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Mental längst erwachsen. Laura Dahlmeier hat beim Klettern und Bergsteigen gelernt, mit anspruchsvollen und kniffligen Situationen umzugehen – eine Stärke, von der die 22 Jahre alte Biathletin auch in ihrem Kerngeschäft profitiert.
© dpa/Schmidt

Biathlon-WM: Laura Dahlmeier: Die Aufsteigerin

Laura Dahlmeier ist bei der Biathlon-Weltmeisterschaft in Oslo die große Hoffnungsträgerin des deutschen Teams.

Von Johannes Nedo

Den Auftakt hat Laura Dahlmeier verpasst. Bei der Mixed-Staffel, die am Donnerstag Silber gewann, war die 22-Jährige nicht dabei, obwohl sie aufgrund ihrer Leistungen in dieser Saison eigentlich dafür gesetzt gewesen wäre. Doch Dahlmeier hatte einen leichten Mageninfekt, war deshalb erst am Mittwoch nach Oslo gereist, und weil sie nichts überstürzen wollte, stimmte sie sich mit den Trainern ab, nicht beim ersten Rennen der Biathlon-Weltmeisterschaft zu starten.

In gewisser Weise ist auch dieser Verzicht ein Beweis ihrer beachtlichen Stärke. Lieber geht Dahlmeier einen Schritt zurück, um dann groß aufzutrumpfen. Nun fühlt sie sich nämlich umso besser für den ersten Einzel-Einsatz bei der WM, wenn an diesem Samstag der Sprint ansteht (14.30 Uhr/ARD). „Ich wäre sicherlich nicht nach Oslo geflogen, wenn ich mich nicht fit fühlen würde“, betont sie.

Diese Herangehensweise beeindruckt besonders ihren Bundestrainer Gerald Hönig. „Laura hat ein unheimlich gutes Gefühl für ihre Form. Sie spürt sehr schnell, wenn sie am Limit ist oder ein Infekt oder gesundheitliche Probleme entstehen“, betont er. „So, dass sie immer sehr konsequent auf solche Situationen reagiert. Wenn sie sagt, sie sei wieder in der Lage mitzulaufen, dann meint sie auch, in der Spitze mitzulaufen, und nicht nur im Feld dabei zu sein. Da ist Laura für ihr Alter schon sehr weit.“

In dieser Saison wurde die Bayerin schon einige Male von Infekten gebremst. Aber wenn sie dann dabei war, verblüffte sie sich, ihre Trainer und das Publikum in schöner Regelmäßigkeit. Vier Weltcup-Rennen gewann Dahlmeier bereits in diesem Winter auf beeindruckende Art und Weise. Wenn sie am Start war, lieferte sie fast immer überragende Leistungen ab. Ohne die gesundheitlichen Wehwehchen wäre sie die Kandidatin für den Gesamtweltcup gewesen – und das mit erst 22 Jahren.

Dahlmeier hatte in dieser Saison immer wieder gesundheitliche Probleme

Darum ist sie nun bei der WM die große Hoffnungsträgerin der deutschen Frauen-Mannschaft. Neben Franziska Hildebrand trauen ihr die Verantwortlichen des Deutschen Ski-Verbands (DSV) am ehesten zu, Medaillen zu holen. Die Erklärung dafür ist so einfach wie überraschend. Seit Dahlmeier vor drei Jahren zum ersten Mal im Weltcup dabei war, hat sie sich kontinuierlich von einer guten Schützin zu einer fast kompletten Biathletin entwickelt. Sie ist derzeit die deutsche Biathletin, die wirklich das Potenzial hat, Magdalena Neuner zu beerben. Auch wenn sie ein ganz anderer Typ ist. Im Umgang mit der Presse, bei Auftritten im Fernsehen wirkt Dahlmeier eher zurückhaltend, sie ist in diesem Bereich kein Naturtalent wie Neuner.

Das zeigt sich auch an ihren eher gebremsten Ankündigungen vor der WM. „Ich weiß, dass ich als Medaillenkandidatin gehandelt werde, ich selber fühle mich nicht unbedingt als große Favoritin“, sagt sie. „Die Platzierung ist für mich eher zweitrangig.“ Auf der Strecke agiert sie allerdings nicht so wie sie spricht. Da ist sie ähnlich entschlossen wie Neuner. Besonders stellt sie immer wieder unter Beweis, dass sie bereits eine enorme mentale Stärke besitzt.

Woher diese Eigenschaft kommt, ist für sie ganz klar, von ihrer zweiten großen Leidenschaft: dem Klettern und Bergsteigen. Ihr Vater ist Bergführer, seit ihrer Kindheit ist sie in den Alpen unterwegs. „Beim Klettern muss ich mich genau darauf konzentrieren, was ich mache“, betont sie. „Ich muss mich durchbeißen, durchhalten und immer höchste Konzentration zeigen.“ Das helfe ihr dann sehr beim Biathlon. „Auch da muss alles stimmen, besonders am Schießstand. Ein Fehler macht den Unterschied aus.“

Und so kann sie das Klettern einfach nicht lassen. Auch wenn sie 2014 dabei einen Bänderriss erlitt. Sie kehrt immer wieder in die Berge zurück. Im Sommer bestieg sie im Yosemite-Nationalpark in den USA den El Capitan, außerdem die Drei Zinnen und das Matterhorn. Mit Skiern war sie zusätzlich noch auf dem Montblanc. „Ich kann dabei super abschalten und neue Energie tanken.“

Energie, aus der sie beim Biathlon voll schöpfen kann. Und so lautet Hönigs Vorhersage für die WM: „Wir erleben den Beginn einer großen Karriere.“ Da ist es egal, wenn sie den Auftakt verpasst hat.

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