Nach dem 0:6 gegen Bayern: Krisensitzung bei Hertha BSC
Das 0:6 vor eigenem Publikum gegen Bayern München hat bei Hertha BSC Spuren hinterlassen. Am Sonntag stand eine 90-minütige Krisensitzung beim Berliner Bundesligisten auf dem Programm.
Diesmal hält das Bollwerk. Die Abwehrkette bilden vier oder fünf Ordnungskräfte auf Höhe des Schlagbaumes zum Traingsgelände von Hertha BSC. Mit vereinten Kräften halten sie es am Sonntagvormittag den Ansturm von einer Handvoll Hertha-Fans und zwei Dutzend Journalisten stand. Es ist der größtmögliche Gegensatz zu den Bemühungen der Berliner Fußballprofis beim heiteren Scheibenschießen des FC Bayern am Vortag. Sechs Stück hatten die Münchner den Berlinern eingeschenkt, und sie waren dabei noch gnädig gewesen. Es hätte locker auch zweistellig kommen können, aber was macht das jetzt noch für einen Unterschied? Hertha liegt am Boden. Es ist ja nicht neu, dass sich der selbst ernannte Hauptstadtklub in Zeiten wie diesen verbarrikadiert. Es ist ein altes Stilmittel des Klubs, Krisen zu begegnen. Nur jetzt erreicht es eine neue Dimension. Für eineinhalb Stunden, also ein Fußballspiel lang, verschanzt man sich. Es heißt, die Mannschaft habe sich zu einem Krisengespräch mit den Co-Trainern René Tretschok und Ante Covic sowie Michael Preetz zurückgezogen. Der Manager wird sich später dem Auslaufen der Mannschaft anschließen. Es wirkt wie billige Symbolik.
Hat ihn das schlechte Gewissen getrieben? Und: Hätte es den Manager nicht schon längst aus den Amt treiben sollen, nach den vielen Trainerwechseln in dieser Spielzeit? Über solche Fragen diskutieren die Fans hinterm Schlagbaum. Preetz wird später dazu lediglich sagen, dass es diesmal die Abläufe hergegeben hätten, dass er mit dem Team ausgelaufen sei.
Dass Cheftrainer Otto Rehhagel der Aussprache fernbleibt, weil dieser zur selben Zeit den neuen Bundespräsidenten wählt, wird nicht mal mehr als störend empfunden. Spätestens nach dieser Niederlage, die er mit merkwürdigen personellen Umstellungen im Team mindestens begünstigt hat, ist sein Zauber als früherer Trainerkönner rückstandslos verflogen. Seine Äußerungen nach dem Spiel: „Mein Plan war richtig, meine Pläne sind immer richtig“ verdeutlichen die ganze Tragik, die den Verein zu erdrücken scheint. „Es gelingt zurzeit nicht, uns richtig einzustellen“, hatte etwa Christian Lell nach dem Spiel gesagt. „Die Mannschaft muss immer alles ausbaden – so ist das nun mal, weil wir auf dem Platz stehen. Aber es müssen sich einige Sachen ändern, es fehlt an allen Ecken und Enden.“
Es sind Sätze wie diese, die wenig Interpretationsspielraum lassen. Klar, dass Lell anderentags von Preetz zur Rede gestellt wird. In einer nachgereichten Pressemitteilung wird Lell dann dahingehend zitiert, dass er „nichts und niemanden kritisieren“ wollte. Es tue ihm leid, dass dieser Eindruck entstanden sei.
Bei allen ist dabei erstaunlich, mit welchem Gleichmut die vielen tausend Hertha-Fans der Ostkurve die Demontage und Demütigung ihres Teams am Samstag ertragen haben. Es war still in der Kurve, beängstigend still.
Leider ist an diesem Sonntag über Inhalte der Aussprache nicht viel zu erfahren. Man duckt sich hinter dem Argument, wonach interne Dinge intern zu bleiben haben. Nur dummerweise hatte sich die sportliche Bankrotterklärung gegen die Bayern vor der größtmöglichen Stadionkulisse und einer riesigen Fernsehöffentlichkeit zugetragen. Am Tag danach wirkt Hertha hilf- und ratlos.
Die Fans ahnen womöglich, dass ein neuerlicher Abstieg den Verein schwer ins Wanken bringen würde. Bei einigen Amtsträgern des Vereins kann man sich da nicht so sicher sein. René Tretschok, der in den Wirren der x-ten Trainerentlassung zu seinem neuen Job gekommen ist, macht noch den besten Eindruck. Seine Aussagen wirken ehrlich, der frühere Hertha-Spieler und -Nachwuchstrainer bewahrt Haltung. Ein 0:6 sage doch alles, sagt Tretschok. Es gebe nichts schönzureden, die Fehler seien nur bei sich zu suchen. Aber auch er ringt um Worte und Formulierungen. Man werde jetzt versuchen, die Mannschaft aufzurichten, denn „wenn wir so weiterspielen, haben wir keine Chance“, sagt er. „Wir müssen noch mehr reinkommen in die Köpfe der Spieler.“ Einen Umschwung aber schaffe man nur durch „Erfolgserlebnisse, nicht durch Reden“.
Michael Preetz sagt noch, dass die Mannschaft seit Wochen keine Antworten auf die Krise gefunden habe. Man werde weiter danach suchen, sagt er. Der Frage, ob er als Manager in dieser Zeit die richtigen Antworten geben habe, weicht er aus. Es sei nicht der Zeitpunkt, das zu analysieren. Man müsse jetzt sehen, dass man am Ende über dem Strich stehe. Wenn nicht, sollte Hertha also absteigen, ist das auch eine Antwort.