Vor dem Start beim Berliner Halbmarathon: Hans Sarpei weiß sich zu verkaufen
Er ist erst nach seiner Fußballkarriere richtig groß rausgekommen und überall bekannt geworden. Am Sonntag präsentiert sich Hans Sarpei beim Halbmarathon.
Ein Blender ist er nicht, dieser Hans Sarpei. Wo andere bei Stehtischempfängen knallhartes Selbstmarketing betreiben, lässt er komplette Ehrlichkeit walten. Entwaffnend könnte man sie gar nennen. Beim Mittagessen vom Büffet im Hotel Intercontinental, zwischen Smalltalk und Netzwerkerei legt er seine Karten offen auf das runde Stehtischchen und erklärt die Geschichte hinter seinen Hochglanzfotos auf Instagram und Facebook. Man sieht ihn dort am Boxsack baumeln, sein „Sexy Friday“-Lächeln beim Bizepstraining aufsetzen und durch den Tiergarten sprinten, in Vorbereitung auf den Berlin-Halbmarathon, der am Sonntag stattfindet. Hartes Training und Disziplin also? Weit gefehlt. „Wenn ich in Sportklamotten draußen stehe, denken die Leute, ich hätte trainiert“, sagt Sarpei und schiebt die Reste des Salats zur Seite. „Aber das habe ich ja nie behauptet.“
Hans Sarpei hat sich selbst zu einer Marke entwickelt, und als solche ist er eine Projektionsfläche. Selbst wenn man sich kaum für Fußball interessiert, kennt man ihn als Schalkes Chuck Norris, die flotten Sprüche sind der Öffentlichkeit geläufiger als die Information, dass der 41-Jährige 2011 deutscher Pokalsieger mit dem FC Schalke 04 wurde und 193 Spiele in der Bundesliga absolvierte, bei Vereinen wie Wolfsburg, Leverkusen und eben Schalke.
Im Internet kursieren Memes mit Sprüchen wie „Panini sammelt Bilder von Hans Sarpei“ oder „Hans Sarpei hat auch 70% Ballbesitz – aber beim Tennis“. Nach seiner Fußballkarriere machte Hans Sarpei mit dem weiter, was ihm schon damals mehr Bekanntheit verlieh als seine Fußballkünste: Er pflegte seine Facebookseite, richtete Instagram- und Twitteraccounts ein, begann bei Jung von Matt Sports als Praktikant – eine Position, die er bis heute innehat. Er war Berater für Karstadt Sports, hat eine Fernsehsendung auf Sport 1 mit dem Titel „Das T steht für Coach“ und gewann den TV- Tanzwettbewerb „Let’s Dance“ mit einer Choreographie zu Michael Jacksons „Black or White“.
Er weiß, wie man eine Marke aufbaut. Aber wofür steht die Marke Hans Sarpei? Und warum verkauft sie sich so gut?
Bei „Das T steht für Coach“ trainiert Sarpei zusammen mit Peter Neururer Amateurmannschaften. Die beiden eint der Ruhrpott-Humor und das Bestreben, in der schnelllebigen Welt des Fußballs irgendwie am Ball zu bleiben. Ansonsten könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Während Neururer seit seinem letzten Trainerengagement in Bochum die Zeit im Wartestand mit Golfspielen und gelegentlichen TV-Auftritten totschlägt, mag Sarpei nicht warten.
Gehört Neururer noch zur Generation Festanstellung und Verbandskarriere, nimmt Sarpei die Dinge lieber selbst in die Hand. Während andere Ex-Profis nach Vertragsende ohne Struktur und Bestimmung zuhause sitzen und in ein Loch fallen, ging es für Sarpei nahtlos weiter. „In meinem letzten Jahr war ich angeschlagen und war in der Reha“, erinnert er sich an die Schlussphase seiner Profikarriere. „Da bin ich dann reingewachsen in die Branche.“ Aus dem halben Jahr Weltreise wurde nichts, er gründete zusammen mit Freunden eine Firma, flog zwei Mal pro Woche von Köln, wo er mit seiner Familie lebt, nach Hamburg zu Jung von Matt. „Ich habe direkt Anfragen bekommen, bin viel unterwegs gewesen“, sagt er. „Deswegen wollte ich lieber nicht so lange verreisen, dann wäre ich ja wieder draußen gewesen.“
Er mag das Leben als Selbstständiger. Dreht er gerade eine Folge „Das T steht für Coach“ oder „Hans im Glück“ für den WDR, hängt er sich – wie früher auf dem Platz – voll rein. Hat er drehfrei, kann er seine Zeit selbst einteilen und findet auch mal Zeit für eine Laufeinheit. „Jeder Tag, jede Woche, jeder Monat sieht anders aus“ sagt er. „Im Fußball hatte ich immer einen Trainer, der mir vorgeschrieben hat, wie ich trainieren soll, was ich essen darf. Das habe ich jetzt nicht mehr.“ Er hat zwar die A-Lizenz und beim DFB Erfahrungen im Jugendbereich gesammelt. Eine klassische Trainerkarriere wäre aber wohl nichts für Sarpei. Dann müsste er sich festlegen, andere Projekte aufgeben, seinen Terminplan einem festen Trainingsplan anpassen. „Die Gemeinschaft, die ich während der drei oder vier Tage mit den Amateurmannschaften habe oder die Leute, die mir bei Hans im Glück erzählen, wie sie Glück definieren – das alles müsste ich dann aufgeben.“ Herumreisen und Menschen treffen, das liegt ihm. Aber seine Zeitgestaltung aus der Hand geben – eher nicht.
