungen, unter denen Labbadia und sein Trainerteam bedingt durch die Coronavirus-Pandemie bei Hertha angefangen haben, waren alles andere als ideal. Trotzdem lässt sich der Effekt seiner Arbeit schon jetzt erkennen. Das Spiel hat eine Struktur, die sich nicht an irgendwelchen Hirngespinsten orientiert, sondern Labbadias sicherem Gespür für das Machbare folgt. „Wir machen viel“, sagt Herthas Trainer. „Aber das Wichtigste ist: Wir machen das, was wir können.“

Dass die Mannschaft gegen Hoffenheim und Union kein Gegentor kassiert hat, spricht für eine defensive Stabilität. Im Derby ließ die Mannschaft nicht einen Schuss des Gegners auf ihr Tor zu. Und trotzdem gingen die Sicherungsmaßnahmen nicht auf Kosten des offensiven Bedrohungspotenzials – weil die Mannschaft auch gegen den Ball nach vorne denkt, als Ganzes aggressiv und höher verteidigt. „Mit dem Fußball, den wir heute gespielt haben, haben wir die Leute für uns gewonnen“, sagte Labbadia. „Die Art und Weise, wie wir die Tore gemacht haben, das hat echt Spaß gemacht.“

Nicht nur die Art des Fußballs, auch die Personalentscheidungen des neuen Trainers erweisen sich bisher als schlüssig. Nach dem Sieg in Hoffenheim nahm Labbadia nur einen Wechsel vor, und das sogar mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. Obwohl er gegen die TSG ein Tor vorbereitet hatte, musste Maximilian Mittelstädt seinen Platz für Vladimir Darida räumen.

Labbadias Plan mit Lukebakio ging auf

Dafür widerstand Labbadia der naheliegenden Versuchung, Dodi Lukebakio aus der Startelf zu nehmen. Der Belgier, vor der Saison für 20 Millionen Euro verpflichtet, hat die hohen Erwartungen bisher generell nicht erfüllen können und auch beim Sieg gegen Hoffenheim war er deutlich abgefallen. Trotzdem ließ Labbadia ihn gegen Union von Anfang an spielen. „Ich habe ihn ein bisschen in die Pflicht genommen“, sagte er. Sein Plan ging auf: Lukebakio traf im Derby zum vorentscheidenden 2:0.

Auch wenn Labbadia in diesem Fall von seinem reichen Erfahrungsschatz profitiert hat, sind seine Personalentscheidungen vor allem faktenbasiert. So wie bei Vedad Ibisevic, der unter Labbadia beide Male von Anfang an spielte und beide Male traf. „Er hat mir eine faire Chance gegeben, und die habe ich genutzt“, sagte Ibisevic. „Ich genieße keine Sonderbehandlung.“

Herthas Kapitän wird im Sommer 36 Jahre alt, seine Zeit bei den Berlinern schien schon so gut wie vorbei zu sein. Doch weder das Alter noch die Vertragssituation haben für Labbadia bei der Zusammenstellung seiner Mannschaft eine Rolle gespielt. Das galt für Peter Pekarik genauso wie für Per Skjelbred und Vedad Ibisevic. „Er hat in jedem Training und in jeder Spielform gezeigt: ,Pass auf, ich will da vorne rein!‘“, sagte Labbadia.

Plausible Personalentscheidungen, eine unerschütterliche Ruhe, die Überzeugung vom eigenen Handeln, eine klare Ansprache und eine positive Außendarstellung – all das hat Hertha nach turbulenten Monaten doch noch zur Ruhe kommen lassen und die Gefahr, ernsthaft in den Abstiegskampf verwickelt zu werden, schon jetzt weitgehend gebannt. „Wir haben einen super Start hingelegt“, sagte Bruno Labbadia. „Aber wir sind keine Träumer und denken: Jetzt ist alles klasse.“

Nach all den Irrungen in dieser Saison hätte er eigentlich sagen müssen: Wir sind keine Träumer mehr.

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