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Erick Kiptanui verpasste den Weltrekord nur knapp.
© AFP

Berliner Halbmarathon: Kiptanuis Sieg von Polizeieinsatz überschattet

Erick Kiptanui verpasst den Weltrekord knapp. Doch am Ende tritt das Sportliche in den Hintergrund: Die Polizei verhinderte womöglich einen Anschlag auf den Halbmarathon.

Mark Milde mochte seinen Augen kaum trauen: Lief da wirklich jemand auf Weltrekordkurs auf seiner Strecke? Der Renndirektor des 38. Berliner Halbmarathons musste sich vom Führungsfahrzeug, das vor Erick Kiptanui aus Kenia herfuhr, erst einmal vergewissern, dass es ein großer Tag werden könnte – jedenfalls aus sportlicher Sicht. Erst nach dem Rennen kam heraus, dass die Polizei möglicherweise einen Anschlag auf das Rennen verhindert hatte.

Kiptanui war kurz nach dem Start an der Karl-Marx-Allee mit seinem Landsmann Vincent Kipchumba den Konkurrenten ausgerissen und passierte die Fünf-Kilometer-Marke in furiosen 13:32 Minuten. Am Ende wurde es dann kein Weltrekord, denn Kiptanui kämpfte ab Kilometer 13 gegen den Wind, und das ohne Pacemaker. Den hatte er gebeten, noch etwas länger zu bleiben, möglichst bis Kilometer 15 – ein Ding der Unmöglichkeit bei diesem Tempo. Trotzdem kann sich Mark Milde beglückwünschen, den Kenianer nach Berlin eingeladen zu haben.

Denn seit Sonntagvormittag um 11.03 Uhr steht ein neuer Streckenrekord beim Halbmarathon: Um 16 Sekunden verbesserte Kiptanui den elf Jahre alten Rekord von Patrick Makau und lief nach 58:42 Minuten ins Ziel. Damit spielt der Berliner Halbmarathon ebenso wie seine doppelt so lange Schwesterveranstaltung in der Weltklasse mit: Kiptanui schaffte nämlich nebenbei noch die viertschnellste jemals gelaufene Zeit über die Halbmarathonstrecke und stellte auf die Sekunde genau die Weltjahresbestleistung seines Landsmanns Bedan Karoki ein. Erst 1:47 Minuten später kam der Zweitplatzierte Emmanuel Kiprono ins Ziel, auf ihn folgte Richard Mengich (beide Kenia) nach 1:00:36 Stunden.

Auch die Frauen übertrafen die Erwartungen und mischten zudem die Dominanz der Kenianerinnen auf: Die Äthiopierin Melat Kejeta, die nach ihrer starken Leistung im niederländischen Venlo als Favoritin galt, kam in 1:09:04 ins Ziel – trotz Handicap. „Ab Kilometer zehn konnte ich meinen Schnupfen merken und musste mit dem Wind kämpfen“, sagte sie nach dem Rennen. Die 26-Jährige ist die deutsche Medaillenhoffnung über die Halbmarathondistanz: Sie lebt seit viereinhalb Jahren als anerkannte Asylempfängerin in Deutschland, gewann 2016 den Deutschen Meistertitel über zehn Kilometer Straßenlauf und wartet seit fünf Monaten auf ihre Einbürgerungsbestätigung. Derweil trainiert sie bei Grün-Weiß Kassel für die Europameisterschaft.

Homiyu Tesfaye ist bester Deutscher

Hinter Kejeta kam die Schweizerin Martina Strähl (1:09:29) ins Ziel und stellte einen neuen Schweizer Landesrekord auf. Sie verbesserte ihre persönliche Bestleistung gleich um satte 2:21 Minuten. Rang drei belegte Anne-Mari Hyryläinen aus Finnland und komplettierte damit ein außergewöhnlich diverses Podium. Bei den deutschen Frauen lief es vor allem für Gesa-Felicitas Krause erfreulich: Die WM- und EM-Bronzemedaillengewinnerin über 3000 Meter Hindernis kam zum ersten Mal bei einem Halbmarathon ins Ziel – unerwarteterweise sogar vor ihrer Trainingskollegin und Halbmarathonspezialistin Katharina Heinig.

Krause stellte mit 1:12:16 eine neue deutsche Jahresbestzeit auf. Sie war scharf angelaufen und hatte Heinig schnell abgehängt. Die hatte zudem Probleme an der ersten Versorgungsstation, wo sie von einer Gruppe Läufer aufgehalten wurde. Trotz des Erfolgs war Krauses Karriere auf der Straße nur eine vorübergehende. „Ich habe immer lieber die Spikes geschnürt als die Straßenlaufschuhe“, gab sie nach dem Rennen zu. „Aber ich habe mich hier sehr wohlgefühlt, deswegen war das Rennen hier ein schöner Abschluss für meinen Ausflug auf die Straße.“ Besonders genoss sie das Publikum in Berlin, das konstant ihren Namen rief und sie konstant anfeuerte und sie ins Ziel trug. Heinings Bilanz fiel dagegen nicht so positiv aus. „Ich komme gerade aus dem Höhentrainingslager und habe gemerkt, dass ich nicht frisch bin“, sagte sie und kündigte für den nächsten Halbmarathon an: „Ich will mehr!“ Heinig schaute dagegen mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf ihr Ergebnis: Zwar stellte sie mit 1:02:44 eine neue persönliche Bestleistung auf, unterbot aber ihre persönlichen Erwartungen.

"Ich komme gerade aus dem Höhentrainingslager und habe gemerkt, dass ich nicht frisch bin, wenn ich direkt aus der Höhe komme", sagte sie nach dem Lauf. "Eigentlich sollte da schon eine 70 vor der Endzeit stehen", fügte sie hinzu. Sie will nun die Lehren aus dieser Erfahrung ziehen und beim nächsten Halbmarathon ihre Ankündigung "Ich will mehr!" umsetzen.

Von den deutschen Männern war wie erwartet Homiyu Tesfaye der erste, der über die Ziellinie am Kino International lief. Zwar blieb er mit 1:02:13 hinter seiner persönlichen Bestleistung von 1:01:20 und dem angestrebten Deutschen Rekord von 1:00:34 zurück. Allerdings lief er auch über weite Strecken alleine und schaffte es nicht, sich dauerhaft einer Gruppe anzuschließen, um sich vor dem Wind zu schützen.

Philipp Pflieger überwand sein Berlin- Trauma nach dem Kollaps beim Marathon im vergangenen Herbst und stellte in 1:03:14 ebenfalls eine neue persönliche Bestleistung auf. Wie die meisten der europäischen Elite-Athleten ist sein Ehrgeiz in dieser Saison komplett auf nur ein Ereignis gerichtet: „Ich muss jetzt noch nachsitzen und beim Hamburg-Marathon die Norm schaffen, damit ich hier im August bei der Leichtathletik-EM antreten kann. Die Leistung hier stimmt mich ganz zufrieden für die Vorbereitung.“

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