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Schwungvoll zum Erfolg. Laura Dahlmeier führt mit großem Vorsprung den Biathlon-Gesamtweltcup an. „Sie ist einfach außergewöhnlich talentiert. Ihre mentale Stärke ist enorm“, sagt Bundestrainer Gerald Hönig über die 23-Jährige. Foto: AFP/Aimo-Koivisto
© AFP

Biathlon: Laura Dahlmeier steht über allen anderen

Laura Dahlmeier dominiert die Biathlon-Konkurrenz. Ihre Stärke zieht sie auch aus ihrem Hobby Klettern.

Von Johannes Nedo

Ohne derbe Anfeuerungen geht es bei Laura Dahlmeier offenbar nicht. Auf dem Gewehr der Biathletin steht der bayrische Spruch: „Scheiß da nix, dann feid da nix.“ Was auf Hochdeutsch in etwa heißt: „Mach dir keine Gedanken, dann passiert dir auch nichts.“ Derzeit handelt Dahlmeier vollends nach ihrem Motto. Sie zweifelt absolut gar nicht, und wahrscheinlich läuft es auch darum so überragend für die 23-Jährige aus Garmisch-Partenkirchen.

Von den bisherigen fünf Einzelrennen dieser Biathlon-Saison hat Dahlmeier drei gewonnen, einmal wurde sie Zweite – ihre schlechteste Platzierung bislang ist ein vierter Rang. Zuletzt in Pokljuka führte sie obendrein noch die Staffel zum Sieg. Auch bei der dritten Weltcup-Station dieses Winters im tschechischen Nove Mesto, wo an diesem Freitag das Sprintrennen der Frauen ansteht (17.30 Uhr/ARD und Eurosport), gilt Dahlmeier natürlich wieder als große Favoritin. Schließlich ist sie auch mit sehr deutlichem Vorsprung Führende des Gesamtweltcups.

Dieser Höhenflug ist mittlerweile auch Dahlmeier selbst unheimlich. „Ich hoffe natürlich nicht, dass ich derzeit in Überform bin, sondern dass ich mich immer noch steigern kann“, sagt sie. „Es ist schon etwas ganz Besonderes, wenn man das Feld so dominiert und drei Rennen hintereinander gewinnt.“ Schon am Ende der vergangenen Saison gelang ihr Außergewöhnliches. Bei der Weltmeisterschaft in Oslo holte sie den Titel in der Verfolgung und noch vier weitere Medaillen. Spätestens seit dieser WM muss sie auch das viel höhere Medieninteresse und die enorm gestiegenen Erwartungen in der Öffentlichkeit meistern. Zu Saisonbeginn versuchte Dahlmeier daher auch, den Rummel um sich selbst zu bremsen. Sie wolle einfach konstant über den Winter kommen, sagte die Bayerin. Vom Gewinn des Gesamtweltcups oder weiteren WM-Titeln wollte sie erst mal nichts wissen und verkündete keine forschen Ziele.

Das war womöglich vor allem ein Schutz vor Druck von außen. Denn Bundestrainer Gerald Hönig beschreibt Dahlmeier als eine Athletin, die mit ihren Siegen immer weiter gereift ist und daraus auch stets neues Selbstvertrauen zieht. „Sie ist sich ihrer Stärken bewusst. Sie weiß, dass der Fokus nach ihren Erfolgen noch mehr auf ihr liegt. Aber sie kann immer besser damit umgehen“, sagt der 58-Jährige. Überhaupt gerät Hönig ins Schwärmen, wenn er über Dahlmeiers Entwicklung spricht: „Sie ist einfach außergewöhnlich talentiert. Ihre mentale Stärke ist enorm.“ Hinzu kämen besondere konditionelle Fähigkeiten und eine gnadenlose Stabilität beim Schießen. „Sie ist eine der komplettesten Biathletinnen“, betont Hönig.

Dahlmeier zieht viel Kraft und Ruhe aus ihren Bergtouren

All diese Begabungen verdankt Dahlmeier allerdings nicht allein dem harten Biathlon-Training. „Auch koordinativ ist sie sehr stark“, sagt Hönig. „Das ist geprägt von ihrem Hobby.“ Neben dem Biathlon begeistert sie sich überaus für das Bergsteigen und Klettern. Dahlmeier zieht viel Kraft und Ruhe aus ihren Bergtouren. Sie war bereits auf dem Matterhorn, in der Sierra Nevada in den USA und auf dem Montblanc. Und weil sie auch beim Klettern immer nach neuen Zielen strebt, reiste sie im Sommer mit Freunden in das Himalaya-Gebirge.

Vier Wochen lang war sie unterwegs und wagte sich dabei auch auf 6000er-Berge. Den Island Peak nutzte sie zum Gewöhnen an die Höhe. Von dort habe man eine wunderschöne Aussicht auf den Mount Everest, sagt sie. So schwierig die Herausforderungen im Himalaya waren, Dahlmeier genoss sie. „Man hat das Gefühl, man bekommt keinen richtigen Sauerstoff in die Lungen“, sagt sie. „Manchmal musste ich nach einem Schritt in den Bergen schnaufen.“

Beim Aufstieg zum 6814 Meter hohen Ama Dablam wurden ihr und ihren Begleitern dann die Grenzen aufgezeigt. Sie kletterten an steilen, anspruchsvollen Eiswänden hinauf, und als die Wetterverhältnisse immer schlechter wurden, beschlossen sie 300 Meter vor dem Gipfel, abzubrechen und zum Lager zurückzukehren. Auch wenn ihr am Ama Dablam, dem Matterhorn Nepals, der Ausblick vom Gipfel verwehrt wurde, sagt Dahlmeier: „Es war superschön. Ich würde sofort wieder hin.“

Der Urlaub hinterließ bei ihr jedoch nicht nur wegen der Klettertouren Spuren. „Die Menschen dort führen ein einfaches Leben“, schildert Dahlmeier. „Sie haben fast nichts und müssen sehr hart arbeiten, um durchzukommen. Das zu sehen, hat mich geerdet.“

Dahlmeier braucht diese Auszeiten vom Biathlon. Ob nun in den stillen Bergen oder in Nepals lauter Hauptstadt Kathmandu. Rauskommen aus dem Sportkreislauf verleiht ihr neue Energie. „Es ist mir wichtig, dass es für mich noch etwas anderes gibt als Biathlon“, betont Dahlmeier. „Ich muss mir nicht ständig Gedanken um Biathlon machen.“ Wahrscheinlich ist das neben dem Motto auf ihrem Gewehr ein weiteres Geheimnis ihres Erfolgs.

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