Er will nicht in die Roberto-Blanco-Ecke gestellt werden
Auch hier in Berlin kümmert er sich um seine Onlineauftritte, fragt seine Assistentin nach Foto- und Videomaterial, beantwortet Anfragen, kurz: pflegt seine Marke. Wie er die definiert? „Humorvoll, lustig, schwarz“. In die Roberto-Blanco- Ecke aber will er nicht gestellt werden. Er ist schließlich Hans Sarpei. Humor muss trotzdem sein. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Botschaften besser ankommen, wenn man sie humorvoll verpackt“, sagt er. Zwischen den unzähligen Bildern aus dem Fitnessstudio und den Posts zum „Sexy Friday“, den zotigen Witzen und den „Breaking News“ zu seiner Halbmarathon-Teilnahme findet man auf seinen Social-Media-Kanälen auch Posts gegen Sklavenhandel in Lybien oder für die Deutsche Knochenmarkstiftung. „Ich möchte ein Sprachrohr sein für Leute, die nicht gehört werden“, sagt Sarpei.
Doch wie passen Tanzauftritte und launige Kommentare über biertrinkenden Ruhrpottmannschaften zu Themen wie Rassismus und Integration? Er erinnere sich an ein Spiel während seiner Zeit bei Fortuna Köln als Gast in Cottbus, es war die Saison 1999/2000. Es flogen Bananen, das Cottbuser Publikum machte Affenlaute, pfiff ihn aus. „Das war schlimm.“ Diese Erfahrungen will er in Vorträgen weitergeben, das ist sein nächstes Projekt. Aber immer mit Humor bitte. Inspiration für seine Speakerkarriere holt er sich unter anderem bei Stand-up-Comedians auf Youtube.
Hans Sarpei macht das, worin er gut ist und das kann man ihm nicht verdenken. Fast 600.000 Follower hat seine Facebookseite, bei Instagram sind es knapp 39.000, bei Twitter 486.000. Dort twittert er ein Foto vom Crossfit-Fotoshooting mit dem Spruch „If you aren’t willing to work for it. Don’t complain not having it.“ Heißt so viel wie: Wenn du nicht für etwas arbeiten willst, beschwere dich nicht, wenn es nicht klappt. Dafür bekommt der Ex-Schalker 461 Likes. Die Marke Sarpei steht für das, was viele unter „erfolgreicher Integration“ verstehen.
Was er sagt, ist selten flapsig und schnell erdacht
Geboren in Ghana, zog er als Zweijähriger mit seiner Familie nach Deutschland und wuchs in Köln-Chorweiler auf. Ganz solide beendete er seine Lehre als Anlagenmechaniker bei Bayer, spielte auf Lokalniveau und später bei Viktoria und Preußen Köln. Er sagt „dat“ und teilt alte Bilder von Schalke-Spielen. Dabei schafft er einen Spagat, an dem viele scheitern: Er behielt seine ghanaische Staatsbürgerschaft, spielte im Nationalteam Ghanas und bezeichnet seinen Geburtsort Tema bis heute genauso als Heimat wie Deutschland. Gleichzeitig ist er ein Kölner Jung, unser aller Hänsken: Auf seinen Bildern strahlt sein breites Lächeln, auf dem Coverbild seiner Facebookseite tanzt er, über die Tollpatschigkeit der Amateurmannschaften regt er sich stellvertretend für das Publikum auf, nimmt kein Blatt vor den Mund. Teamansprache an den BV Rentfort III: „Wir machen hier Zweikampftraining. Der eine wackelt mit dem Arsch und geht einfach vorbei!“
Die Sendung ist nach ihm benannt, Peter Neururer und dessen Vorgänger sind nur Sidekicks. Die Sprüche über zu lange Fingernägel und Frauen, die immer alles kompliziert machen. kamen nicht von Sarpei, sondern von Co-Trainer André Schubert. Weder in seinen Sendungen noch auf der Bühne in Berlin ist er tatsächlich der Clown, der Witze kloppt. Die Sprüche machen meist andere. „Nächstes Jahr machst du beim Inliner-Marathon mit, da kannst du dich auch ziehen oder schieben lassen“, scherzt Renndirektor Mark Milde bei der PK zum Halbmarathon.
Sarpei schaut fast verlegen zu Boden. Was er sagt, ist selten flapsig und schnell erdacht, sondern wohlüberlegt. „Man muss sich viele Gedanken machen, bevor man so einen Vortrag hält“, sagt er über seine Ambitionen als Speaker. Gründliche Vorbereitung sei alles. Bei Jung von Matt machte er eine zweite Lehre, lernte die Welt des Marketings von Grund auf kennen. „Man darf sich nicht zu wichtig nehmen“, sagt Sarpei über seine Lehrjahre. Vielleicht ist er deshalb dem Schicksal des Wartestands entkommen: Im sich rasant wandelnden Fußball- und Medienzirkus ist das wohl die gesündeste Einstellung, die man haben kann.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität